Ich hatte, um mich besser der zudringlichen Fragen, warum ich gekommen, weshalb ich übergetreten, warum ich nicht heirathe und mich sesshaft mache etc. etc., erwehren zu k?nnen, ausgesagt, ich sei Arzt; aber von dem Augenblick war keine Ruhe mehr. Die mit wirklichen Krankheiten Behafteten sowohl, wie die vollkommen Gesunden, Alles wollte Mittel und Rathschl?ge vom ehemaligen christlichen Arzt haben. Freilich sch?pfte ich auch hieraus manchen Nutzen, denn ebenso gut wie in Europa der Arzt manchmal mehr erf?hrt als der Beichtvater, haben in jeder Beziehung die Marokkaner Vertrauen zu dem Arzte, wenn sie nur einmal den geringsten Beweis seiner Heilkraft erprobt haben.
Das Zelt, welches wir für die Nacht bewohnten, war dasselbe, worin die ganze Familie unseres Gastgebers zubrachte. Im Allgemeinen sind die Zelte der Marokkaner etwas kleiner als die der Algeriner, aber gr?sser als die der Bewohner von Tripolitanien und Cyrenaika. Dies gilt indess nur für die Theile in Marokko, die unter der Hand des Sultans oder seiner Blutsauger stehen, in den Gebieten, welche eine unabh?ngige Herrschaft haben, besitzen die St?mme ebenso grosse, wenn nicht noch gr?ssere Zelte als die der Triben in Algerien. Man kann mit Recht von dem grossen Hause oder grossen Zelte auf den Wohlstand Einzelner, sowie auch ganzer Triben schliessen, und wie bei uns ursprünglich die Redensart: "er ist aus einem grossen Hause", "er macht ein grosses Haus", nicht nur bildlich sondern in Wirklichkeit zu nehmen ist, so auch in Marokko; "_min dar kebira_", oder "_cheima kebira_" heisst vom grossen Hause, vom grossen Zelte und bedeutet, dass der, auf den es Bezug hat, wirklich ein grosses Haus oder grosses Zelt, mithin Reichthum und Macht besitzt.
Man kann wohl denken, dass das Zelt, welches wir bewohnten, nicht zu den grossen geh?rte; in der einen H?lfte schliefen Mann und Frau, in der anderen wir und noch zwei m?nnliche halberwachsene Kinder. Die Scheidewand war durch die im Zelte üblichen M?bel gebildet: hohe S?cke mit Korn, darauf ein Sattel, Ackerger?th, zwei Flinten, ein grosser Schlauch mit Wasser, ein anderer, worin gebuttert wird und der nur halb voll zu sein schien[6], T?pfe und leere h?lzerne Schüsseln vervollst?ndigten die trennende Barrikade. Bei Vornehmen pflegt aber aus Zeug eine Scheidewand gezogen zu sein. Ein kleines Füllen, welches an unserer Seite angebunden war, bekam mehrere Male Nachts Gesellschaft, Ziegen, Schafe, wahrscheinlich Besitz des Eigenthümers, kamen aus der Mitte des Duars ins Zelt, um einen kurzen Besuch zu machen, wobei sie ungenirt über uns wegkletterten. Glücklicherweise sind die Hunde des Zeltes, in das man einmal aufgenommen ist, nicht mehr zu fürchten, es ist, als ob sie den Gastfreund ihres Herrn respectiren wollten. Aber wehe Dem, der ohne Knittel Nachts einen Duar verlassen oder in denselben einzudringen versuchen wollte, er würde von der ganzen Meute der stets halbverhungerten Bestien angefallen werden. Und dennoch kommt mitunter Diebstahl vor, man lockt durch faules oder frisches Fleisch die hungerigen Thiere fort, und mit Leichtigkeit kann dann gestohlen werden, da die Eingeborenen sich Nachts nur auf die Wachsamkeit ihrer Hunde verlassen.
[Fu?note 6: Man giesst mehrere Morgen nach einander die frisch gemolkene Milch in einen Ziegenschlauch, und sp?ter wird durch Schütteln die Butter erzeugt.]
Die Heerden, d.h. Rinder, Schafe und Ziegen werden stets für die Nacht in den inneren Kreis getrieben und Morgens und Abends gemolken. Besitzt ein Einzelner viele Schafe, so werden sie in zwei Reihen mit den K?pfen nach vorn gerichtet, durcheinander gebunden, um so gemolken zu werden. Sobald ein Schaf gemolken ist, wird es freigelassen. Unter der Zeit führen die Widder der verschiedenen Heerden furchtbare K?mpfe auf und meistens lassen die Besitzer sie gew?hren. Ein jeder der K?mpfer geht ungef?hr zehn Schritt zurück, und sodann stürzen beide mit gesenktem Kopfe auf einander, dass die K?pfe zu zerspringen drohen. Sie bohren nach jedem Stosse mit dem Kopfe nach vorw?rts, sie fallen auf die Knie, endlich r?umt der eine das Feld, w?hrend der andere laut schnuppernd zu seiner Heerde eilt. Das marokkanische Schaf ist nicht das fettschw?nzige. Die H?rner des Schafes sind spiralf?rmig gebogen, der Kopf ist vorn gew?lbt, die Wolle lang und fein, durch Veredlung dieses Schafes ist das spanische Merino entstanden. Für Veredlung der Race der Schafe wird natürlich in Marokko gar nichts gethan, im Gegentheil wundert man sich, dass sie bei so ungünstiger Behandlungsweise noch so ausgezeichnet gedeihen. Hems? sch?tzt die Zahl der Schafe auf vierzig bis fünfundvierzig Millionen. Wo Schafe sind, ist gleichzeitig auch Ziegenzucht und verh?ltnissm?ssig gedeihen diese besser, weil sie weniger Wartung bedürfen. Vorzugsweise in den gebirgigen Theilen Marokko's zieht man dieselben, und von den Einwohnern werden sie wegen ihrer Felle gesch?tzt. Die Schl?uche zum Wasserbedarf, Eimer, sind nur dann gut, wenn sie aus Ziegen- oder Bockfellen bereitet sind. Aber auch das gegerbte Leder, Safian, Maroquin, oder das, was heute am bew?hrtesten ist, Fessian und das von Tafilet wird aus Ziegenleder bereitet; als Fleisch zieht der Marokkaner jedoch Schaffleisch dem Ziegenfleisch vor.
Am Morgen ehe wir den Duar
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