bezweifeln, aber es handelt sich in solchen Epochen der Entwicklung weniger um Qualit?t als um Intensit?t. Die Folgen waren h?usliche Auseinandersetzungen, Vorw��rfe der Undankbarkeit, Besserungsversuche, Strafmandate, Predigten, Hohn. Da? in meinem abirrenden Treiben irgend Vernunft und Zukunft liegen k?nne, von der M?glichkeit des Broterwerbs zu schweigen, wurde gar nicht erwogen; mein Onkel, ein g��tiger, einfacher, obwohl schwacher Mensch, Einfl��ssen ausgesetzt, die ihm mein Bild verzerrten, Arbeits- und Erwerbssklave, drohte, mich mit Schimpf davonzujagen, und allerdings mu?te es mir als das Schlimmste erscheinen, meinem Vater wieder zur Last zu fallen, oder, wie es sp?ter auch kam, in einer Provinzabgeschiedenheit als Bureauschreiber meinen Unterhalt zu verdienen.
Es war da ein langj?hriger Hausarzt, zugleich Hausfreund, der eine eigent��mliche geistige ?hnlichkeit mit meinem Freund hatte. Scharfer Kopf, scharfes Auge, skeptischer Verstand, literarisch unterrichtet, gleichfalls Jude, war er wie das Ebenbild von jenem aus ?lterer Generation, nur da? er mehr Welt und mehr Bonhomie besa?. Derselbe Typus heute hat ��berhaupt nichts mehr von der Welt und Bonhomie. Es kann bei oberfl?chlichem Urteil bed��nken, als h?tte der Typus an Positivit?t des Geistes gewonnen, was er an Gutm��tigkeit und Schliff verloren hat. Aber das ist nur Schein. Zieht man die H��lle weg, so steht ein Leugner da, jetzt wie vordem, ein Entg?tterter, ein Opportunist aus still nagender Verzweiflung, deren Wesen ihm freilich selber unbekannt ist. Seltsam, mit der n?mlichen R��ckhaltlosigkeit wie an den jungen Mann schlo? ich mich an den ?lteren an, um in genau der n?mlichen Art entt?uscht zu werden. Die spezifisch j��dische Form von Weltklugheit ist mir im Laufe meines Lebens vielfach verh?ngnisvoll geworden, weil ich mit v?llig anders eingestellten Sinnen unverm?gend war, die praktischen Nutz- und Nahzwecke auch nur wahrzunehmen, dabei aber mit der ?u?eren Verantwortung h?ufig, mit der inneren immer beladen wurde.
Die Beweise meines Talents, die ich dem Arzt lieferte, wurden von ihm verworfen und verlacht, waren dann auch in Gesellschaft das Ziel seiner geistreichen Sticheleien. Doch lie? er sich zu Besprechungen mit mir herbei und gab mir den Rat, zu studieren. Die Frage war nur, ob der Onkel die Mittel dazu bewilligen w��rde, und er versprach, ihn dazu zu ��berreden. Indessen wandte ich mich, bezaubert von der neuen Aussicht, an meinen Freund in M��nchen, schilderte ihm, wie die Dinge lagen, schrieb vorgreifend, da? ich m?glicherweise auf die Unterst��tzung meines Verwandten z?hlen k?nne und fragte, ob er mich aufnehmen, ob er mir beistehen, mich zum Examen vorbereiten w��rde. Die Antwort war ��ber Erwarten herzlich und ermunternd; das Bild eines gemeinsamen Wirkens und Strebens, das er, der sonst so k��hl abw?gende, mir machte, war so verf��hrerisch, da? ich pl?tzlich die Geduld verlor, mit dem Onkel und seinen Beratern weiter zu verhandeln und eines Nachmittags im Mai 1890 heimlich meinen Koffer packte, auf den Bahnhof ging und mit f��nfzig oder sechzig ersparten Gulden nach M��nchen fl��chtete.
Ich entsinne mich noch sehr gut der n?chtlichen Fahrt im Personenzug, weil ich mich w?hrend ihrer ganzen Dauer in einer Stimmung befand und ihr gem?? handelte, die nicht oft wiedergekehrt ist in meinem Leben. Ich sa? in einem tr��b erleuchteten Wagen dritter Klasse, zusammen mit etwa drei?ig Menschen, Bauern, Kleinb��rgern, Arbeitern, auch Frauen und M?dchen, und vom Beginn der Fahrt an, die ganze Nacht hindurch, hielt ich die Leute mit ausgelassenen Sp??en, lustigen Geschichten und unbedenklichen Hanswurstiaden in fortw?hrendem schallenden Gel?chter, in das auch die Schaffner einfielen. Alle die lachenden, feuchten Augen waren gespannt, dankbar-entz��ckt auf mich gerichtet, und ich erinnere mich noch eines mageren alten Bauern, der vor Lachen f?rmlich weinte, und einer Frau mit einem Korb, die mir von Zeit zu Zeit ?pfel zusteckte und meine Hand t?tschelte. Ich hatte Vergn��gen daran, zu beobachten, wie die Traurigkeit, Bitterkeit, Wundheit in mir im selben Ma?e wuchsen, in dem ich mein harmloses Publikum zu vermehrtem Beifall hinri?. So frech in die lebendige Antithese stellt man sich nur unter dem Antrieb jugendlich-selbstgef?lliger, selbstbetrunkener Menschensucht und Menschenflucht, aber es ist wohl auch eine Empfindung au?erordentlicher Einsamkeit dabei im Spiel gewesen.
Mein Freund, der Student, hatte gehofft, da? der reiche Onkel, den er respektierte, mich mit Geldmitteln ausger��stet und mit seinem Segen hatte ziehen lassen und war nat��rlich nicht erbaut, als es sich herausstellte, da? ich von der Krippe weggelaufen sei und um Gnade erst betteln m��sse. Halbgezwungen machte er noch einmal den F��rsprecher meines unbesonnenen Unternehmens, und es wurde mir ein sehr geringes Monatsgeld bewilligt, so gering, da? es mich kaum vor dem Hunger bewahrte und von geregelter Arbeit und sorglosem Studium nicht die Rede sein konnte. Die Laune meines Mentors wurde daher immer finsterer; ich wurde ihm zur Last, er wu?te nicht, was er mit mir beginnen sollte und suchte sich der Verantwortung zu entledigen; er hielt mir meine Vermessenheit vor, meine Dumpfheit, den Mangel an Willenskraft und prophezeite mir Untergang. Im Kreis seiner Kommilitonen, in den er mich bisweilen brachte, galt ich als traurig-komische Person, Wildling, armer Teufel, nach studentischen Begriffen unebenb��rtig,

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