Maass für Maass | Page 5

William Shakespeare
hin, wofern ihr nicht das Glük habt, durch eure sch?ne Fürbitte den Angelo zu rühren; und dieses ist, warum ich euch in euers Bruders Namen bitte.
Isabella. Er will ihm das Leben nehmen, sagt ihr?
Lucio. Er hat das Urtheil schon gesprochen, und der Kerkermeister hat, wie ich h?re, schon den Befehl wegen der Hinrichtung.
Isabella. Ach Himmel! Was kan ich ihm also helfen?
Lucio. Versucht die Macht, die ihr habt.
Isabella. Meine Macht? Ach! ich zweifle--
Lucio. Unsre Zweifel sind Betrüger, und bringen uns oft um das Gute, das wir gewinnen k?nnten, durch die blosse Furcht vor dem Versuch. Geht zu dem Stadthalter, und la?t ihn erfahren lernen, was die Bitten, die gebognen Knie und die Thr?nen der Sch?nheit über einen Mann verm?gen.
Isabella. Ich will sehen was ich thun kan.
Lucio. Aber beschleuniget euch.
Isabella. Ich will nicht l?nger s?umen, als um der würdigen Mutter Nachricht von meinem Gesch?fte zu geben. Ich danke euch von Herzen; grüsset meinen Bruder: eh es Nacht ist, will ich ihm von meiner Ausrichtung Nachricht geben.
Lucio. Ich beurlaube mich von euch, sch?ne Schwester--
Isabella. Lebet wohl, mein gütiger Herr.
(Sie gehen ab.)

Zweyter Aufzug.

Erste Scene. (Der Palast.) (Angelo, Escalus, ein Richter, Bediente.)
Angelo. Wir müssen kein Schrek-Bild aus dem Gesez machen, das, die Raubv?gel zu verscheuchen, aufgestellt wird; und ihm so lang einerley Gestalt lassen, bis die Gewohnheit macht, das sie sich darauf sezen, anstatt davor zu fliehen.
Escalus. Auch ist mein Rath, nur in diesem Fall einige Nachsicht verwalten zu lassen. Ach! der junge Mann den ich retten wollte, hatte einen sehr edeln Vatter. Ich halte Euer Gnaden für einen Mann von strenger Tugend; aber m?chtet ihr die Ueberlegung machen, ob ihr selbst, wenn Zeit und Gelegenheit euerm Wunsch oder dem Trieb des feurigen Blutes günstig gewesen w?re, ob ihr nicht selbst in gewissen Augenbliken euers Lebens, in eben diesem Punct, we?wegen ihr ihn strafen wollt, gefehlt und das Gesez wider euch gereizt h?ttet.
Angelo. Ein anders ist, versucht werden, Escalus, ein anders, fallen. Ich l?ugne nicht, da? unter den zw?lf Geschwornen, die über eines Gefangnen Leben sprechen sollen, einer oder zween seyn k?nnen, die noch gr?ssere Diebe sind, als der den sie verh?ren. Die Gerechtigkeit straft nur die Verbrechen, die ihr bekannt sind. Was wei? das Gesez davon, da? Diebe über Diebe urtheilen? Es ist natürlich, da? wir bey einem Edelstein, den wir finden, still stehen und ihn aufheben, weil wir ihn sehen; aber wenn wir ihn nicht sehen, so treten wir auf ihn und denken nicht daran. Ihr k?nnt sein Vergehen dadurch nicht verringern, da? ihr voraussezt, ich habe auch solche Fehler machen k?nnen; aber dann, wenn ich, der ihn bestraft, mich würklich so vergehe, dann redet, und la?t mein eignes Urtheil mir den Tod zu erkennen. Mein Herr, er mu? sterben! (Der Kerkermeister zu den Vorigen.)
Escalus. So sey es, wie eure bessere Einsicht es will.
Angelo. Wo ist der Kerkermeister?
Kerkermeister. Hier, zu Euer Gnaden Befehl.
Angelo. Sorget dafür, da? Claudio bis morgen um neun Uhr gerichtet werde. Bringt ihm seinen Beichtiger, la?t ihn vorbereitet werden; denn diese Zeit ist alles, was er noch zu leben hat.
(Kerkermeister geht ab.)
Escalus (vor sich.) Gut, der Himmel verzeihe ihm! und verzeih' uns allen! Einige steigen durch Sünde, andre fallen durch Tugend: Einige überw?lzen sich in Lastern, und werden nur nicht zur Rede gestellet; andre müssen für einen einzigen Fehltritt die Straffe des gr?sten Verbrechens leiden.

Zweyte Scene. (Ellbogen, Schaum, Harlequin und Gerichtsdiener.)
Ellbogen. Kommt, führt sie her; wenn das nüzliche Leute im gemeinen Wesen sind, die nichts thun, als das Pflaster treten, und in H** H?usern herumschw?rmen, so versteh ich nichts vom Gesez. Führt sie her.
Angelo. Was giebts, mein Herr? Wie hei?t ihr? Wovon ist die Rede?
Ellbogen. Mit Euer Gnaden Erlaubni?, ich bin des armen Herzogs Policey- Aufseher in diesem Quartier, und mein Name ist Ellbogen. Ich appelliere an die Justiz, und bringe hier vor Euer Gnaden ein paar notorische Beneficanten.
Angelo. Beneficanten? Was haben sie denn Gutes gethan? Du willt Maleficanten sagen, vermuthlich.
Ellbogen. Euer Gnaden nehmen mir nicht übel, ich wei? nicht wer sie sind; aber ausgemachte Buben sind es, das wei? ich gewi?, und leer an aller Profanation, welche gute Christen haben sollten.
Escalus. Das geht gut; das ist ein weiser Official.
Angelo. Zur Sache; von was für einer Gattung Leute sind sie? Ellbogen hei?t ihr? Warum redst du nicht, Ellbogen?
Harlequin. Er kan nicht, Gn?diger Herr; er hat ein Loch im Ellbogen.
Angelo. Wer seyd ihr, Monsieur?
Ellbogen. Er? Ein Bierzapfer, Gn?diger Herr, ein Schlingel von einem H** Wirth, einer der bey einem übelberüchtigten Weibsbild in Diensten ist; dessen Haus, Gn?diger Herr, wie die Leute sagen, in den Vorst?dten nieder gerissen worden ist. Izt h?lt sie ein Badhaus, welches, denk ich, wohl so gut oder nicht besser seyn wird, als ein H** Haus.
Escalus. Woher wi?t ihr das?
Ellbogen. Mein Weib, Gn?diger Herr, die ich vorm Angesicht des Himmels und Euer Gnaden detestire--
Escalus. Wie? dein Weib?
Ellbogen. Ja, Gn?diger Herr, Gott sey Dank, sie ist ein ehrliches Weib--
Escalus.
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