auf dem Rücken
eines Elefanten, hochmütig den Hindu anstarrt; wo die Stadthalle ernst
dreinblickt, die in ihrem Bauche unzählige Bücher birgt, aus denen die
Weißen allerlei Unnützes lernen, was sie für wissenswert halten.
Es sind stolze Häuser, nicht vergleichbar unseren Lehmhütten, und
wenn sie einmal zerstört sein werden, werden sie schönere Ruinen
geben. Und sie werden bewundert von allen, die sie zum ersten Male
schauen.
Ich aber achtete nicht auf alle diese bekannten Herrlichkeiten, ich
beeilte mich, nach Hause zu kommen zu Malatri, der Brillenschlange,
die ich von meinem Vater geerbt hatte.
Malatri ist die durchtriebenste, heimtückischste Schlange Indiens, und
ich glaube, daß die Seele eines englischen Diplomaten in ihr wohnt. Ihr
sind die Giftzähne ausgebrochen, und Schiwa füge, daß das gleiche
auch der englischen Politik passieren möge.
Jetzt, da Malatri gestorben ist, kann ich ruhig ausplaudern, wozu sie
mir diente: Wenn die Nacht herniedersank, barg ich sie unter meinem
Kleid, schlich in das Europäerviertel der Stadt und ließ Malatri in das
Schlafgemach einer weißen Lady schlüpfen. Zischend richtete sich die
Schlange auf, die Herrin schrie, die Hausbewohner liefen zusammen,
um die Schlange zu erschlagen, -- und in dem allgemeinen Tumult fand
ich Zeit und Muße, in den vornehmen Zimmern des Hauses ein wenig
Umschau zu halten. Wenn ich dann meine Beute nach Hause brachte,
pflegte Malatri, die kluge Brillenschlange, schon an der Pforte auf mich
zu warten. Ich lobte sie, gab ihr Reis und süße Milch zu fressen,
wickelte mich in meine Decke und schlief ausgezeichnet, wie eben ein
Mensch schläft, der sich eines guten Gewissens und eines
wohlgelungenen Einbruchsdiebstahls erfreut.
Es ist merkwürdig, daß die Weißen so sehr vor einer Brillenschlange
erschrecken, und es hängt sicherlich mit der törichten Furcht zusammen,
die dieses dumme Volk vor dem Tode hat. Wir Hindus wissen, daß wir
keine Stunde früher oder später sterben werden, als es uns vom
Schicksal vorausbestimmt ist. Ist unsere Stunde noch nicht gekommen,
so können uns Tausende von giftigen Schlangen beißen, ohne daß es
uns schadet, -- ist aber unsere Zeit abgelaufen, so sterben wir an dem
Stich einer Mücke, an dem Schlag eines Strohhalmes, an dem Biß eines
Mehlwurms.
Die Europäer begreifen das nicht, sie verbringen ihr ganzes Leben in
Furcht und Sorge, in Angst und Selbstquälerei, sie scheuen den Tod,
statt sich auf die Sterbestunde zu freuen, die sie von einem solchen
selbstverpfuschten Leben erlöst.
Das Schlimmste aber ist, daß diese weißen Menschen sich unterfangen,
mit ihren niedrigen Anschauungen unser abgeklärtes Leben zu stören.
Nicht nur daß sie uns die Witwenverbrennungen und das Ertränken der
neugeborenen Mädchen verbieten, sie suchen auch bei Pestepidemien
durch allerhand Vorschriften, die sie »sanitäre Maßregeln« nennen, den
Gang des Schicksals zu ändern. Ein ebenso vergebliches wie
fluchwürdiges Unternehmen.
Sie verbieten uns in solchen Jahren, von dem Wasser des heiligen
Stromes zu trinken, -- weil Aussätzige darin baden, und weil wir die
Kadaver der heiligen Tiere in diesen Strom zu werfen pflegen.
Sie glauben eben nicht an das Schicksal, nicht an die Macht Schiwas,
sondern nur an die Macht des Goldes, und deshalb ist es ein gutes Werk,
ihnen das Gold wegzunehmen.
Ich aber füge mich nur dem Schicksal. Will es das Schicksal, so habe
ich heute satt zu essen, -- will es das Schicksal, so hungere ich.
Zeitweise verdinge ich mich einem Europäer als Boy. Will es das
Schicksal, so gelingen mir meine Betrügereien gegen ihn, und er gibt
mir obendrein ein gutes Zeugnis, das ich durch einige eigenhändige
Zeilen noch verbessere, -- will es das Schicksal anders, so erwischt er
mich beim ersten Betrug und verprügelt mich, daß ich nicht mehr weiß,
was hinten und vorne ist. Beides ist mir recht.
Finde ich in der Tasche eines Fremden eine Geldbörse, und will es das
Schicksal, daß sie wohlgefüllt ist, so behalte ich sie, -- will es aber das
Schicksal, daß sie leer ist, so trage ich sie zur Wache.
Alle Hindus sind in dieser Verehrung des Schicksals einig, und nur
über #einen# Punkt herrscht zwischen mir und meinen Brüdern eine
Meinungsverschiedenheit: Jene behaupten, es sei das höchste Glück der
Erde, auf dem Rücken zu liegen und in die Sonne zu blinzeln, ich aber
sage, es ist ein noch größeres Glück, dabei auf dem #Bauch# zu liegen.
Nun, das sind eben verschiedene Weltanschauungen, über die sich nicht
streiten läßt.
Solche Gedanken ballten sich hinter meiner Stirne, als ich an jenem
denkwürdigen Tage des Abschieds von meinem ehrwürdigen Vater die
Straßen hinabeilte, um Malatri, die Brillenschlange, zu holen. Da
hemmte ein ungewohnter Aufzug meine Schritte.
Wohl zwanzig junge Europäer, in Reihen zu drei und drei aufgestellt,
kamen des Wegs daher, begleitet von einer weinenden Frau und von
Jim Boughsleigh, dem Soldaten, der sie mit geladenem Gewehr
bewachte.
Ich weiß nicht, ob Ihr Jim Boughsleigh kennt? Wenn Ihr ihn #nicht#
kennt, habt Ihr jedenfalls nicht viel verloren. Er ist ein
langgeschossener dürrer Mensch mit
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