Maass für Maass | Page 4

William Shakespeare
schl?gt die Amme, und alle Anst?ndigkeit der Sitten geht verlohren.
Bruder. Es hieng nur von Euer Durchlaucht ab, diese gefesselte Gerechtigkeit wieder los zu lassen, und es würde an Euch furchtbarer geschienen haben, als an Angelo.
Herzog. Ich besorge, nur allzu furchtbar. Da es mein Fehler war, dem Volk so viel Freyheit zu lassen, so würde es Tyranney gewesen seyn, sie für das zu strafen, was ich selbst ihnen zu thun befahl. Denn wir befehlen B?ses zu thun, wenn wir den Uebelthaten statt der Straffe ihren freyen Lauf lassen. Dieses ist der wahre Grund, mein Vater, warum ich dieses Amt dem Angelo aufgetragen habe, der unter dem schüzenden Ansehen meines Namens straffen kan, ohne da?, so lange meine Person nicht gesehen wird, der Tadel auf mich f?llt. Um aber selbst ein Augenzeuge von dieser Regierung zu seyn, will ich unter dem Namen eines Bruders von euerm Orden, sowol den Regenten als das Volk besuchen. Ich bitte dich also, schaffe mir einen Habit, und unterrichte mich, damit ich die vollst?ndige Person eines ?chten Franciscaner-M?nchs spielen k?nne. Noch mehr Gründe für diese Handlung will ich bey mehrerer Musse er?ffnen; einer davon ist dieser: Angelo ist strenge; steht gegen jeden Tadel auf der Hut, gesteht kaum, da? sein Blut flie?t, oder da? er zu Brot mehr Appetit hat als zu Stein. Wir k?nnen vielleicht bey dieser Gelegenheit lernen, wie viel man sich auf diese strengen Tugenden verlassen kan.
(Sie gehen ab.)

Achte Scene. (Ein Frauen-Kloster.) (Isabella, und Francisca.)
Isabella. Und habt ihr Kloster-Frauen keine andern Freyheiten?
Francisca. Sind diese nicht gro? genug?
Isabella. Ja, freylich; ich frage nicht, als ob ich mehr wünschte; sondern weil ich wünschte, da? die Schwesterschaft der heiligen Clara noch enger eingeschr?nkt seyn m?chte. (Lucio l??t seine Stimme hinter der Scene h?ren.)
Isabella. Was ist das? Wer ruft?
Francisca. Es ist eines Mannes Stimme. Meine liebe Isabella, schlie?t ihr auf, und fragt ihn was er will; ihr dürft es thun, ich nicht; ihr habt das Gelübde noch nicht gethan; wenn ihr es gethan habt, so dürft ihr mit keiner Mannsperson sprechen, ausser in Gegenwart der Priorin; und auch dann, wenn ihr redet, dürft ihr euer Gesicht nicht zeigen, oder wenn ihr das Gesicht zeigt, dürft ihr nicht reden. Er ruft wieder; ich bitte euch, gebt ihm Antwort.
(Francisca geht ab.)
Isabella. Wer ruft hier?
(Sie macht die Thüre auf.)
(Lucio kommt herein.)
Lucio. Heil, Jungfrau, wenn ihr seyd, wofür euch diese Rosenwangen ankündigen; wollt ihr so gef?llig seyn, und mich vor Isabellen bringen, der sch?nen Schwester des unglüklichen Claudio, die sich unter den Probe-Schwestern dieses Hauses befindet.
Isabella. Warum des unglüklichen Claudio, la?t mich zurükfragen, indem ich euch sage, da? ich diese Isabella und seine Schwester bin.
Lucio. Holdselige Sch?ne, euer Bruder grüsset euch; um euch nicht lange aufzuhalten, er ligt im Gef?ngni?.
Isabella. Weh mir! Und warum?
Lucio. Für etwas, wofür er, wenn ich sein Richter w?re, Belohnung statt Strafe erhalten sollte; er hat einer guten Freundin ein Kind gemacht.
Isabella. Mein Herr, erz?hlt mir nicht eure eigne Geschichte.
Lucio. Es ist wie ich sage; wenn es gleich meine Schoo?sünde ist, den Kybizen mit den M?dchen zu spielen, und ihnen zum Spa? Dinge vorzusagen, wovon mein Herz nichts wei?, so wollte ich doch nicht mit allen Jungfrauen so scherzen. Ich sehe euch für ein geheiligtes und dem Himmel geweyhtes Gesch?pf an; und, aufrichtig zu reden, euer Stand macht euch in meinen Augen schon zu einem abgeschiednen seligen Geist.
Isabella. Ihr l?stert das Gute, indem ihr meiner spottet.
Lucio. Denket das nicht von mir. In wahrem Ernst, di? ist die Sache: Euer Bruder hat seine Liebste in einen Zustand gesezt, der dasjenige was zwischen ihnen vorgegangen, unleugbar macht.
Isabella. Ist eine schwanger von ihm?--Meine Base Juliette?
Lucio. Ist sie eure Base?
Isabella. Durch Adoption, durch die Liebe, die wir als Kinder für einander gehabt.
Lucio. Sie ist es.
Isabella. O! So kan er sie ja heurathen.
Lucio. Das ist eben der Knoten. Der Herzog hat sich auf eine sehr seltsame Art von hier wegbegeben; und manchen Edelmann, worunter ich selbst einer bin, in der Hoffnung, einen Antheil an der Staats Verwaltung zu bekommen, get?uscht. Allein wenn denjenigen zu glauben ist, welche die wahren Nerven des Staats kennen, so ist die Bestellung die er gemacht, unendlich weit von seiner würklichen Absicht entfernt. Indessen herrschet an seinem Plaz, und mit seiner ganzen unumschr?nkten Gewalt, der Freyherr Angelo, ein Mann dessen Blut Schneewasser ist; ein Mann der durch die St?rke seiner Seele, durch Studieren und Fasten den Stachel der Natur stumpf gemacht hat; der die Bewegung der Sinne, und den Trieb der unordentlichen Lust nie gefühlt hat. Dieser, (um den Muthwillen und die Ausgelassenheit, die eine lange Zeit um die drohenden Geseze, wie M?use um L?wen, herumgeschw?rmt, in Schreken zu sezen) hat ein Gesez hervorgesucht, unter dessen schwerem Inhalt eures Bruders Leben der Todesstraffe verfallen ist; er hat ihn also gefangen gesezt, und will durch Vollziehung der ganzen Strenge des Gesezes, ihn andern zu einem Beyspiel machen. Alle Hoffnung ist
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