fand und des Nachts bisweilen bei Mondschein das Bett verlie? und am Fenster, in einem leidenschaftlichen inneren Zustand, Blatt um Blatt vollschrieb. In einer solchen Nacht brach in der hofseitig gelegenen Fabrik meines Vaters Feuer aus. Ich bemerkte die Flamme zuerst, schlug L?rm, und als ich den Vater mit entsetzten Mienen, halb angekleidet, die Stiegen hinuntereilen sah, bildete ich mir ein, er werde durch dieses Ungl��ck f��r seine H?rte gegen mich bestraft.
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Schwer und dunkel waren die Jahre des Werdens. Um von der Unbill und dem Gef��hl erlittenen Unrechts nicht erdr��ckt zu werden, fl��chtete ich mich gern in die Vorstellung, da? der Weltgeist f��r mich im stillen wirkte. Es war ziemlich wunderbar, da? ich an der kerkerhaften Wirklichkeit nicht zerschellte.
Ich hatte den Forderungen, mit denen man meine Natur vergewaltigen wollte, nur Trotz entgegenzusetzen, schweigenden Trotz, schweigendes Anderssein. Zwei Freunde halfen mir, jeder in seiner Weise. Beide waren Juden, beide spielten eine typische Rolle in meiner Entwicklung.
Der eine war ein schlanker, gro?er, blondlockiger Mensch, mit einem Antinouskopf. Es war der Sohn einer reichen Witwe und besa? eine ansehnliche Bibliothek. Die Stunden unseres Beisammenseins und die Besch?ftigung mit den Werken der Dichter waren erstohlen, ihr Gepr?ge war Schw?rmerei. Mit uners?ttlichem Hunger nahm ich Vers und Prosa in mich auf, Gestalt und Szene. Alles war mir schaurig heilig, was in diesem Bereich webte; zwischen dem Allt?glichen und der Region der Hingabe und Ergriffenheit war nur eine schmale Br��cke, die heimlich passiert werden mu?te; hier war K?lte, Angst, Beengung, Kahlheit, Dumpfheit; dort Glut, Innigkeit, Passion; und Wort, Bild, Traum waren die Alt?re eines verschwiegenen Dienstes. M?glich, da? der Freund mit mir von mir hingerissen wurde; er war weich, sentimental, eitel auf seine Sch?nheit; mir war er eine Zeitlang Idol. Wie ich zum Kaufmann bestimmt, wollte er Schauspieler werden, und da ich den k��nftigen Garrick der deutschen B��hne in ihm erblickte, war die Trag?die unser eigentliches Feld. Der Ehrgeiz erwachte in mir, meinem bewunderten Garrick ein Shakespeare zu werden, und ich ging selbst an die Verfertigung von Trauerspielen. Ich kannte keine Richtung oder Schule; es war Sturm und Drang in mir, aus mir, Pathos und ��berschwang aus eigenen Quellen, erfundene Welt voll Mord, Blutdurst, Raserei; und der Freund glaubte. In seinen Augen hatte ich schon die Unsterblichkeit erlangt. Als uns das Geschick voneinander getrennt hatte und ich in die Fabrik des Onkels nach Wien gekommen war, hielt ein enthusiastischer Briefwechsel das Feuer lebendig, und in zahlreichen, umfangreichen Episteln gab ich ihm Rechenschaft von allem, was ich schrieb und dachte. Er aber verlosch bald. Ich merkte, da? ihm meine intransigente Haltung unbequem wurde, denn er hatte paktiert. Statt meinen geistigen Qualen wenigstens Echo zu sein, ersch?pfte er sich in r��hrseligen und verlogenen Schilderungen seiner Liebesabenteuer, und eines Tages, als er wieder lang und breit von der Leidenschaft zu einer Artistin geschrieben hatte, beschlo? ich, nicht mehr zu antworten und habe dann auch nie wieder von ihm geh?rt.
Der andere Freund war der Sohn eines Handelsmannes in Gunzenhausen, der in M��nchen die Rechte studierte, drei Jahre ?lter als ich war, und den ich stets in den Ferien zum Genossen hatte, schroffer Gegensatz zu jenem ersten. Im Wachstum zur��ckgeblieben, zwerghaft klein, war ihm der durchdringendste j��dische Verstand gegeben, eine F?higkeit, die Schw?chen und Bl??en der Menschen wahrzunehmen und zu gei?eln, die mich ihn f��rchten lie?. Meine dichterische Neigung verfolgte er mit bei?endem Spott, namentlich, wenn junge M?dchen dabei waren, vor denen er zu gl?nzen liebte, und denen seine Witzworte in Heinescher Manier, seine Belesenheit und Schlagfertigkeit imponierten.
In dieser kleinen Welt war er das gro?e Licht, die letzte Instanz der Kritik, w?hrend ich als Poetaster und haltloser Schw?rmer, der nicht einmal den Weg humanistischer Bildung einschlug, eine mitleidsw��rdige Figur machte. Durch nichts konnte ich mich vor ihm behaupten, durch keine Anstrengung, keine Verhei?ung, keinen Hinweis; er zerpfl��ckte mir Wort und Leistung, verd?chtigte das Bestreben sogar, und doch war ihm zu gefallen, von ihm gebilligt zu werden mein schmerzliches Bem��hen. Nicht blo?, da? er Mi?trauen in meiner Umgebung s?te, rief er auch Schwanken in mir selbst hervor, und eingesch��chtert von seiner Beredsamkeit und Argumentierungskunst, der scheinbar unbeugsamen Strenge seines Urteils, der ��berlegenheit seines Wissens und der Bosheit seiner Zunge, betrachtete ich ihn als Richter und F��hrer. Als er sich endlich zur Anerkennung meines Werbens und K?mpfens herbeilie?, legte ich in einer wichtigen Stunde die Entscheidung ��ber mein Schicksal in seine Hand. Das kam so:
Meine Situation im Hause meines Onkels war unhaltbar geworden. Ich entsprach den Erwartungen nicht. Ich zeigte mich bei der mir zugewiesenen Arbeit lustlos und unverl??lich, entschl��pfte bei jeder Gelegenheit dem starren Kreis, um im Verborgenen einer Neigung zu fr?nen, die f��r befremdlich, sch?dlich, ja verbrecherisch geachtet wurde; die Tage verbrachte ich in einer verworrenen, ja somnambulen Gem��tsverfassung, die N?chte, oft bis zum Morgengrauen, fiebernd, berauscht, entselbstet vor meinen Manuskripten. Da? ich da lauter leeres Stroh drosch, ist nicht zu

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