Nach Amerika! Zweiter Band | Page 4

Friedrich Gerstäcker
unächten Diamant als Glas in die Höhe hielt und
sein ziemlich starkes Uhrgehänge bestand aus einer Unmasse kleiner
goldener oder vergoldeter Werkzeuge, Hammer, Korkzieher, Pistolen,
Flaschen, Musikinstrumente &c. &c. Sein Gesicht machte dabei gerade
keinen angenehmen Eindruck; die Stirn war sehr niedrig und etwas
zurückgehend, mit einer ziemlich tiefen Falte queer darüber hinziehend,
und die kleinen blauen Augen flogen unruhig umher, während er sprach,
indeß der Zug um den Mund eine merkwürdig stark ausgeprägte
Zuversichtlichkeit, wie vielleicht auch Eigenliebe verrieth; dennoch
ließ sich ein gutmüthiger Ausdruck darin nicht verkennen, und das
ganze Gesicht war entschuldigt, sobald man erfuhr, daß es einem
Weinreisenden gehörte.
»Und können Sie uns vielleicht genau die Abfahrt des Schiffs sagen?«
frug die Frau Professorin endlich, die erste mögliche Pause benutzend;
»es hieß daß es schon morgen früh in See gehen sollte.«
»Wind und Wetter permitting wie die Engländer sagen« lächelte der
Weinreisende, sehr zufrieden dadurch zugleich seine nautischen wie

auch sonstigen Kenntnisse der englischen Sprache gezeigt zu haben.
»Was heißt das?« sagte die Frau Professorin, etwas verlegen.
»Ah, daß ein Schiff nicht segeln kann, wenn der Wind nicht günstig
ist,« lächelte der Weinreisende nach den beiden jungen Damen hinüber.
»Uebrigens wird die Haidschnucke keineswegs vor morgen Abend in
See gehn« setzte er beruhigend hinzu; »ich bin mit dem Capitain sehr
eng befreundet -- wir haben schon manche Flasche zusammen
ausgestochen, und er hat mich versichert daß er morgen Abend um
sechs Uhr, mit eintretender Ebbe, seinen Anker lichten und seine Segel
spannen würde. Sie wissen wohl, gnädige Frau -- »Segel gespannt und
den Anker gelichtet,« wie wir Seeleute singen.«
»Also vor morgen Abend nicht? oh das ist mir sehr lieb« sagte die Frau
beruhigt; »dann brauchen wir auch nicht die Nacht durchzureisen und
ich kann die Kinder zu Bett bringen, sobald der Vater zurückkommt.
Sie wissen es doch ganz gewiß?«
»Parole d'honneur!« sagte der Weinreisende, sich, mit der rechten
Hand und den Siegelring auf dem Herzen, verbeugend. »Uebrigens«
fuhr er lebhafter fort, »wird, nach Goethe, wie bekannt, durch zweier
Zeugen Mund, überall die Wahrheit kund, und hier an dem Tisch sitzt
noch ein Reisegefährte von uns, der ebenfalls seine Passage auf der
Haidschnucke genommen hat und erst wahrscheinlich morgen früh um
elf Uhr mit dem zweiten Dampfboot nach Brake fahren wird, an Bord
zu gehn -- Herr Mehlmeier, dürfte ich Sie bitten sich einen Augenblick
hierherüber zu bemühen und -- Sie erlauben mir doch daß ich ihnen
Herrn Mehlmeier vorstellen darf?«
»Wird uns sehr angenehm sein« sagte die Frau Professorin etwas
verlegen; es war ihr eben nicht angenehm, in der Abwesenheit ihres
Mannes mit so vielen fremden Menschen hier zu verkehren.
Herr Mehlmeier, der indessen still und regungslos, und ohne auch nur
den Kopf nach jemand Anderem umzuwenden, vor seinem wieder und
wieder gefüllten Glas Bier gesessen hatte, war bei dem Ruf seines
Namens aufgesprungen, als ob ihn was mit einer Stecknadel an irgend

einem empfindlichen Theil gestochen hätte. Es war eine große, fast
übermäßig starke Gestalt, die des Herrn Mehlmeier, mit einem vollen
runden gutmüthigen Gesicht, sehr breiten Schultern und stattlichem,
etwas bauchigem Körper, Marie aber sowohl wie Eduard, und selbst
Anna konnten sich kaum eines Lächelns erwehren, als er den Mund
öffnete, und mit einer ganz feinen weichen, fast weiblichen Stimme
ausrief:
»Was befehlen Sie Herr Steinert?«
»Ach lieber Herr Mehlmeier,« rief aber Herr Steinert -- »ich wollte mir
vor allen Dingen die Freiheit nehmen, Sie den Damen hier, die wir so
glücklich sind künftige Reisegefährtinnen von uns zu nennen, nach
aller Form vorzustellen -- Herr Christian Mehlmeier von Schmalkalden
-- und -- aber ich weiß wahrhaftig Ihren eigenen Namen noch nicht,
meine Damen --«
»Die Familie des Professor Lobenstein aus Heilingen« nahm hier
Eduard das Wort, der sich jetzt besonders für den dicken Mann mit der
feinen Stimme interessirte.
»Professor Lobenstein?« rief Herr Steinert, rasch nach dem jungen
Mann herumfahrend -- »Familie des Professor Lobenstein -- corpo di
Bacho! da sind wir ja alte Bekannte -- habe das Vergnügen schon
früher gehabt mit Ihrem Herrn Vater in einer sehr angenehmen
Geschäftsverbindung zu stehn -- ich machte in Weinen für das Haus
Schwartz und Pelzer in Frankfurt am Main -- und der Herr Professor
machten ebenfalls die Reise mit.«
»Wir erwarten ihn jeden Augenblick« sagte die Frau Professorin, sich
dabei ungeduldig nach der Thüre umsehend, denn die Bekanntschaft
des Herrn Steinert, der mit seiner lauten Stimme schon die
Aufmerksamkeit sämmtlicher übrigen Gäste auf sie gezogen hatte, fing
an ihr drückend zu werden.
»Er ist eben fortgegangen sich über die genaue Abfahrt des Schiffes
Gewißheit zu holen,« ergänzte Eduard.

»Ah ja, unser Schiff« rief Herr Steinert, sich plötzlich wieder der Sache
erinnernd, wegen der er Herrn Mehlmeier eigentlich herbeigerufen.
»Sie haben ja selber heute mit den Rhedern gesprochen, nicht wahr
lieber Mehlmeier?«
»Ja wohl« sagte der dicke Mann mit seiner feinsten Stimmlage,
während er dabei stark mit dem
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