Leben und Tod Konigs Richard des zweyten | Page 8

William Shakespeare
können, er sollte eine
ganze Last Lebewohl bekommen haben; aber weil das nicht war, so
kriegte er keines von mir.
König Richard. Er ist unser Anverwandter, Vetter, aber es ist
zweifelhaft, ob er, wenn ihn die Zeit aus seiner Verbannung einst zurük
beruft, als unser Freund wieder kommen wird. Wir selbst, und Bagot
hier, und Buschy, und Green, haben beobachtet, wie er dem gemeinen
Volke den Hof machte; wie er mit demüthiger und vertraulicher
Höflichkeit sich in ihren Herzen unterzutauchen schien; was für
Reverenze er auf der Strasse vor Sclaven hinwarf; wie er das Mitleiden
der ärmsten Handwerksleute durch die Zauberey seines Lächelns und
die scheinbare Geduld, womit er sich seinem Unglük unterzog, zu
erschleichen suchte. Als ob er verlangte, daß sie ihre Liebe und ihre
Wünsche mit ihm verbannen sollten. Er zog seinen Hut vor einem
Austern-Mensch ab, und ein paar Karrenzieher, die ihm zurieffen: Gott
geleit ihn! empfiengen den Tribut seiner biegsamen Knie mit--grossen
Dank, meine Landsleute, meine lieben Freunde; gleich als wäre
England sein künftiges Erbtheil, und er die nächste Hoffnung unsrer
Unterthanen.

Green. Gut, er ist nun fort, und diese Gedanken mögen mit ihm gehen;
eine wichtigere Sorge ist izt, Gnädigster Herr, wie den Aufrührern in
Irland zu begegnen sey, eh ein längerer Aufschub ihnen mehr Mittel zu
ihrem Vortheil und Eurer Majestät Schaden darbietet.
König Richard. Wir wollen diesem Krieg in Person beywohnen; und
weil unsre Kisten durch den Aufwand eines zu grossen Hofes, und
durch unsparsame Freygebigkeit in etwas leicht worden sind, so sehen
wir uns genöthiget, unsre Cron-Einkünfte zu verpachten; die Summen
die uns dadurch eingehen, werden für die gegenwärtigen
Angelegenheiten zureichen; und wenn sie auch ausgehen, so wollen wir
unsern Substituten in England Vollmachten geben, alle reichen Leute,
die ihnen bekannt werden, nach Proportion um beträchtliche Summen
Gelds zu taxieren, und uns selbige nachzuschiken; denn wir wollen uns
ungesäumt nach Irland erheben. (Buschy zu den Vorigen.)
König Richard. Buschy, was giebt's?
Buschy. Der alte Johann von Gaunt ist krank, Gnädigster Herr, hat
einen plötzlichen Anstoß bekommen, und sendet einen Boten in gröster
Eil hieher, Euer Majestät zu bitten, ihn mit einem Besuch zu
begnadigen.
König Richard. Wo ligt er?
Buschy. Zu Ely-House.
König Richard. Nun gieb doch, gütiger Himmel, seinen Ärzten in den
Sinn, ihm ungesäumt in sein Grab zu helfen; das Futter von seinen
Kisten schikt sich vortreflich, unsern Soldaten für diesen Irländischen
Krieg Röke daraus zu machen. Kommt, meine Herren, wir wollen ihn
besuchen; Gott gebe, daß wir eilen und zu späte kommen!
(Sie gehen ab.)

Zweyter Aufzug.

Erste Scene. (Ely-House.) (Gaunt, der krank herein getragen wird; mit
dem Herzog von York.)
Gaunt. Will der König kommen, daß ich meinen lezten Athem in
heilsamem Rath für seine noch verbesserliche Jugend aushauchen kan?
York. Plaget euch selbst nicht, und verschwendet nicht so die wenige
Kräfte, die ihr noch übrig habt; sein Ohr ist vor allem guten Rath
verschlossen.

Gaunt. Aber man sagt doch, daß die Zungen sterbender Menschen,
gleich der zauberischen Harmonie zur Aufmerksamkeit nöthigen;
sparsame Worte werden selten vergebens aufgewandt, denn diejenigen
sagen die Wahrheit, die ihre Worte mit Schmerzen athmen müssen.
Einer, der bald aufhören wird zu reden, wird eher gehört, als diejenigen,
denen Jugend und Wohlaufseyn erlauben, sich in Worte zu ergiessen.
Man giebt mehr auf der Menschen Ende acht, als auf ihr Leben; wie die
Sonne nie mit mehr Vergnügen beschaut wird, als wenn sie untergeht,
und an einer Musik nichts aufmerksamer macht als der Schluß. Ob
Richard gleich die Räthe nicht hören wollte, die ich ihm in meinem
Leben gab, so mag vielleicht der ernste Ton des Todes sein taubes Ohr
durchdringen.
York. Sein Ohr wird noch von andern Zaubertönen verstopft, als von
dem schmeichelnden Lobe seiner Regierung; überdas giebt es
ausschweiffende Gesellschafter, deren vergiftete Reden das
ungewahrsame Ohr der Jugend immer offen finden; Erzählungen von
Moden in dem stolzen Italien, dessen Sitten unsre blöde, affenmäßige
Nation, beständig auf eine plumpe Art nachahmet. Wo treibt die Welt
irgend eine Eitelkeit hervor, (wenn sie nur neu ist, sie mag so
nichtswürdig seyn als sie will,) die nicht augenbliklich in seine Ohren
gesumset wird? Wo der Wille, vom Wiz unterstüzt, sich wider die
Vernunft empört, da kommt guter Rath allezeit zu spät; versuch' es
nicht, denjenigen leiten zu wollen, der sein eigner Wegweiser seyn will;
du würdest deinen Athem verliehren, und das ist gerade was dir
mangelt.
Gaunt. Mich däucht, ich bin ein neubegeisterter Prophet, und sterbend
weissage ich so von ihm. Seine rasche, ausgelassene, unbezähmte
Jugendhize, kan nicht von langer Dauer seyn; ein heftiges Feuer brennt
sich bald selbst aus. Sanfte Regen dauren lange, plözliche Stürme
gehen bald vorüber; der wird bald müde, der anfangs die Sporren zu
stark gebraucht; und wer allzugierig ißt, hat am bäldesten genug.
Leichtsinnige Eitelkeit, nachdem sie wie ein unersättlicher Vielfraß alle
ihre Mittel verzehrt hat, wird bald gezwungen, sich selbst aufzuzehren.
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