Der Moni fühlte sich unbeschreiblich
wohl. Von Zeit zu Zeit kam das Mäggerli zu ihm und strich ein wenig
mit seinem Kopf über Monis Schulter, wie die Geiß es immer tat. Dann
meckerte es ganz liebevoll, ging auf die andere Seite von Moni und
strich wieder den Kopf über seine Schulter. Auch von den anderen
Geißen kam bald diese, bald jene, um nach dem Hirten zu sehen, und
jede hatte ihre eigene Weise, ihm ihre Zärtlichkeit zu zeigen.
Die Braune, seine eigene Geiß, kam zu ihm und schaute nach, ob auch
alles mit ihm in Ordnung sei. Sie stand dann da und schaute ihn an, bis
er sagte: "Ja, ja, Braunli, es ist schon recht, geh nur wieder zum Futter."
Eine Geiß hieß die Schwalbe, weil sie so schmal und flink war und
überall hineinschoß, wie die Schwalben in ihre Löcher. Sie sprang so
ungestüm auf den Moni los, daß sie ihn wohl umgeworfen hätte, wäre
er nicht schon auf dem Boden gelegen. Gleich darauf lief sie wieder
davon.
Die glänzende Schwarze, die Geiß des Wirts im Badehaus, Mäggerlis
Mutter, war ein wenig stolz. Sie kam nur auf ein paar Schritte
Entfernung heran, schaute mit erhobenem Kopf zu dem Moni hin, als
wollte sie sich nicht zu vertraulich zeigen und ging dann wieder ihrer
Wege. Der große Sultan aber, der Bock, zeigte sich immer nur einmal
und drückte dann alle weg, die er in Monis Nähe traf. Dann meckerte er
einigemale so bedeutungsvoll, als habe er Mitteilungen abzugeben über
den Zustand der Herde, als deren Anführer er sich fühlte.
Nur das kleine Mäggerli ließ sich niemals von seinem Beschützer
verdrängen. Wenn der Bock kam und wollte es wegdrücken, so kroch
es so tief unter Monis Arm oder Kopf, daß der große Sultan nicht wagte,
näher zu kommen. Unter Monis Schutz fürchtete sich das Zicklein auch
kein bißchen mehr vor dem Sultan, vor dem es sonst erzitterte, wenn es
in seine Nähe kam.
So war der sonnige Morgen vergangen. Moni hatte schon sein
Mittagessen verzehrt und stand nun nachdenklich auf seinen Stecken
gestützt, den er hier oben öfters brauchte. Denn er war ihm beim Auf-
und Abstieg eine große Hilfe. Er dachte nach, ob er eine neue Seite der
Felsen besteigen wollte. Denn an diesem Nachmittag wollte er mit den
Geißen höher hinauf, die Frage war nur, nach welcher Seite? Er
entschied sich für die linke, denn dort ging es zu den drei
Drachensteinen, um die herum so zartes Buschwerk wuchs, daß es ein
wahres Festessen für die Geißen war.
Der Weg war steil, und oben waren gefährliche Stellen an der schroffen
Felswand, aber er wußte einen sicheren Weg. Und die Geißen waren ja
vernünftig und verliefen sich nicht so leicht. Er ging bergauf, und lustig
kletterten ihm alle seine Geißen nach. Sie waren bald vor, bald hinter
ihm, das kleine Mäggerli blieb immer ganz in seiner Nähe. Manchmal
hielt er es fest und zog es mit sich, wenn eine steile Stelle kam. Es ging
aber alles gut, und nun waren sie oben, und mit hohen Sprüngen
rannten die Geißen zu den grünen Büschen hin, denn sie erkannten das
gute Futter, das sie schon öfter hier oben abgenagt hatten.
"Nur zahm! Nur zahm!" mahnte Moni, "und stoßt einander nicht an den
steilen Stellen, es könnte leicht eines abstürzen und hätte die Beine
gebrochen. Schwalbe! Schwalbe! Was kommt denn dir in den Sinn?"
rief er jetzt voller Aufregung. Denn die flinke Geiß war über die hohen
Drachensteine hinaufgeklettert, stand jetzt auf dem äußersten Rand des
einen Steins und guckte von da ganz vorwitzig auf ihn herunter. Er
kletterte eilig hinauf, denn nur noch ein einziger Tritt, und die
Schwalbe lag unten im Abgrund. Moni war sehr behend, in wenigen
Minuten hatte er den Stein erklettert und mit einem schnellen Griff die
Schwalbe am Bein erfaßt und zurückgezogen. "Komm du jetzt mit mir,
du unvernünftiges Tierlein du", schalt Moni und zog die Schwalbe mit
sich herunter zu den anderen. Er hielt sie noch ein Weilchen fest, bis sie
nicht mehr ans Fortlaufen dachte.
"Wo ist das Mäggerli?" schrie Moni plötzlich auf, der die Schwarze
erblickte, wie sie allein an einer steilen Stelle stand und nichts fraß,
sondern ruhig umherschaute. Immer war das junge Geißlein neben
Moni, oder es lief seiner Mutter nach.
"Wo hast du dein Zicklein, Schwarze?" rief er erschrocken und sprang
auf die Geiß zu. Sie war ganz sonderbar, fraß nicht, blieb immer auf
demselben Platz stehen und spitzte verdächtig die Ohren. Moni stellte
sich dicht neben sie und schaute hinauf und hinab. Jetzt hörte er ein
leises, jammerndes Meckern. Das war Mäggerlis Stimme, sie kam von
unten herauf, so kläglich und hilfeflehend. Moni legte sich auf den
Boden und beugte sich vor. Dort unten bewegte sich etwas. Jetzt sah
er's deutlich, tief unten hing das Mäggerli an einem Ast, der aus dem
Continue reading on your phone by scaning this QR Code
Tip: The current page has been bookmarked automatically. If you wish to continue reading later, just open the
Dertz Homepage, and click on the 'continue reading' link at the bottom of the page.