und trugen ihn hinweg. Inzwischen hatte unser Meister
seine Brieftasche gezogen, ein weißes Blatt herausgenommen und,
während daß der Gärtner nicht von der Stelle wich, mit Bleistift
angefangen zu schreiben:
>Gnädigste Frau! Hier sitze ich Unseliger in Ihrem Paradiese, wie
weiland Adam, nachdem er den Apfel gekostet. Das Unglück ist
geschehen, und ich kann nicht einmal die Schuld auf eine gute Eva
schieben, die eben jetzt, von Grazien und Amoretten eines Himmelbetts
umgaukelt, im Gasthof sich des unschuldigsten Schlafes erfreut.
Befehlen Sie, und ich stehe persönlich Ihro Gnaden Rede über meinen
mir selbst unfaßlichen Frevel. Mit aufrichtiger Beschämung
Hochdero untertänigster Diener W. A. Mozart, auf dem Wege nach
Prag.<
Er übergab das Billett, ziemlich ungeschickt zusammengefaltet, dem
peinlich wartenden Diener mit der nötigen Weisung. Der Unhold hatte
sich nicht sobald entfernt, als man an der hinteren Seite des Schlosses
ein Gefährt in den Hof rollen hörte. Es war der Graf, der eine Nichte
und ihren Bräutigam, einen jungen, reichen Baron, vom benachbarten
Gut herüberbrachte. Da die Mutter des letztern seit Jahren das Haus
nicht mehr verließ, war die Verlobung heute bei ihr gehalten worden;
nun sollte dieses Fest in einer fröhlichen Nachfeier mit einigen
Verwandten auch hier begangen werden, wo Eugenie gleich einer
eigenen Tochter seit ihrer Kindheit eine zweite Heimat fand. Die Gräfin
war mit ihrem Sohne Max, dem Leutnant, etwas früher nach Hause
gefahren, um noch verschiedene Anordnungen zu treffen. Nun sah man
in dem Schlosse alles, auf Gängen und Treppen, in voller Bewegung,
und nur mit Mühe gelang es dem Gärtner, im Vorzimmer endlich den
Zettel der Frau Gräfin einzuhändigen, die ihn jedoch nicht auf der
Stelle öffnete, sondern, ohne genau auf die Worte des Überbringers zu
achten, geschäftig weitereilte. Er wartete und wartete, sie kam nicht
wieder. Eins um das andere von der Dienerschaft, Aufwärter, Zofe,
Kammerdiener, rannte an ihm vorbei; er fragte nach dem Herrn - der
kleidete sich um; er suchte nun und fand den Grafen Max auf seinem
Zimmer, der aber unterhielt sich angelegentlich mit dem Baron und
schnitt ihm, wie in Sorge, er wolle etwas melden oder fragen, wovon
noch nichts verlauten sollte, das Wort vom Munde ab: »Ich komme
schon - geht nur!-« Es stand noch eine gute Weile an, bis endlich Vater
und Sohn zugleich herauskamen und die fatale Nachricht empfingen.
»Das wär ja höllenmäßig!« rief der dicke, gutmütige, doch etwas jähe
Mann; »das geht ja über alle Begriffe! Ein Wiener Musikus, sagt Ihr?
Vermutlich irgend solch ein Lump, der um ein Viatikum läuft und
mitnimmt, was er findet?«
»Verzeihen Euer Gnaden, darnach sieht er gerad nicht aus. Er deucht
mir nicht richtig im Kopf; auch ist er sehr hochmütig. Moser nennt er
sich. Er wartet unten auf Bescheid; ich hieß den Franz um den Weg
bleiben und ein Aug auf ihn haben.«
»Was hilft es hintendrein, zum Henker? Wenn ich den Narren auch
einstecken lasse, der Schaden ist nicht mehr zu reparieren! Ich sagt
Euch tausendmal, das vordere Tor soll allezeit geschlossen bleiben. Der
Streich wär aber jedenfalls verhütet worden, hättet Ihr zur rechten Zeit
Eure Zurüstungen gemacht.«
Hier trat die Gräfin hastig und mit freudiger Aufregung, das offene
Billett in der Hand, aus dem anstoßenden Kabinett. »Wißt ihr«, rief sie,
»wer unten ist? Um Gottes willen, lest den Brief - Mozart aus Wien,
der Komponist! Man muß gleich gehen, ihn heraufzubitten - ich fürchte
nur, er ist schon fort! Was wird er von mir denken! Ihr, Velten, seid
ihm doch höflich begegnet? Was ist denn eigentlich geschehen?«
»Geschehn?« versetzte der Gemahl, dem die Aussicht auf den Besuch
eines berühmten Mannes unmöglich allen Ärger auf der Stelle
niederschlagen konnte: »der tolle Mensch hat von dem Baum, den ich
Eugenien bestimmte, eine der neun Orangen abgerissen, hm! das
Ungeheuer! Somit ist unserm Spaß geradezu die Spitze abgebrochen,
und Max mag sein Gedicht nur gleich kassieren.«
»O nicht doch!« sagte die dringende Dame. »Die Lücke läßt sich leicht
ausfüllen, überlaßt es nur mir. Geht beide jetzt, erlöst, empfangt den
guten Mann, so freundlich und so schmeichelhaft ihr immer könnt. Er
soll, wenn wir ihn irgend halten können, heut nicht weiter. Trefft ihr
ihn nicht im Garten mehr, sucht ihn im Wirtshaus auf und bringet ihn
mit seiner Frau. Ein größeres Geschenk, eine schönere Überraschung
für Eugenien hätte der Zufall uns an diesem Tag nicht machen
können.«
»Gewiß!« erwiderte Max, »dies war auch mein erster Gedanke.
Geschwinde, kommen Sie, Papa! Und« - sagte er, indem sie eilends
nach der Treppe liefen - »der Verse wegen seien Sie ganz ruhig. Die
neunte Muse soll nicht zu kurz kommen; im Gegenteil, ich werde aus
dem Unglück noch besonderen Vorteil ziehen.« - »Das ist unmöglich!«
- »Ganz gewiß.« - »Nun, wenn das ist - allein ich nehme dich beim
Wort - so wollen wir dem Querkopf alle erdenkliche Ehre erzeigen.«
Solange dies im Schloß vorging, hatte sich
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