Nach Amerika! Erster Band | Page 7

Friedrich Gerstäcker
hörend, rasch in den Sattel und
flog, wie vorher erwähnt, in vollem Carrière die Straße nieder.
Er hatte den Hof kaum verlassen, als Loßenwerder, einen großen,
wunderschön blühenden Monatsrosenstock unter dem Arm, vorsichtig
und wie scheu, daß ihn Niemand gewahre, über den Hof und in die
Hinterthür des Hauses schlich, und sich leise und geräuschlos die
Treppe damit hinaufstahl. Er blieb etwa zehn Minuten im Haus und
wollte dann aus derselben Thür wieder über den Hof zurück, als der
Stallknecht aus der Futterkammer kam. Unschlüssig blieb der kleine
Mann eine kurze Zeit hinter der Thür stehen, und schlich sich dann, als
der Bursche den Platz nicht verlassen wollte, vorn zur Hausthür hinaus
auf die Straße, den Weg nach seiner Wohnung einschlagend.

Capitel 2.
DER ROTHE DRACHEN.
Der »rothe Drachen«, ein Wirthshaus, das wegen seines vortrefflichen
Bieres, wie sonst mancher schätzenswerthen Eigenschaften einen sehr
guten Namen hatte, lag etwa eine halbe Stunde von Heilingen, an der
großen Landstraße, die gen Norden führte. Ein freundlicher Thalgrund
umschloß Haus und Garten und die dunklen, den Gipfel des nächsten
Hanges krönenden Nadelhölzer hoben nur noch mehr das freundliche
Grün der jungen Birken und Weißeichen hervor, die sich über die
niedere Abdachung erstreckten, und bis scharf hinan an den
hocheingefriedigten und sorgfältig in Ordnung gehaltenen Frucht-,
Gemüse- und Blumengarten des Hauses selber lehnten.
Es war ein warmer, sonniger Frühlingsnachmittag; der Bach, der am
Hause dicht vorbeirieselte, plätscherte und schäumte in frischem
jugendlichen Uebermuth, des Eises Hülle, die ihn so lange gefangen
gehalten oder doch fest und ängstlich eingeklemmt, nun endlich einmal
enthoben zu sein, und die Vögel zwitscherten so froh und munter in
den Zweigen der alten knorrigen Linde, die unfern der Thüre stand, und
flatterten und suchten herüber und hinüber, aus den blühenden
Obstbäumen fort über den Hof und von dem Hof wieder fort in dicht
versteckten Ast und Zweig hinein, mit einem gefundenen Strohhalm
oder einer erbeuteten Feder im Schnabel, daß Einem das Herz
ordentlich aufging über das rege glückliche Leben. Und wie blau
spannte sich der Himmel über die blühende, knospende Welt, wie leicht
und licht zogen weiße duftige Wolken, Schwänen gleich, durch den
Aether hin, farbige, flüchtige Schatten werfend über Wiesen und Feld
und die weite Thalesflucht, die sich dem Auge in die Ferne öffnete und
dem leuchtenden Blick neue Schätze bot, wohin er fiel.
Ein Frühling in Deutschland -- ein Frühling im Vaterland; oh wie sich
das Herz da mit der wirbelnden, schmetternden Lerche hebt und
jubelnd, jauchzend gen Himmel steigt; zwinge die Thräne da nicht
zurück, die sich Dir, dem Glücklichen, in's Auge drängt -- in ihrem
Blitzen preisest Du den Vater droben, wie es die jubelnde Lerche dort
thut, die mit zitterndem Flügelschlag über den grünen Matten schwebt;

-- wie das raschelnde flüsternde Blatt im Wald, wie der schwankende,
thaugeschmückte Halm und die knospende, duftende Blüthe im Thal.
Ein Frühling im Vaterland -- oh wie schön, wie jung und frisch die
Welt da um uns liegt in ihrem bräutlichen Glanz, voll neuer
Hoffnungen in jedem jungen Keim, und wie sich das Herz der schönen
Blume gleich zusammenzog, als der Herbststurm über die Haide fuhr,
mit rauher Hand den Blattschmuck von den Bäumen riß und zu Boden
warf und Schnee und Eis vor sich hin jagte über die erstarrende Flur, so
öffnet es sich jetzt mit vollem Athemzug wieder den balsamischen
Frühlingsgruß, und vorbei, vergessen liegt vergangenes Leid -- wie der
verwehte Sturm selber keine Spur mehr hinterließ und die schönsten
Blumen jetzt gerade an den Stellen blühen, wo er am tollsten,
rasendsten getobt.
Ein warmer erquickender Regen war die letzten Tage gefallen, und so
gut er dem Land gethan, hatte er doch die Bewohner des nahen
Städtchens in ihre Häuser und Straßen gebannt gehalten, von wo aus sie
sehnsüchtig die nahen grünenden Berge theils, theils die dunklen
Wolken betrachteten, die nicht nachlassen wollten Segen auf die Fluren
niederzuträufeln. Heute aber hatte sich das geändert; voll und warm
glühte die Sonne am Himmelszelt und hinaus strömten sie in jubelnden
Schaaren, hinaus in's Freie. Der »rothe Drachen« vor allen anderen
Plätzen, der so reizend an der Oeffnung des Thales lag und die Aussicht
bot in das darunter liegende freie Land, hatte dabei sein reichlich Theil
erhalten der fröhlichen Schaar, daß die Wirthin mit ihren Kellnern und
Mägden nicht Hände genug hatte zu schaffen und herzurichten, und die
Tische und Bänke im Garten draußen fast alle besetzt waren rund
herum von Schmausenden.
Der »rothe Drachen« sollte übrigens, wie die Sage ging, seinen Namen
von einem wirklichen Drachen bekommen haben, der einmal vor vielen
hundert Jahren in der Schlucht weiter oben, die auch noch ebenfalls
nach ihm die Drachenschlucht hieß, gehaust und viele Menschen und
Rinder verschlungen hatte. Der Wirth des »rothen Drachen« nun,
Thuegut Lobsich, dessen Voreltern schon diesen Platz gehalten,
behauptete dabei, Einer seiner »Ahnen« habe den Drachen im
Einzelkampf erlegt --
Continue reading on your phone by scaning this QR Code

 / 80
Tip: The current page has been bookmarked automatically. If you wish to continue reading later, just open the Dertz Homepage, and click on the 'continue reading' link at the bottom of the page.