Mozart auf der Reise nach Prag | Page 5

Eduard Morike
näher, bald
entfernter, von dieser Seite fühlbar machte, wenn er, anstatt die Hälfte
seiner Kraft und Zeit dem bloßen Gelderwerb zu opfern, ungeteilt
seiner wahren Bestimmung nachleben dürfte, wenn endlich der Genuß,
nach dem er nicht mehr jagen, den er mit ungleich besserem Gewissen
haben würde, ihm noch einmal so wohl an Leib und Seele gedeihe,
dann sollte bald sein ganzer Zustand leichter, natürlicher, ruhiger
werden. Sie dachte gar an einen gelegentlichen Wechsel ihres
Wohnorts, da seine unbedingte Vorliebe für Wien, wo nun einmal nach
ihrer Überzeugung kein rechter Segen für ihn sei, am Ende doch zu
überwinden wäre.
Den nächsten, entscheidenden Vorschub aber zu Verwirklichung ihrer
Gedanken und Wünsche versprach sich Madame Mozart vom Erfolg
der neuen Oper, um die es sich bei dieser Reise handelte.
Die Komposition war weit über die Hälfte vorgeschritten. Vertraute,
urteilsfähige Freunde, die, als Zeugen der Entstehung des
außerordentlichen Werks, einen hinreichenden Begriff von seiner Art
und Wirkungsweise haben mußten, sprachen überall davon in einem

Tone, daß viele selber von den Gegnern darauf gefaßt sein konnten, es
werde dieser >Don Juan<, bevor ein halbes Jahr verginge, die gesamte
musikalische Welt von einem Ende Deutschlands bis zum andern
erschüttert, auf den Kopf gestellt, im Sturm erobert haben. Vorsichtiger
und bedingter waren die wohlwollenden Stimmen anderer, die, von
dem heutigen Standpunkt der Musik ausgehend, einen allgemeinen und
raschen Sukzeß kaum hofften. Der Meister selber teilte im stillen ihre
nur zu wohl begründeten Zweifel.
Konstanze ihrerseits, wie die Frauen immer, wo ihr Gefühl einmal
lebhaft bestimmt und noch dazu vom Eifer eines höchst gerechten
Wunsches eingenommen ist, durch spätere Bedenklichkeiten von da
und dort her sich viel seltener als die Männer irremachen lassen, hielt
fest an ihrem guten Glauben und hatte eben jetzt im Wagen wiederum
Veranlassung, denselben zu verfechten. Sie tats, in ihrer fröhlichen und
blühenden Manier, mit doppelter Beflissenheit, da Mozarts Stimmung
im Verlauf des vorigen Gesprächs, das weiter zu nichts führen konnte
und deshalb äußerst unbefriedigend abbrach, bereits merklich gesunken
war. Sie setzte ihrem Gatten sofort mit gleicher Heiterkeit umständlich
auseinander, wie sie nach ihrer Heimkehr die mit dem Prager
Unternehmer als Kaufpreis für die Partitur akkordierten hundert
Dukaten zur Deckung der dringendsten Posten und sonst zu verwenden
gedenke, auch wie sie zufolge ihres Etats den kommenden Winter
hindurch bis zum Frühjahr gut auszureichen hoffe.
»Dein Herr Bondini wird sein Schäfchen an der Oper scheren, glaub es
nur; und ist er halb der Ehrenmann, den du ihn immer rühmst, so läßt er
dir nachträglich noch ein artiges Prozentchen von den Summen ab, die
ihm die Bühnen nacheinander für die Abschrift zahlen; wo nicht, nun ja,
gottlob, so stehen uns noch andere Chancen in Aussicht, und zwar noch
tausendmal solidere. Mir ahnet allerlei.«
»Heraus damit!«
»Ich hörte unlängst ein Vögelchen pfeifen, der König von Preußen hab
einen Kapellmeister nötig.«
»Oho!«
»Generalmusikdirektor, wollt ich sagen. Laß mich ein wenig
phantasieren! Die Schwachheit habe ich von meiner Mutter.«
»Nur zu! Je toller, je besser.«
»Nein, alles ganz natürlich. - Vornweg also nimm an: übers Jahr um

diese Zeit...«
»Wenn der Papst die Grete freit...«
»Still doch, Hanswurst! Ich sage, aufs Jahr um Sankt Ägidi muß schon
längst kein Kaiserlicher Kammerkomponist mit Namen Wolf Mozart in
Wien mehr weit und breit zu finden sein.«
»Beiß dich der Fuchs dafür!«
»Ich höre schon im Geist, wie unsere alten Freunde von uns plaudern,
was sie sich alles zu erzählen wissen.«
»Zum Exempel?«
»Da kommt zum Beispiel eines Morgens früh nach neune schon unsere
alte Schwärmerin, die Volkstett, in ihrem feurigsten
Besuchssturmschritt quer übern Kohlmarkt hergesegelt. Sie war drei
Monat fort, die große Reise zum Schwager in Sachsen, ihr tägliches
Gespräch, solang wir sie kennen, kam endlich zustand; seit gestern
nacht ist sie zurück, und jetzt mit ihrem übervollen Herzen - es
schwattelt ganz von Reiseglück und Freundschaftsungeduld und
allerliebsten Neuigkeiten - stracks hin zur Oberstin damit! die Trepp
hinauf und angeklopft und das Herein nicht abgewartet: stell dir den
Jubel selber vor und das Embrassement beiderseits! - >Nun, liebste,
beste Oberstin< hebt sie nach einigem Vorgängigen mit frischem Odem
an: >ich bringe Ihnen ein Schock Grüße mit, ob Sie erraten, von wem?
Ich komme nicht so geradenwegs von Stendal her, es wurde ein kleiner
Abstecher gemacht, linkshin, nach Brandenburg zu.< - >Wie? Wär es
möglich... Sie kamen nach Berlin? sind bei Mozarts gewesen?< -
>Zehn himmlische Tage!< - >O liebe, süße, einzige Generalin, erzählen
Sie, beschreiben Sie! Wie geht es unsern guten Leutchen? Gefallen sie
sich immer noch so gut wie anfangs dort? Es ist mir fabelhaft,
undenkbar, heute noch, und jetzt nur desto mehr, da Sie von ihm
herkommen - Mozart als Berliner! Wie benimmt er sich doch? Wie
sieht er denn aus?< ->O der! Sie sollten ihn nur sehen. Diesen Sommer
hat ihn der König ins Karlsbad geschickt. Wann wäre seinem
herzgeliebten Kaiser Joseph so etwas eingefallen, he? Sie waren
Continue reading on your phone by scaning this QR Code

 / 28
Tip: The current page has been bookmarked automatically. If you wish to continue reading later, just open the Dertz Homepage, and click on the 'continue reading' link at the bottom of the page.