die Zeit so lang
werden.--Wir werden vor langer Weile uns putzen müssen und das
Kleid versuchen, in welchem wir den ersten Sturm geben wollen.
Fräulein Was redest du von Stürmen, da ich bloß herkomme, die
Haltung der Kapitulation zu fordern?
Franziska Und der Herr Offizier, den wir vertrieben, und dem wir das
Kompliment darüber machen lassen; er muß auch nicht die feinste
Lebensart haben; sonst hätte er wohl um die Ehre können bitten lassen,
uns seine Aufwartung machen zu dürfen.--
Fräulein Es sind nicht alle Offiziere Tellheims. Die Wahrheit zu sagen,
ich ließ ihm das Kompliment auch bloß machen, um Gelegenheit zu
haben, mich nach diesem bei ihm zu erkundigen.--Franziska, mein
Herz sagt es mir, daß meine Reise glücklich sein wird, daß ich ihn
finden werde.--
Franziska Das Herz, gnädiges Fräulein? Man traue doch ja seinem
Herzen nicht zu viel. Das Herz redet uns gewaltig gern nach dem
Maule. Wenn das Maul ebenso geneigt wäre, nach dem Herzen zu
reden, so wäre die Mode längst aufgekommen, die Mäuler unterm
Schlosse zu tragen.
Fräulein Ha! ha! Mit deinen Mäulern unterm Schlosse! Die Mode wäre
mir eben recht!
Franziska Lieber die schönsten Zähne nicht gezeigt, als alle
Augenblicke das Herz darüber springen lassen!
Fräulein Was? Bist du so zurückhaltend?--
Franziska Nein, gnädiges Fräulein, sondern ich wollte es gern mehr
sein. Man spricht selten von der Tugend, die man hat; aber desto öftrer
von der, die uns fehlt.
Fräulein Siehst du, Franziska? Da hast du eine sehr gute Anmerkung
gemacht.--
Franziska Gemacht? Macht man das, was einem so einfällt?--
Fräulein Und weißt du, warum ich eigentlich diese Anmerkung so gut
finde? Sie hat viel Beziehung auf meinen Tellheim.
Franziska Was hätte bei Ihnen nicht auch Beziehung auf ihn?
Fräulein Freund und Feind sagen, daß er der tapferste Mann von der
Welt ist. Aber wer hat ihn von Tapferkeit jemals reden hören? Er hat
das rechtschaffenste Hertz, aber Rechtschaffenheit und Edelmut sind
Worte, die er nie auf die Zunge bringt.
Franziska Von was für Tugenden spricht er denn?
Fräulein Er spricht von keiner; denn ihm fehlt keine.
Franziska Das wollte ich nur hören.
Fräulein Warte, Franziska, ich besinne mich. Er spricht sehr oft von
Ökonomie. Im Vertrauen, Franziska, ich glaube, der Mann ist ein
Verschwender.
Franziska Noch eins, gnädiges Fräulein. Ich habe ihn auch sehr oft der
Treue und Beständigkeit gegen Sie erwähnen hören. Wie, wenn der
Herr auch ein Flattergeist wäre?
Fräulein Du Unglückliche!--Aber meinest du das im Ernste, Franziska?
Franziska Wie lange hat er Ihnen nun schon nicht geschrieben?
Fräulein Ach! seit dem Frieden hat er mir nur ein einziges Mal
geschrieben.
Franziska Auch ein Seufzer wider den Frieden! Wunderbar! Der Friede
sollte nur das Böse wieder gutmachen, das der Krieg gestiftet, und er
zerrüttet auch das Gute, was dieser, sein Gegenpart, etwa noch
veranlasset hat. Der Friede sollte so eigensinnig nicht sein!--Und wie
lange haben wir schon Friede? Die Zeit wird einem gewaltig lang,
wenn es so wenig Neuigkeiten gibt.--Umsonst gehen die Posten wieder
richtig; niemand schreibt; denn niemand hat was zu schreiben.
Fräulein "Es ist Friede", schrieb er mir, "und ich nähere mich der
Erfüllung meiner Wünsche." Aber daß er mir dieses nur einmal, nur ein
einziges Mal geschrieben--
Franziska Daß er uns zwingt, dieser Erfüllung der Wünsche selbst
entgegenzueilen: finden wir ihn nur, das soll er uns entgelten!--Wenn
indes der Mann doch Wünsche erfüllt hätte, und wir erführen hier--
Fräulein (ängstlich und hitzig). Daß er tot wäre?
Franziska Für Sie, gnädiges Fräulein, in den Armen einer andern.--
Fräulein Du Quälgeist! Warte, Franziska, er soll dir es
gedenken!--Doch schwatze nur; sonst schlafen wir wieder ein.--Sein
Regiment ward nach dem Frieden zerrissen. Wer weiß, in welche
Verwirrung von Rechnungen und Nachweisungen er dadurch geraten?
Wer weiß, zu welchem andern Regimente, in welche entlegne Provinz
er versetzt worden? Wer weiß, welche Umstände--Es pocht jemand.
Franziska Herein!
2. Szene
(Der Wirt. Die Vorigen.)
Wirt (den Kopf voransteckend). Ist es erlaubt, meine gnädige
Herrschaft?--
Franziska Unser Herr Wirt?--Nur vollends herein.
Wirt (mit einer Feder hinter dem Ohre, ein Blatt Papier und ein
Schreibezeug in der Hand). Ich komme, gnädiges Fräulein, Ihnen einen
untertänigen guten Morgen zu wünschen--(zur Franziska) und auch Ihr,
mein schönes Kind--
Franziska Ein höflicher Mann!
Fräulein Wir bedanken uns.
Franziska Und wünschen Ihm auch einen guten Morgen.
Wirt Darf ich mich unterstehen zu fragen, wie Ihro Gnaden diese erste
Nacht unter meinem schlechten Dache geruhet?--
Franziska Das Dach ist so schlecht nicht, Herr Wirt, aber die Betten
hätten besser sein können.
Wirt Was höre ich? Nicht wohl geruht? Vielleicht, daß die gar zu große
Ermüdung von der Reise--
Fräulein Es kann sein.
Wirt Gewiß, gewiß! denn sonst--Indes sollte etwas nicht vollkommen
nach Ihro Gnaden Bequemlichket gewesen sein, so geruhen Ihro
Gnaden nur zu befehlen.
Franziska Gut, Herr Wirt, gut! Wir sind auch nicht blöde; und am
wenigsten muß man im Gasthofe blöde sein. Wir
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