ebenfalls auf sich zog und dann, als ob er fühle daß sein
Betragen vielleicht auffällig wäre, sich weiter mit seinem Stuhl
zurückzog und sich mehr seitwärts setzte. Seine Blicke schweiften aber
dennoch fortwährend, und wie fast unwillkürlich, nach dem Tische
hinüber, an welchem die fremden Damen saßen, und hafteten dann
hauptsächlich -- Eduard, als er erst einmal aufmerksam wurde, konnte
das deutlich erkennen -- auf seiner Mutter.
Die Frau Professorin war jedoch viel zu sehr mit ihren Kindern und der
Sorge um ihr Gepäck beschäftigt, den kleinen grauen Mann auch nur zu
bemerken, viel weniger denn zu finden daß sie selber von ihm so scharf
beobachtet wurden, bis sie Eduard endlich darauf aufmerksam machte
und sie frug, ob sie den Fremden vielleicht schon früher einmal
gesehen habe. So wie sie aber zu dem hinüber sah, stand er, wie
verlegen, von seinem Sitze auf, zog die Mütze vorn womöglich noch
weiter herunter, steckte dann beide Hände hinten in seine Fracktaschen,
und verließ, leise vor sich hin pfeifend, das Zimmer.
»Sie, Kellner!« rief aber jetzt Eduard, den der Mann an zu interessiren
fing, einem der um sie beschäftigten aber ebenfalls ziemlich schläfrig
aussehenden Kellner zu -- »kennen Sie den Herrn der da eben
hinausging?«
»Eben hinausging?« sagte der Kellner, einen faulen Blick nach der
Thür werfend -- »ich habe nicht darauf geachtet.«
»Der mit der grauen Mütze und dem grauen Rock.«
»Ach -- die Nachtigall?« sagte der Kellner, und ein breites, etwas
dummes Lächeln zog ihn den Mund fast von einem Ohre bis zum
andern.
»Die Nachtigall?« wiederholte Eduard etwas verdutzt.
»Nun Sie meinen doch den kleinen grauen Mann mit dem spitzen
Mützenschilde?« lachte der Kellner.
»Ja wohl, denselben.«
»Nun ja, das ist ein sonderbarer Kautz, der schon acht Tage bei uns
wohnt. Er heißt Schultze und will mit der Haidschnucke nach
Amerika.«
»Mit der Haidschnucke? -- mit der wollen ja auch wir fort« -- rief
Eduard rasch -- »also segelt sie noch nicht morgen in aller Früh?«
»Ich glaube nicht« sagte der Kellner, »sonst wäre die Nachtigall doch
schon längst nach Bremerhafen hinauf -- auf wann war sie denn
angezeigt?«
»Auf morgen früh -- bestimmt.«
»Ah da haben Sie noch Zeit genug,« gähnte der Kellner -- »unter acht
Tagen gehn Sie dann gewiß noch nicht in See.«
»Acht Tage?« rief Eduard erschreckt -- »das wäre eine schöne
Geschichte wenn wir hier noch acht Tage im Wirthshaus liegen
sollten.«
»Lieber Gott« meinte der Kellner, eine Parthie abgegessener Teller von
einem der Nachbartische aufnehmend und damit fortgehend -- »die
Auswanderer liegen hier manchmal vier und sechs Wochen, ehe ihr
Schiff segelt.«
»Das wären traurige Aussichten« sagte Anna, die nicht weit von
Eduard saß, und des Kellners Bemerkung gehört hatte -- »da hätten wir
uns freilich die letzten Tage in Heilingen nicht so entsetzlich
abzuhetzen brauchen.«
»Was weiß der Kellner davon« tröstete sie aber Eduard; »apropos, der
kleine graue Mann, der uns da gerade gegenübersaß und Mutter immer
so anstarrte, geht auch mit der Haidschnucke nach New-Orleans?«
»Um Verzeihung,« fiel hier ein anderer Fremder, der an einem
benachbarten Tisch saß, ein, sich im Stuhl etwas zurückbiegend --
»habe ich recht gehört und gehen Sie wirklich mit der Haidschnucke
nach New-Orleans?«
»Allerdings« erwiederte ihm Eduard -- »wir haben unsere Passage auf
dem Schiff genommen.«
»Ah, das ist mir doch ungemein angenehm« erwiederte der Fremde sich
rasch vollständig gegen die Damen herumdrehend; »da bin ich so frei
mich Ihnen als künftigen Reisegefährten gehorsamst vorzustellen.«
Die Damen verbeugten sich leicht gegen den sich selber Einführenden,
und Frau Professor Lobenstein wollte ihn eben fragen ob er etwas
Bestimmtes über die Abfahrt des Schiffes wisse, er ließ sie aber gar
nicht zu Worte kommen, und fuhr rasch, seinen Stuhl jetzt vollständig
zu ihrem Tische rückend, fort:
»Ist mir doch wirklich sehr angenehm; wunderbares Zusammentreffen
das, ebenfalls, eh? -- wie sich die Leute doch so auf der Welt finden;
kommen hier in einem Gasthaus, an einem Tisch zusammen und sind,
unbewußt, im Begriff eine so ungeheure Reise mit einander zu machen
und die Gefahren des Oceans zu theilen. Liegt ungeheuer viel Poesie in
dem Gedanken.«
Der gesprächige Fremde machte hier zum ersten Mal eine Pause, indem
er seine ziemlich geleerte Weinflasche und sein Glas von dem Tisch an
dem er vorher gesessen, herüber nahm, und vor sich hinstellte, und sein
Glas dabei wieder füllte und mit einer Verbeugung gegen die Damen
trank.
Es war ein Mann ziemlich hoch in den Dreißigen, sehr sorgfältig
angezogen, mit einem großen Siegelring an dem Zeigefinger der
rechten und drei oder vier anderen Ringen an dem kleinen Finger der
linken Hand. Er trug sein Haar dabei à la malconte, vollkommen kurz
abgeschnitten, und wie es schien dem Bart zu Liebe, dem er desto
volleres und unbeschränkteres Wachsthum gestattete. Die Tuchnadel,
die seine schwarzseidene, kunstgerecht gefaltete Cravatte
zusammenhielt, war ein kleiner goldener Bacchus auf einem Faß, der
einen, wahrscheinlich
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