Libussa | Page 2

Franz Grillparzer
Schuhe hier,
Des Gürtels reiche Ketten aufgesprengt Und in zwei Stücken ein so
schönes Ganze. Ich samml' es dir und trag es dienend nach, Bis an dem
Ort der Trennung du's erhältst. Und kehr ich wieder in die heim'sche
Hütte Ist deines Daseins jede Spur verweht, Das Gras selbst wo du
tratest, es ersteht, Und wie ein Träumender nach seines Traums
Entschwinden, Frag ich mich selbst: wie war's? und weiß mich nicht zu
finden. Komm denn!
Libussa. Noch eins vorerst, das ich vergaß. (Sie geht in die Hütte.)
Primislaus. Ich will ein Zeichen nehmen meiner Tat, Daran ich sie, sie
mich dereinst erkennt, Denn sie verhehlt, ich seh's, mit Fleiß ihr edles
Selbst. Des Gürtels goldnen Ketten eingefügt Seh ich ein Kleinod, wohl
nicht reich zumeist, Allein beprägt mit Bildern und mit Sprüchen; Das
lös ich los und wahre mir's als Pfand, Das Namen mir enthüllt und
Stamm und Haus und Stand. (Er steckt das Kleinod in den Busen und
sammelt Libussens übriges Geräte.)
(Libussa kommt zurück, ein Körbchen mit Kräutern tragend.)
Libussa. Sieh mich zurück!
Primislaus. Und mich bereit.
Libussa. Wohlan! Wo ist dein Pferd?
Primislaus. Sieh, dort!
Libussa. So komm!
Primislaus. Mit Gott!
(Sie gehen. Primislaus Libussas Gewande tragend.--Pause. Dann
kommt Wlasta mit einem Jagdspieße bewaffnet, von der linken Seite.)
Wlasta. Und nirgends Menschen?--Doch! Hier eine Hütte. (An die Türe
schlagend.) Ihr drin im Hause!--Keine Antwort? (Nachdem sie die Türe
geöffnet.) Leer! Und wieder keine Spur und keine Kunde.
(Dobromila tritt im Hintergrunde auf.)
Wlasta. Wer schreitet dort?

Dobromila. Hallo! Libussas Mägde!
Wlasta. Libussas Mägde hier!
Dobromila. Bist du's, o Wlasta?
Wlasta. Ich bin's. Suchst du die Fürstin?
Dobromila. Wohl, Libussa.
Wlasta. Und keine Spur?
Dobromila. Noch keine. Einsam ging sie, Nach Kräutern suchend für
den kranken Vater, Von Psary aus, dem Schloß, gen Budesch zu, Und
ward nicht mehr gesehn.
Wlasta. Wie lebt der Fürst?
Dobromila. Er lebt wie einer, der zu leben aufhört, Ich fürchte bald, er
stirbt.
Wlasta. Ei, seine Töchter, Gar hoch erfahren in geheimer Kunst, Sie
hindern wohl sein Ende.
Dobromila. Ach, die Kunst, Sie endet auch, oft eh' man noch am Ende.
Komm, laß uns jetzt nach Budesch, und im Gehn Erheben wir die
Stimme Zeichen gebend, Vielleicht vernimmt's die Fürstin und
erscheint.
Wlasta. Hier läuft ein Pfad. Du rechts, ich links ins Dickicht Und
ausgeruft: Libussas Mägde, ho!
Dobromila (schon außer der Szene). Libussa!
(Beide ab.)

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Schloß der Schwestern auf Budesch.
Innerer Hof. Links ein Teil der Wohngebäude mit einer Pforte. Der
Hintergrund durch eine wallartige Terrasse geschlossen mit einem
großen Eingangstor. Oben sitzt Swartka. Links nach vorn Dobra an
einem Tische, auf dem ein aufgeschlagenes großes Buch liegt. Ein
großer eherner Leuchter mit brennendem Licht steht neben ihr.
Dobra. Was ist die Zeit?
Swartka. Längst Mitternacht vorüber. Die Sterne gehen scharenweis
zur Ruh Und ein Gebilde schwindet nach dem andern. Den Reihen
führt der flammende Arktur, Die Krone sinkt am Himmel und der
Adler Lenkt nach den Bergen seinen müden Flug.
Dobra (in dem Buche nachsehend). O weh, o weh!
Swartka. Was klagst, was jammerst du?

Dobra. Wenn Mars und Jupiter sich so begegnen Ist das die Stunde, die
dem Leben droht. Weh, Herzog Krokus, wenn du ja noch lebst. Welch
Sternbild glänzt zuhöchst?
Swartka. Ob meiner Scheitel Spannt seine Flügel aus der helle Schwan,
Ein Erbe recht der Sterne, welche gingen, Und wie geschlagne Saiten
zitternd klingen Kommt an mein Aug' der Leier Strahl heran.
Dobra. O mög' es gute Vorbedeutung sein Für meiner Frauen Zukunft.
Doch davon Schweigt dieses Buch.
Swartka. Fuchs, Fisch und Eidechs drängen Die niedre Form dem edlen
Vogel nach, Die kluge Schlange droht mit fahlem Blinken, Und auf
dem Pfad der königlichen Sterne Folgt namenloses Volk zu weiter
Ferne.
Dobra. Laß nun genug sein, Swartka! Komm herab! Es wachen Kascha
noch und Tetka oben In ihrer Kammer. Laß zu ihnen uns, Sie werden
ihrer Diener Eifer loben.
Swartka. Ich komme. Harre noch! (Sie steigt herab.)
(Es wird ans Tor geschlagen.)
Von außen. Macht auf! Macht auf!
Dobra. Wer lärmt?
Von außen. Macht auf um aller Götter willen!
Dobra. Geh Swartka hin und öffne nur das Tor! Der Lärm tut's an
Gewicht dem Anlaß wohl zuvor.
(Durchs geöffnete Tor dringen Domaslav, Biwoy, Lapak herein. Volk
hinter ihnen.)
Domaslav. Wo sind die Fürstinnen? bring mich vor sie!
Dobra. Sie wachen noch, doch zeigen sie sich nie.
Lapak. Auch nicht dem Bringer wichtig schwerer Kunde?
Dobra. Das Wicht'ge wiegt nicht gleich in dein', in ihrem Munde.
Domaslav. Doch frommt es uns, es frommt dem ganzen Land.
Dobra. Ob's ihnen selber frommt, blieb dir wohl unbekannt.
Biwoy. So hebt die Stimme, schlaget an die Schilde, Sie müssen uns
vernehmen, sei's mit Zwang.
Dobra. Am Tor der Einsicht tobt und lärmt der Wilde, Hört er am
liebsten doch der eignen Worte Klang.
Lapak. So wisse denn: der Fürst, der
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