Nach Amerika! Erster Band | Page 8

Friedrich Gerstäcker
(die Gäste meinten, mit schlechtem Bier vergiftet)

und dafür von dem damals regierenden Fürsten Platz und Wirtschaft als
Gerechtsame, mit dem Schild als Wahrzeichen, erhalten.
Wie dem auch sei, Thuegut Lobsich that wirklich gut auf dem Platz,
der ihm vortreffliche Nahrung bot, und befand sich so wohl, wie sich
nur ein Wirth in einer gut gelegenen Wirthschaft befinden kann. Seine
Frau war aber dabei der Nerv des Ganzen, in Küche und Stall, in Keller
und Haus, und während sich Vater Lobsich, wie er sich gern nennen
ließ, obgleich er noch jung und rüstig war, am Liebsten zu seinen
Gästen irgendwo an einen Tisch drückte und »das Bier controllirte«,
wie er sagte, daß ihm die Burschen kein Saures brachten und die Gäste
verjagten, arbeitete die Frau im Schweiße ihres Angesichts vor dem
Heerd, die bestellten Portionen herzurichten und zu gleicher Zeit auch
den Verkauf von Kaffee, Thee, Milch und Kuchen zu überwachen.
Dabei führte sie die Kasse und rechnete mit Kellnern und Mädchen ab,
und wehe denen, die eine halbe Portion Kaffee oder Kuchen vergessen,
ein nichtbezahltes Glas nicht aufnotirt oder einem schlechten Kunden
noch einmal gegen den direkt gegebenen Befehl geborgt hatten.
Böse Zungen meinten dabei nicht selten, Frau Lobsich sei der »einzige
Mann im Hause« und Thuegut dürfe nur tanzen, wenn sie nicht daheim
wäre; böse Zungen erwähnten dann aber nicht dabei, daß sie wirklich
allein das Hauswesen in Zucht und Ordnung hielt, und so scharf und
heftig sie draußen in Küche und Wirtschaft, wo sie fremde Leute doch
auch eigentlich nur zu sehen bekamen, sein konnte, und so große
Ursache sie dabei oft hatte ärgerlich zu sein, und die Ursache dann auch
für vollkommen genügend hielt, es wirklich zu werden, so still und
freundlich konnte sie sich betragen, wenn sie allein mit ihrem Manne
war, und so gern gab sie ihm in Allem nach, was nicht eben zu Ruin
und Schaden trieb. Salome Lobsich war das Muster einer Hausfrau, und
was ebensoviel sagen will, eine gute Gattin dabei -- ob ihr Mann
dasselbe auch von sich sagen konnte, stand auf einem anderen Blatt.
Heute hatte sich übrigens eine ziemlich zahlreiche Gesellschaft in dem
gar so freundlich gelegenen Garten des rothen Drachen eingefunden,
und dicht vor der Thür desselben, unter der alten breitschattigen Linde,
die ihre Arme so weit nach rechts und links hinüberstreckte, daß man

sie schon hatte stützen müssen, nur den Weg zu ihr und den Platz
darunter frei zu behalten, saß Lobsich selber mit einem kleinen Kreis
guter Bekannten, d. h. alter Kunden und quasi Stammgäste von ihm,
denn er selber kam selten irgend wo anders hin, und wer also sein
Bekannter bleiben wollte, mußte ihn eben besuchen.
Zu diesen gehörte besonders Jacob Kellmann, ein Kürschner und
Pelzhändler aus Heilingen, dann der Aktuar Ledermann von dort, eine
lange hagere, etwas ungeschickte Gestalt, mit aber nicht unangenehmen,
gutmüthigen Gesichtszügen, und der Apotheker aus Heilingen,
Schollfeld mit Namen, die es gewöhnlich so einzurichten wußten, daß
sie an einen Tisch mit einander zu sitzen kamen. Lobsich nahm
ebenfalls am Liebsten zwischen dieser kleinen Gesellschaft Platz, und
nur dann und wann, besonders wenn er die Stimme seiner Frau
irgendwo hörte, stand er auf und ging einmal durch den Garten und die
Reihen seiner Gäste, zu sehn ob Alle ordentlich bedient würden, und
keine Klagen einliefen gegen unaufmerksame Kellner, die er in dem
Fall auch wohl gleich an Ort und Stelle mit einem Knuff oder einer
Ohrfeige abstrafte, als warnendes Beispiel. Er mußte an irgend Jemand
seinen Aerger auslassen, daß er nicht bei seinem Biere konnte sitzen
bleiben.
»Ist doch ein prachtvolles Wetter heute,« sagte Kellmann, der eben
einen tüchtigen Zug aus seinem Glase gethan, und nun mit vollem
zufriedenen Blick über das freundliche Bild hinaus schaute, das sich,
von der warmen Nachmittagssonne beschienen, in all seinem
blitzenden Glanz und Farbenschimmer vor ihnen aufrollte »und es
wächst und gedeiht Alles draußen so schön und steht so prächtig --
merkwürdig dabei, daß Alles so theuer bleibt, und die Preise, statt
herunter zu gehen, immer nur steigen und steigen.«
»Ja das weiß Gott,« seufzte der Aktuar, dem der Gedanke selbst den
Geschmack am Bier wieder zu verderben schien, denn er setzte das
schon zum Mund gehobene Glas unberührt vor sich nieder -- »und
wenn das noch eine Weile so fort geht, können wir alle mit einander
verhungern oder davonlaufen.«
»Nun Ihr habt gut reden,« sagte Kellmann, »Ihr bekommt vom Staat

Euer Gewisses und könnt Euch genau danach einrichten -- Euer Geld
muß Euch werden, wenn der erste jedes Monats kommt, unsereins
hängt aber allein von den Zeiten ab, und wenn die Lebensmittel knapp
werden, kauft Niemand einen Pelz. Holz will auch sein und daran kann
sich nachher die ganze Familie wärmen.«
»Ihr redet wie Ihr's versteht,« brummte der Aktuar, -- »unser Gewisses
bekommen wir, das ist wahr, aber nur deshalb, damit wir gewisses
Elend vor den
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