einer Art Verschlag in demselben Bett, und in meiner Bedr?ngnis verfiel ich nun auf den Ausweg, ihm vor dem Einschlafen Geschichten zu erz?hlen. Wider Erwarten fand ich an ihm den aufmerksamsten Zuh?rer, und ich n��tzte den Vorteil aus, indem ich jeden Abend meine Geschichte an der spannendsten Stelle abbrach. Zeigte er sich dann w?hrend des folgenden Tages ungeb?rdig, so hatte ich meinerseits eine wirksame Waffe und Drohung: ich erkl?rte einfach, da? ich die Geschichte nicht weitererz?hlen w��rde. Je verwickelter, spannender, aufregender die von mir ersonnene Begebenheit war, je erpichter war er nat��rlich, die jedesmalige Fortsetzung zu h?ren, und ebenso nat��rlich mu?te ich, um ihn im Zaum zu halten und nach meinem Willen lenken zu k?nnen, alle Geistes- und Kombinationskraft zu Hilfe rufen. Es war keineswegs leicht; ich hatte einen unerbittlichen Forderer, und ich durfte nicht langweilig und nicht fl��chtig werden. So erz?hlte ich wochen- ja monatelang an einer einzigen Geschichte, im Finstern, mit leiser Stimme, bis wir beide m��de waren, und bis ich im Durcheinanderwirbeln der Figuren zu der Situation gelangt war, von der ich selbst noch nicht wu?te, wie sie zu l?sen sei, die aber den atemlosen Lauscher wieder f��r vierundzwanzig Stunden in meine Gewalt gab.
Ich sagte, da? mich dies auf den Weg und auf die Wurzeln wies. Auf den Weg, weil ich die wichtige Erfahrung machte, da? ein Mensch zu binden ist, zu ?fesseln?, wie der verbrauchte Tropus lautet, indem man sich seiner Einbildungskraft bem?chtigt, da? man ihn sogar vom Schlechten abbringen kann, wenn man seine Sinne auf unwirkliche, aber eine Wirklichkeit vort?uschende Begebenheiten und Schicksalsverkettungen richtet; da? man Freude, Furcht, ��berraschung, R��hrung, L?cheln und Lachen in ihm zu erregen vermag, und zwar um so st?rker, je freier das Spiel, je absichtsloser und je mehr vom Zweck befreit die T?uschung ist. Der best?ndige Augenschein aller Wirkung hielt mich selbst in Atem, weckte meinen Ehrgeiz, zwang mich zu immer neuen Erfindungen und zur Vervollkommnung meiner Mittel.
Auf die Wurzeln: es lag mir sicherlich als ein orientalischer Trieb im Blute. Es war das Verfahren der Schehrasade ins Kleinb��rgerliche ��bertragen; schlummernder Keim, befruchtet durch Zufall und Gefahr. Schehrasade erz?hlt, um ihr Leben zu retten, und w?hrend sie erz?hlt, wird sie zum Genius der Erz?hlung schlechthin; ich -- nun, um mein Leben ging es nicht, aber das Fieber des Fabulierens ergriff auch mich ganz und gar und bestimmte Denken und Sein.
Es dauerte nicht lange, bis es mir Bed��rfnis wurde, die eine oder andere der n?chtlich erz?hlten Geschichten aufzuschreiben. Dies mu?te in gr??ter Heimlichkeit geschehen, und es begann damit schon der Kampf. Da? mein Treiben allm?hlich ruchbar wurde, war nicht zu verhindern; die Stiefmutter sah die pure Tagedieberei darin und warf alle beschriebenen Bl?tter, deren sie habhaft werden konnte, ins Feuer; Verwandte, Lehrer, Kameraden stellten sich feindselig dagegen, beinahe derart, als ob ich sie durch mein Unterfangen geradezu beleidigt h?tte, und der zum erstenmal bekundete Vorsatz, mich dem Schriftstellerberuf zu widmen, rief bei den Bekannten Gel?chter, beim Vater den heftigsten Unwillen hervor.
Die Sache war die, da? ich dem Onkel, jenem Bruder meiner Mutter, der in kinderloser Ehe lebte, gleichsam versprochen war. Darauf hatte mein Vater seine ganze Hoffnung gesetzt; was ihm fehlgeschlagen war, sollte mir gelingen: reich zu werden; mich in einer gro?en Laufbahn als Nachfolger des bewunderten Schwagers zu sehen, war seine Lieblingsvorstellung. Meine abgeirrte Neigung zu unterdr��cken, lie? er deshalb nichts unversucht.
Damals war literarische Bildung und literarischer Zuschnitt in der b��rgerlichen Gesellschaft weder so h?ufig noch so erstrebt wie heute, und das hatte sein Gutes. Seit die Kunst aufgeh?rt hat, das seltene und kostbare Vergn��gen weniger Erlesener zu sein, ist sie f��r die Vielen Luxus, Ausrede und Gemeinplatz geworden, schlie?lich Betrieb, wie jeder andere. Keiner will mehr h?ren und empfangen, alle wollen selber reden und selber den Geber spielen.
In meinem f��nfzehnten Jahr hatte ich einen Roman geschrieben, ein uns?glich d��rftiges und abgeschmacktes Ding, und das Manuskript trug ich eines Tages in die Redaktion des Tageblattes. Ein dicker Redakteur sa? verschlafen am Schreibtisch und musterte mich erstaunt, als ich mein Anliegen vorbrachte. Kurz darauf erschien der Anfang des Elaborats unter meinem Namen, gespickt mit Druckfehlern, in der Unterhaltungsbeilage der Zeitung. Ich wei? es noch, es war ein Winterabend, wie mein Vater nach dem Essen das Blatt zur Hand nahm, das ich so aufgefaltet neben seinen Teller gelegt hatte, da? sein Blick auf mein Produkt fallen mu?te, wie ich klopfenden Herzens wartete. Ich sehe noch, wie der versorgte, m��de Ausdruck seines Gesichtes sich j?h ver?nderte, wie in seinen Augen zuerst ein Aufblitzen von Stolz war, das aber bald dem Zorn, der Angst, der Ratlosigkeit wich.
Es gab schlimme Szenen, Vorw��rfe, Drohungen, Beschimpfungen, Hohn. Auch in der Schule wurde ich zur Rechenschaft verhalten, vor den Rektor zitiert und wegen verbotener Publikation zu zw?lfst��ndigem Karzer verurteilt. Der Vater aber wurde mein unerbittlicher Verfolger, und die Frau war seine getreue Spionin, so da? ich keine ruhige Arbeitsstunde mehr

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