Michelangelo Gedichte und Briefe | Page 6

Michelangelo Buonarrotti
ich gewiss Am jüngsten Tag mich kleid' in gleiche Hülle.
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Man glaubt mich tot, der ich gelebt zum Frommen Der Welt, im Busen tragend tausend Seelen, Die mich geliebt; wie kann mir Leben fehlen, Da eine Seele nur der Tod genommen?
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O würden Fleisch und Blut für meine Knochen -- Dass ich aufs neue lebte -- eure Tr?nen, Dann w?r' aus Mitleid hart, wer weint; sein Sehnen Zw?ng' mich zurück ins Joch, das ich zerbrochen.
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Dass ich gelebt, weiss nur mein Leichenstein, Und denkt ein Mensch an mich, dann dünkt's ihn gar Wie Traum; so wirkt der Tod, dass das, was war, Erscheint, als k?nnt' es nie gewesen sein.
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Ich, Braccio von Geschlecht, sah, seit in Schmerzen Zur Welt ich kam, nur kurze Zeit den Tag; Nun bin ich hier, wo gern ich harren mag, Leb' ich nur fort in meines Freundes Herzen.
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War ich im Leben, der ich Staub jetzt bin, Des Freundes Leben, muss nicht Tod allein, Nein eifersücht'ge Qual dem Freund es sein, Stirbt je vor ihm ein andrer für mich hin?
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Der Bracci Sonne sank hinab ins Grab, Mit ihr die Sonne der Natur. Nicht Waffen Bedurft' der Tod, um ihn dahin zu raffen; Ein Hauch schon bricht die Frühlingsblume ab.
15. Sophie Hasenclever.

DANTE.
Kein Lob erreicht ihn, denn was k?nnt' ich sagen, Da selbst den Blinden er voll Glanz erschienen? Doch dazu soll die Sprache jetzt mir dienen, Das Volk, das ihn beleidigt, anzuklagen!
Ihm, der zum Reich der Seelen, die verloren, Hinabstieg, ihr Geheimnis zu erraten; Ihm, dem die Himmelstore auf sich taten, Verschloss die eigne Vaterstadt die Tore.
O Vaterland des Undanks! Dir zum Schaden Hast du ihn ausgestossen! Du, das stets Die Besten mit dem schwersten Schmerz beladen.
Nur seinen Namen braucht die Welt zu lesen! Denn ward ein Mann unwürd'ger je verbannt Und ist ein Mann so gross wie er gewesen?
16. Hermann Grimm.

Wie kommt's, dass ich nicht mehr mein eigen bin? Wer ist's, durch den ich mich verlor, Der, fremd, in mir sich dr?ngte vor, Mehr gilt in mir als eigner Sinn? Und wie durchschnitt Die harte Brust, Wer mich nicht einmal angerührt? Wer bist du, Liebe, Qual und Lust, Die nun mein Herz gefangen führt, Die durch das Aug' in meine Seele glitt Und da so masslos w?chst und schwillt, Dass sie an tausend Enden überquillt?
17. Hans Grasberger.

Den Augen gebt zurück, o Fluss, o Quelle, Das Wasser, nicht entsprungen euren Bronnen, Die Tr?nen, die in eure Flut verronnen, Zu wilder H?he trieben eure Welle!
Du trübe Luft, die mir das Licht, das helle, In Nebel hüllt, verdunkelnd meine Wonnen, Gib wieder, um die Blicke neu zu sonnen, Die Seufzer mir, dass es kein Dunst entstelle!
Die Schritte, Erde, gib zurück den Füssen, Es sprosse neu das Gras auf meinem Wege; Gib, Echo, heut zurück mir Klag' und St?hnen,
Gebt meinem Aug' ihr Augen, o ihr süssen, Die Blicke wieder, dass ich lieben m?ge Ein andres Weib, da euch verhasst mein Sehnen.
18. Sophie Hasenclever.

So kehren wirklich die befreiten Seelen, Auf kurz bemess'ne Zeit, Zurück in anderm Kleid, Dass Leben sie und Tod von neuem w?hlen? Wird strenge im Befehlen, Wie einst, die Liebste nah'n, Noch ganz von ihrem alten Reiz umflossen? Fast m?cht' ich darauf z?hlen, Sie zeigte sich alsdann Ganz ohne Groll, von Milde übergossen. Und, war ihr Aug' geschlossen, Hat, neubelebt, sie Mitleid wohl erworben Mit meinem Tod, -- die selber schon gestorben!
19. Bettina Jacobson.

AN VITTORIA COLONNA.
Des besten Künstlers herrlichsten Gedanken, Ein einz'ger Marmor kann ihn ganz enthalten, Doch muss, will ihn der Meister uns entfalten, Die Hand dem Geist gehorchen ohne Wanken.
In dir auch birgt sich Glück und Pein; verdanken K?nnt' ich dir h?chstes Heil, doch zu gestalten Dies Glück, es zu gewinnen, zu erhalten, Fehlt mir die Kunst; so muss an Gram ich kranken.
Nicht tr?gt denn Liebe Schuld an meinen Leiden, Nicht darf das Schicksal ich zu schm?hen wagen; Kann Heil ich oder Tod von dir erwerben,
Tr?gst du im Busen sie und ward von beiden Mir Tod zuteil, muss ich mich selbst verklagen; Mein schwacher Geist verschuldet mein Verderben.
20. Sophie Hasenclever.

AN VITTORIA COLONNA.
Dein leuchtend helles Diadem erringen, Auf steilem Pfade rauh und lang, O das vermag im Liebesdrang Ein Herz voll Demut nur und edler Sitte. Dir w?chst die Kraft, mir werden lahm die Schwingen, Versagt der Odem auf des Weges Mitte. O h?re meine Bitte: Obgleich mein Herz sich freut an deiner Ehre, Und jauchzt, dass deine Tugend so erhaben, So fleht es dennoch: lenke deine Schritte Ein wenig nur herab zu mir und wehre Mir Schwachem nicht, den Geist an dir zu laben; Wenn minder gross, du Hehre, Mein Herz dich wünscht, nicht h?h'ren Flug will dulden, O so vergib dir selber mein Verschulden.
21. Sophie Hasenclever.

AN VITTORIA COLONNA.
Der Freundlichkeit, mit der Ihr mich bedenkt, Nicht
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