m E n g e l w e r d e st!" Und hoch oben regierte schon seit undenklicher Zeit ueber Dschinnistan eine Dynastie grossherziger, echt koeniglich denkender Fuersten, deren oberstes Gesetz in beglueckender Kuerze lautet: "D u s o l l st d e r E n g e l d e i n e s N ae ch st e n s e i n, d a m i t d u n i ch t d i r s e l b st z u m T e u f e l w e r d e st!"
Und solange dieses Dschinnistan, dieses Land der Edelmenschen, besteht, ist ein jeder Buerger und eine jede Buergerin desselben verpflichtet gewesen, heimlich und ohne sich zu verraten der Schutzengel eines resp. einer Andern zu sein. Also in Dschinnistan Glueck und Sonnenschein, dagegen in Ardistan ringsum eine tiefe, seelische Finsternis und der heimliche weil verbotene Jammer nach Befreiung aus dem Elende dieser Hoelle! Ist es da ein Wunder, dass da unten im Tieflande eine immer groesser werdende Sehnsucht nach dem Hochlande entstand? Dass die fortgeschrittenen unter den dortigen Seelen sich aus der Finsternis zu befreien und zu erloesen suchen? Millionen und Abermillionen fuehlen sich in den Suempfen von Ardistan wohl. Sie sind die Miasmen gewohnt. Sie wollen es nicht anders haben. Sie wuerden in der reinen Luft von Dschinistan nicht existieren koennen. Das sind nicht etwa nur die Aermsten und Geringsten, sondern grad auch die Maechtigsten, die Reichsten und Vornehmsten des Landes, die Pharisaeer, die Suender brauchen, um gerecht erscheinen zu koennen, die Vielbesitzenden, denen arme Leute noetig sind, um ihnen als Folie zu dienen, die Bequemen, welche Arbeiter haben muessen, um sich in Ruhe zu pflegen, und vor allen Dingen die Klugen, Pfiffigen, denen die Dummen, die Vertrauenden, die Ehrlichen unentbehrlich sind, um von ihnen ausgebeutet zu werden. Was wuerde aus allen diesen Bevorzugten werden, wenn es die Andern nicht mehr gaebe? Darum ist es Jedermann auf das allerstrengste verboten, Ardistan zu verlassen, um sich dem Druck des dortigen Gesetzes zu entziehen. Die schaerfsten Strafen aber treffen den, der es wagt, nach dem Lande der Naechstenliebe und der Humanitaet, nach Dschinnistan zu fluechten. Die Grenze ist besetzt. Er kommt nicht durch. Er wird ergriffen und nach der "Geisterschmiede" geschafft, um dort gemartert und gepeinigt zu werden, bis er sich vom Schmerz gezwungen fuehlt, Abbitte leistend in das verhasste Joch zurueckzukehren.
Denn zwischen Ardistan und Dschinnistan liegt Maerdistan, jener steil aufwaertssteigende Urwaldstreifen, durch dessen Baum- und Felsenlabyrinthe der unendlich gefahrvolle und beschwerliche Weg nach oben geht. Maerd ist ein persisches Wort; es bedeutet "Mann". Maerdistan ist das Zwischenland, in welches sich nur "Maenner" wagen duerfen; jeder Andere geht unbedingt zu Grunde. Der gefaehrlichste Teil dieses fast noch ganz unbekannten Gebietes ist der "Wald von Kulub". Kulub ist ein arabisches Wort; es bedeutet die Mehrzahl des deutschen Wortes "Herz". Also in den Tiefen des Herzens lauern die Feinde, die man, einen nach dem andern, zu besiegen hat, wenn man aus Ardistan nach Dschinnistan entkommen will. Und mitten in jenem Walde von Kulub ist jener Ort der Qual zu suchen, von dem es in "Babel und Bibel," Seite 78 heisst:
"Zu Maerdistan, im Walde von Kulub, Liegt einsam, tief versteckt, die Geisterschmiede. Da schmieden Geister?"
"Nein, man schmiedet sie! Der Stumm bringt sie geschleppt, um Mitternacht, Wenn Wetter leuchten, Traenenfluten stuerzen. Der Hass wirft sich in grimmiger Lust auf sie. Der Neid schlaegt tief ins Fleisch die Krallen ein. Die Reue schwitzt und jammert am Geblaese. Am Blocke steht der Schmerz, mit starrem Aug Im russigen Gesicht, die Hand am Hammer. Da, jetzt, o Scheik, ergreifen dich die Zangen. Man stoesst dich in den Brand; die Baelge knarren. Die Lohe zuckt empor, zum Dach hinaus, Und Alles, was du hast und was du bist, Der Leib, der Geist, die Seele, alle Knochen, Die Sehnen, Fibern, Fasern, Fleisch und Blut, Gedanken und Gefuehle, Alles, Alles Wird dir verbrannt, gepeinigt und gemartert Bis in die weisse Glut -- -- --"
"Allah, Allah!" "Schrei nicht, o Scheik! Ich sage dir, schrei nicht! Denn wer da schreit, ist dieser Qual nicht wert, Wird weggeworfen in den Brack und Plunder Und muss dann wieder eingeschmolzen werden. Du aber willst zum Stahl, zur Klinge werden, Die in der Faust der Parakleten funkelt. Sei also still!
Man reisst dich aus dem Feuer -- -- Man wirft dich auf den Amboss -- -- haelt dich fest. Es knallt und prasselt dir in jeder Pore. Der Schmerz beginnt sein Werk, der Schmied, der Meister. Er spuckt sich in die Faeuste, greift dann zu. Hebt beiderhaendig hoch den Riesenhammer -- -- -- Die Schlaege fallen. Jeder ist ein Mord, Ein Mord an dir. Du meinst, zermalmt zu werden. Die Fetzen fliegen heiss nach allen Seiten. Dein Ich wird duenner, kleiner, immer kleiner, Und dennoch musst du wieder in das
Continue reading on your phone by scaning this QR Code
Tip: The current page has been bookmarked automatically. If you wish to continue reading later, just open the
Dertz Homepage, and click on the 'continue reading' link at the bottom of the page.