Maass für Maass | Page 3

William Shakespeare
Guter Freund, warum führst du mich so zur Schau herum? führe mich in das Gef?ngni?, wohin ich verurtheilet bin.
Kerkermeister. Ich thu es nicht aus b?sem Willen, sondern auf ausdrüklichen Befehl des Herrn Stadthalters.
Claudio. So kan der Halbgott, Authorit?t, uns das volle Gewicht unsrer Uebertretungen bezahlen machen. So sind die Urtheile des Himmels; wem er verzeihen will, dem will er; wem er nicht will, will er nicht, und ist doch immer gerecht.
Lucio. Wie, was ist dieses, Claudio? Warum befindet ihr euch in solchen Umst?nden? Was ist euer Verbrechen?
Claudio. Nur davon zu reden, würde ein neues Verbrechen seyn.
Lucio. Wie, ist es eine Mordthat?
Claudio. Nein.
Lucio. Unzucht?
Claudio. Wenn ihr es so nennen wollt.
Kerkermeister. Fort, mein Herr, ihr mü?t gehen.
Claudio. Nur ein Wort, guter Freund Lucio, ein Wort mit euch.
Lucio. Hundert, wenn sie euch etwas nüzen k?nnen; wird Unzucht so hart angesehen?
Claudio. Di? ist mein Fall: Auf ein beydseitiges Eheversprechen hin nahm ich Besiz von Juliettens Bette; (ihr kennet sie;) sie ist mein wahres Eheweib, ausser da? uns die Ceremonien mangeln, wodurch unsre Heurath ?ffentlich gemacht worden w?re. Die einzige Ursache warum wir sie unterliessen, war ein Erbe, das noch in den Kisten ihrer Verwandten ligt, denen wir unsre Liebe noch so lange zu verbergen gedachten, bis die Zeit sie uns günstiger gemacht haben würde. Allein das Unglük wollte, da? das Geheimni? unsrer Vertraulichkeit vor der Zeit verrathen würde--es ist mit zu grossen Buchstaben an Julietten geschrieben.
Lucio. Mit einem Kind, vielleicht?
Claudio. Leider! und der neue Stadthalter des Herzogs (ob es daher kommt, da? der Staatsk?rper ein Pferd ist, welches der Stadthalter zureiten soll, und dem er, das erste mal, die Sporren st?rker zu fühlen giebt, damit es wisse, da? er seiner meister ist; oder ob die Tyranney in dem Plaz oder in demjenigen ist, der ihn einnimmt? kan ich nicht entscheiden:) Kurz, der neue Stadthalter erwekt bey meinem Anlas alle die veralteten Straffen, die gleich einer ungepuzten Rüstung, so lange an der Wand gehangen, bis neunzehn Zodiaci sich umgew?lzt haben, ohne da? sie in einem einzigen gebraucht worden; und um eines Namens willen, wekt er das verge?ne tiefeingeschlafne Gesez wider mich auf; in der That, um eines Namens willen.
Lucio. Du hast recht, es ist nicht anders; und dein Kopf steht so schwach auf deinen Schultern, da? ihn ein verliebtes Milchm?dchen wegseufzen k?nnte. Schikt dem Herzog nach, und appellirt an ihn.
Claudio. Ich hab es gethan; aber man kan ihn nirgends finden. Ich bitte dich, Lucio, thu mir diesen Liebesdienst; ich hab eine Schwester im Kloster, die an diesem Tag ihre Probzeit enden soll. Gieb ihr Nachricht von der Gefahr worinn ich bin; bitte sie in meinem Namen, da? sie Freunde an den strengen Stadthalter schike; bitte sie, da? sie in eigner Person einen Anfall auf ihn thue; von dem leztern macht' ich mir die meiste Hoffnung. Eine junge Person wie sie, hat eine Art von sprachloser Beredsamkeit, der die M?nner selten widerstehen k?nnen; und ausserdem, so ist sie auch geschikt genug, wenn sie durch Gründe und Vorstellungen überreden will.
Lucio. Ich wünsche, da? sie es k?nne; sowol zum Trost Aller die sich in ?hnlichen Umst?nden befinden, als um deines Lebens willen; es würde mich sehr verdriessen, wenn es wegen eines Spiels Trictrak so n?rrischer Weise verlohren gehen sollte. Ich will zu ihr.
Claudio. Habe Dank, mein guter Freund, Lucio.
Lucio. Binnen zwo Stunden--
Claudio. Kommt, Kerkermeister, wir wollen gehen.
(Sie gehen ab.)

Siebende Scene. (Ein Kloster.) (Der Herzog und Bruder Thomas.)
Herzog. Nein, heiliger Vater, la?t diesen Gedanken fahren: Glaubet nicht, da? der schmuzige Pfeil der Liebe einen m?nnlichen Busen durchdringen k?nne. Die Ursache, warum ich euch um eine geheime Beherbergung bitte, ist wichtiger und ernsthafter, als die ausschweiffenden Absichten der glühenden Jugend.
Bruder. Kan Eure Durchlaucht davon reden--
Herzog. Mein ehrwürdiger Vater, niemand wei? besser als ihr, wie sehr ich immer das abgesonderte Leben geliebt, und wie wenig ich an den Gesellschaften, wo Jugend, Verschwendung, und fr?liche Thorheit sich vereinigen, Geschmak gehabt habe. Ich habe dem Freyherrn Angelo, einem Mann von strengen Sitten und geübter Enthaltsamkeit, meine ganze unumschr?nkte Gewalt in Wien übertragen; und er ist in der Einbildung, da? ich nach Polen gerei?t sey; denn so hab' ich unter die Leute streuen lassen, und so ist es angenommen: Nun, mein frommer Herr, werdet ihr mich fragen, warum ich das thue?
Bruder. Wenn es erlaubt ist, Gn?digster Herr.
Herzog. Wir haben strenge Geseze, (ein nothwendiges Gebi? für unb?ndige Unterthanen) die wir diese neunzehn Jahre her haben schlaffen lassen, gleich einem überfüllten L?wen, der in seiner H?le ligen bleibt, und nicht auf Beute ausgeht. Wie es nun zu begegnen pflegt, da? wenn allzu z?rtliche V?ter die Ruthe nicht zum Gebrauch, sondern nur zum Schreken, ihren Kindern vor die Augen steken, sie in kurzer Zeit mehr verlacht als gefürchtet wird; so ist es unsern Gesezen gegangen: Anstatt den Verbrechern den Tod zu geben, sind sie selbst todt; die ungebundne Freyheit zieht die Gerechtigkeit bey der Nase, der S?ugling
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