einander, oft zwanzig, ja bis zu fünfzig, die
sich in einander schlängeln, so dass das Ganze von der
Vogel-Perspective aus gesehen, wie ein langgezogenes Netz erscheinen
würde.
[Fußnote 3: Sonnenaufgang Seroct el schems, gegen 9 Uhr Morgens
Dhaha, Mittag nus el nhar, Nachmittags 3 Uhr L'asser, Untergang der
Sonne Hebut el schems. Diesen Zeiten entsprechen auch die Gebete,
doch ist das Dhaha-Gebet nicht obligatorisch]
Die Gegend war immer gleich strotzend von Ueppigkeit, und die
weissen Gipfel der Rifberge im Osten trugen nur dazu bei, den Reiz
derselben zu erhöhen. Wir waren jetzt im Monat April. Man fing schon
an hie und da die Gerste zu ernten. Die Verhältnisse sind in dieser
Beziehung in Marokko ganz anders als bei uns. Der Acker wird
gemeiniglich im December, auch wohl Anfang Januar bestellt, mittelst
eines primitiven Pfluges, wohl ganz derselben Art, wie sich die Araber
vor 2000 Jahren desselben bedienten. Ob die Berber den Pflug vor der
arabischen Invasion gekannt haben, ist nicht mit Bestimmtheit zu sagen,
von allen übrigen Völkern Afrika's kennt nur der Abessinier den Pflug,
und nach Abbessinien ist er auch wahrscheinlich aus Arabien
herübergekommen. Südlich vom Atlas, in den Oasen der Sahara, in
Centralafrika wird der Boden nur mit der Hacke bearbeitet. Das
Schneiden der Frucht geschieht mittelst krummer Messer, Sicheln kann
man kaum sagen, und so nahe unter der Aehre, dass fast das ganze
Stroh stehen bleibt, dies soll dann zugleich für die nächste Bestellung
des Ackers als Düngungsmittel dienen. In Haufen lässt man alsdann
das Getreide einige Zeit auf dem Felde trocknen und hernach wird das
Korn durch Rinder, _denen das Maul verbunden ist_[4] und die im
Kreise herumgetrieben werden, ausgetreten. Eine aus Lehm gestampfte
Tenne dient in der Regel einem ganzen Dorfe. Das Getreide, was man
für den nächsten Gebrauch nicht im Hause behält, wird in grosse
Löcher geschüttet. Diese Gruben von birnförmiger Gestalt mit engem
Halse als Oeffnung nach oben, sind mehr als mannstief und unten 4 bis
5 Fuss breit; man legt sie immer auf Erhöhungen und im trockenen
Erdreich an, das Getreide soll sich jahrelang darin halten.
[Fußnote 4: Höst (S. 129) behauptet zwar das Gegentheil, ich habe es
aber nur so ausdreschen sehen.]
Es war an dem Tage ungemein warm; obschon an Gehen gewöhnt, war
mir der Marsch mit blossen Füssen in den dünnen gelben Pantoffeln
äusserst beschwerlich; nach der Sitte der Marokkaner hatte ich meine
Hosen eingerichtet, d.h. bis zu den Knieen abgeschnitten und die Folge
davon war, dass hier die empfindliche Haut von einem Sonnenstich
bald blauroth wurde und schmerzhaft brannte. Glücklicherweise hatte
Si-Embark eine kleine Rkuá[5] bei sich, woraus wir unseren Durst
stillen konnten. Abends erreichten wir einen Duar, d. i. ein Zeltdorf, in
dem genächtigt wurde. Es war ein Kreis von 17 Zelten; eins, das sich
durch grössere Feinheit des Stoffes auszeichnete, auch geräumiger als
die übrigen war, gehörte dem Mul el Duar (Dorfherr), der zu gleicher
Zeit Aeltester der Familie und ihr Kaid war. Sein Zelt stand mit den
übrigen im selben Kreise, manchmal lagern die Kaids in der Mitte oder
auch abseits vom Duar. Nicht bei allen Triben herrscht überdies die
Sitte, die Zelte kreisförmig aufzuschlagen; viele lieben es, in Einer
Front die Zelte zu errichten oder auch die Behausungen den örtlichen
Verhältnissen der Gegend anzupassen. Si-Embark hatte mir den ganzen
Tag über gute Lehren gegeben, wie ich mich zu verhalten hätte, und ich
ersah daraus, dass es vor Allem darauf ankam, fortwährend Gott im
Munde zu haben. Doch waren manche andere Kleinigkeiten darunter,
die uns lächerlich erscheinen werden. Als er mich das Wort "rsass",
Blei, für Kugel anwenden hörte, unterbrach er mich rasch und meinte,
es sei unanständig, dies Wort, womit man Menschen tödte, zu nennen;
er sagte mir darauf, wie ich zu sagen habe. Das Wort entfiel mir damals,
aber später fand ich, dass man in Marokko allgemein für Bleikugel das
Wort "chfif", d.h. "leicht" sagt. Gerade die dem Blei entgegenstehende
Eigenschaft. Er sagte mir, ich solle nie die Frauen und jungen Mädchen
ansehen und als Fremder nicht mit ihnen sprechen, kurz, er gab mir
goldene Lehren, machte sich freilich auch am folgenden Tag dafür
bezahlt.
[Fußnote 5: Rkuá, kleiner Schlauch, den man selbst trägt; Girba,
Schlauch, den das Vieh zu tragen bekommt.]
Im Duar logirten wir nicht im Gitun el diaf oder Fremdenzelt, sondern
Si-Embark hatte auch hier seinen speciellen Freund, bei dem er
Unterkommen fand und ich mit ihm. Hatte ich am Abend vorher zum
ersten Male eine einheimische feste Behausung kennen gelernt, so war
jetzt das Leben und Weben einer Zeltfamilie mir erschlossen. Ich sah
jetzt ein, welch ungemeinen Vortheil ich aus der Maske des Islam
ziehen würde. Hätte man einen Christen oder auch einen unter
Gepränge reisenden Mohammedaner so ohne Weiteres ins geheiligte
Innere eines Familienzeltes zugelassen? Nie. Auf diese Art,
unscheinbar, ohne alle Mittel, aber ganz wie die dortige Bevölkerung
selbst
Continue reading on your phone by scaning this QR Code
Tip: The current page has been bookmarked automatically. If you wish to continue reading later, just open the
Dertz Homepage, and click on the 'continue reading' link at the bottom of the page.