Lieder von Lessing | Page 3

Gotthold Ephraim Lessing

Wie aber, wenn alsdann die Traube
Die Probefrucht gewesen wär?

Wie da, mein Freund?--Ei nun, ich glaube--
Das Paradies wär auch
nicht mehr.
Das Schäferleben
Komm Freund! wir wollen Schäfer werden.
Dies stille Volk besitzet
noch
Die süße Ruh, das Glück der Erden.
Was zauderst du? Komm
Freund! komm doch!
Dort blüht bei aufgeräumten Sinnen
Noch alte
Treu und Redlichkeit,
Auch in den schönsten Schäferinnen.
Dort,
dort ist noch die güldne Zeit.
Wird dir es schwer, die Stadt zu lassen,
Wo nichts als falsche
Mägdchen sind?
Bedenke, Phyllis will mich hassen,
Das flatterhafte
böse Kind.
Auch Phyllis kann die Treue brechen,
Und windet sich aus meiner
Hand.
Ja, diese Falschheit muß ich rächen.
Komm mit! Ich geh ins
Schäferland.
Du schwärmst, mein Freund. Laß mich zufrieden.
Was geht mich
deine Phyllis an.
Dem ist ein größer Glück beschieden,
Der sich
gleich mir betrinken kann.
Wo hast du den Verstand gelassen?
Du hast gewiß noch keinen

Rausch?
Den Wein, den Wein für Milch zu hassen?
Den Wein für
Milch? Das wär ein Tausch.
Recht Freund! verzeih mir diese Possen.
Wie albern denkt und redt
man nicht,
Wenn man noch keinen Wein genossen,
Wenn folglich
der Verstand gebricht.
Drum eile, Freund! mir einzuschenken.
Trink mir es zu, und mach
mich klug.
Nun lern ich wieder richtig denken.
Nun seh ich meinen
Selbstbetrug.
O schade für die falschen Kinder!
Laßt sie nur unbeständig sein.
Ich
lache nun, und bins nicht minder.
Den Rat, den Rat gibt mir der
Wein.
Nun soll mich Phyllis nicht betrüben,
Laßt sie nur unbeständig sein,

Von nun an will ich auch so lieben.
Den Rat, den Rat gibt mir der
Wein.
Das Umwechseln
Der Bruder
Liebe Schwester, wer ist die?
Deine Freundin? darf ich
küssen?
O wie frei, wie schön ist sie!
Liebe Schwester darf ich
küssen?
Die Schwester
Pfui! Ihr Bruder ist ja hier.
Willst du, daß ers sieht,
sie küssen?
Schäm dich! diesesmal wird dir
Wohl die Lust
vergehen müssen.
Der Bruder
Schwester, geh zum Bruder hin;
Laß dich von dem
Bruder küssen;
Dann, weil ich dein Bruder bin,
Darf ich seine
Schwester küssen.
Das aufgehobene Gebot
Elise.
Siehst du Wein im Glase blinken,
Lerne von mir deine Pflicht:


Trinken kannst du, du kannst trinken;
Doch betrinke dich nur nicht.
Lysias.
Wallt dein Blut von Jugendtrieben,
Lerne von mir deine
Pflicht:
Lieben kannst du, du kannst lieben;
Doch verliebe dich nur
nicht.
Elise.
Bruder! ich mich nicht verlieben?
Lysias.
Schwester! ich mich nicht betrinken?
Elise.
Wie verlangst du das von mir?
Lysias.
Wie verlangst du das von mir?
Elise.
Lieber mag ich gar nicht lieben.
Lysias.
Lieber mag ich gar nicht trinken.
Beide.
Geh nur, ich erlaub es dir.
Der Donner
Es donnert!--Freunde, laßt uns trinken!
Der Frevler und der Heuchler
Heer
Mag knechtisch auf die Kniee sinken.
Es donnert!--Macht die
Gläser leer!
Laßt Nüchterne, laßt Weiber zagen!
Zeus ist gerecht, er
straft das Meer:
Sollt er in seinen Nektar schlagen?
Der Faule
Rennt dem scheuen Glücke nach!
Freunde, rennt euch alt und
schwach!
Ich nehm teil an eurer Müh:
Die Natur gebietet sie.
Ich,
damit ich auch was tu,--
Seh euch in dem Lehnstuhl zu.
Der Fehler
Angelika ist jung und reich.
An Schönheit meiner Phyllis gleich.


Ich kann nichts Schöners nennen;
Das wissen die, die Phyllis kennen.

Sie redet ungezwungen rein;
Sie scherzt empfindlich und doch fein;

Ihr biegsam redlich Herze fühlt;
Sie tanzt, sie singt, sie spielt.

Wenn meine Phyllis untreu wird--
O werde sie es nie!
Wenn sie es
aber wird,
So lieb ich keine sonst als sie.
Doch--hab ichs auch
bedacht?
Nein, einen Fehler treff ich an,
Der alles nichtig macht.

Sie liebet ihren Mann.
Der Fehler der Natur an Hr. M.
Freund! du erforschest die Natur.
Sprich! Ists nicht wahr, sie spielt
nicht nur,
Sie fehlt auch oft in ihren Werken.
Ja, ja sie fehlt. Oft in
der Eil
Versetzt sie dies und jenes Teil.
Ich selbst kann meinen Satz
bestärken.
Denn hätt sich ihre Götterhand,
Als sie mich baute, nicht
verloren;
So wär ich an der Mosel Strand,
Wo nicht doch in
Burgund geboren.
O Mosler, o Burgunderwein,
Ich, ich sollt euer
Landsmann sein!
Der Flor
O Reize voll Verderben!
Wir sehen euch, und sterben.
O Augen,
unser Grab!
O Chloris, darf ich flehen?
Dich sicher anzusehen,

Laß erst den Flor herab!
Der Genuß
So bringst du mich um meine Liebe,
Unseliger Genuß? Betrübter Tag
für mich!
Sie zu verlieren,--meine Liebe,--
Sie zu verlieren,
wünscht ich dich?
Nimm sie, den Wunsch so mancher Lieder,

Nimm sie zurück, die kurze Lust!
Nimm sie, und gib der öden Brust,

Der ewig öden Brust, die beßre Liebe wieder!
Der Geschmack der Alten
Ob wir, wir Neuern, vor den Alten
Den Vorzug des Geschmacks

erhalten,
Was lest ihr darum vieles nach,
Was der und jener Franze
sprach?
Die Franzen sind die Leute nicht,
Aus welchen ein Orakel
spricht.
Ich will ein neues Urteil wagen.
Geschmack und Witz, es frei zu
sagen,
War bei den Alten allgemein.
Warum? sie tranken alle Wein.

Doch ihr Geschmack war noch nicht fein;
Warum? sie mischten
Wasser drein.
Der Handel
Des wuchernden Tumultes satt,
Freund, fliehst du aus der vollen
Stadt?
Flieh nur allein; ich bleib zurücke,
Die Messe wag ich noch
mein Glücke.
Nun handl ich auch: doch soll allein
Mein Handel mit
den Schönen sein.
Itzt, Mägdchens, ist mir alles feil,
Mein Vater--und mein Mutterteil,

Haus, Bücher, Garten, Wald und Felder.
Kommt nur, und bringt
die rechten Gelder!
Kommt nur und fangt den Handel an;
Glaubt,
daß ich euch nicht trügen kann.
Ihr kommt? Wie teuer ist dein Feld?
Mein Feld verkauf ich nicht für
Geld.
Dir, Mägdchen, biet ichs
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