Märchen für Kinder | Page 6

Hans Christian Andersen
welche den Kopf mit dem kleinen schwarzen Schnabel, denn er war noch nicht rot geworden, hervorstreckten. Ein Stückchen davon stand auf der Dachfirste starr und steif der Storchvater. Man h?tte meinen k?nnen, er w?re aus Holz gedrechselt, so stille stand er. ?Gewi? sieht es recht vornehm aus, da? meine Frau eine Schildwache bei dem Neste hat!? dachte er. Und er stand unermüdlich auf einem Beine.
Unten auf der Stra?e spielte eine Schar Kinder und als sie die St?rche erblickten, sang einer der dreistesten Knaben und allm?hlich alle zusammen einen Vers aus einem alten Storchliede, so gut sie sich dessen erinnern konnten:
St?rchlein, St?rchlein, fliege, Damit ich dich nicht kriege, Deine Frau, die liegt im Neste dein Bei deinen lieben Kindelein: Das eine wird gepf?hlt, Das andere wird abgekehlt, Das dritte wird verbrannt, Das vierte dir entwandt!
?H?re nur, was die Jungen singen!? sagten die kleinen Storchkinder. ?Sie sagen, wir sollen gebraten und verbrannt werden!?
?Daraus braucht ihr euch nichts zu machen!? sagte die Storchmutter.
Aber die Knaben wiederholten es immer von Neuem und wiesen mit Fingern nach dem Storche. Nur ein Knabe, Peter mit Namen, sagte, es w?re eine Sünde und Schande, sich über die Tiere lustig zu machen, und nahm an ihrem Unfug nicht Teil. Die Storchmutter tr?stete ihre Kinder: ?Kümmert euch nicht darum!? sagte sie; ?seht nur, wie ruhig und unbekümmert euer Vater dasteht, und zwar auf einem Beine!?
?Uns ist so bange!? sagten die Jungen und zogen ihre K?pfe in das Nest zurück.
Als am n?chsten Tage die Kinder wieder zum Spielen zusammenkamen und die St?rche erblickten, begannen sie wieder ihr altes Lied:
Das eine wird gepf?hlt, Das andere wird abgekehlt! --
?Werden wir wohl gepf?hlt und verbrannt?? fragten die Storchkinder.
?Nein, sicher nicht!? erwiderte die Mutter. ?Ihr sollt fliegen lernen; ich werde euch schon einüben! Dann geht es hinaus auf die Wiese und auf Besuch zu den Fr?schen. Das wird eine Lust werden!?
?Und was dann?? fragten die Storchkinder.
?Dann versammeln sich alle St?rche, die hier im Lande wohnen und darauf beginnt die gro?e Herbstübung. Da mu? man gut fliegen, das ist von gro?er Wichtigkeit, denn wer nicht fliegen kann, wird von dem General mit seinem Schnabel totgestochen. Lernt deshalb nur fliegen, wenn der Unterricht beginnt!?
?Dann werden wir aber doch gepf?hlt, wie die Knaben behaupteten, und h?re nur, jetzt sagen sie es schon wieder!?
?H?rt auf mich und nicht auf sie!? sagte die Storchmutter. ?Nach der gro?en übung fliegen wir nach den warmen L?ndern, weit fort von hier, über Berge und W?lder. Nach ?gypten fliegen wir, wo es dreieckige Steinh?user giebt, die in einer Spitze zusammenlaufen und bis über die Wolken ragen. Da ist auch ein Flu?, der aus seinen Ufern tritt und das ganze Land mit Schlamm bedeckt. Man geht im Schlamm und i?t Fr?sche.?
?O!? riefen alle Jungen.
?Ja, da ist es wunderbar sch?n! Man thut den ganzen Tag nichts Anderes als essen. Und w?hrend wir es so gut haben, ist hier zu Lande nicht ein grünes Blatt auf den B?umen. Hier ist es so kalt, da? die Wolken in Stücke gefrieren und in kleinen wei?en L?ppchen herniederfallen, was dann die Menschen Schnee nennen.?
?Zerfrieren denn auch die unartigen Knaben in lauter Stücke?? fragten die Storchkinder.
?Nein, in Stücke zerfrieren sie nicht, aber es fehlt nicht viel daran und sie müssen in der dunklen Stube und hinter dem Ofen sitzen.?
Inzwischen war schon einige Zeit verstrichen, und die Jungen waren so gro?, da? sie im Neste aufrecht stehen und sich weit umschauen konnten. Der Storchvater kam jeden Tag mit wohlschmeckenden Fr?schen, kleinen Schlangen und allen auffindbaren Storchleckereien geflogen.
?H?rt, nun mü?t ihr fliegen lernen!? sagte eines Tages die Storchmutter, und dann mu?ten alle vier Junge auf die Dachfirste hinaus. O, wie sie schwankten! Wie sie suchten, sich mit den Flügeln im Gleichgewicht zu erhalten, und doch nahe daran waren, hinunter zu fallen.
?Seht nun auf mich!? sagte die Mutter. ?So mü?t ihr den Kopf halten! So mü?t ihr die Beine setzen! Eins, zwei! eins, zwei! Das wird euch in der Welt vorw?rts bringen!? Darauf flog sie eine kurze Strecke und die Jungen machten einen kleinen plumpen Satz. Bums! da lagen sie, denn sie waren noch zu schwerf?llig.
?Ich will nicht fliegen!? sagte das eine Junge und kroch wieder in das Nest hinein. ?Ich mache mir nichts daraus, nach den warmen L?ndern zu kommen.?
?So willst du also hier im Winter erfrieren? Sollen etwa die Knaben kommen und dich pf?hlen, abkehlen und verbrennen? Dann will ich sie rufen!?
?O nein!? sagte das Storchkind und hüpfte dann wieder auf das Dach zu den andern. Den dritten Tag konnten sie schon ordentlich ein wenig fliegen, und nun meinten sie auch in der Luft schweben zu k?nnen.
?Seht, das war sehr gut!? sagte die Storchmutter; ?Ihr sollt morgen mit mir in den Sumpf fliegen. Dort kommen mehrere nette Storchfamilien mit ihren Kindern zusammen.?
?Aber sollen wir denn an den unartigen Knaben keine Rache nehmen?? fragten die Storchjungen.
?La?t sie schreien, was sie wollen! Ihr
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