Leben und Tod Konigs Richard des zweyten | Page 7

William Shakespeare
du geben kanst; du kanst meine
Tage durch Gram abkürzen, du kanst Nächte von meinem Leben
abreissen, aber du kanst mir keinen Morgen leihen; du, du kanst der
Zeit helfen mich früher alt zu machen, aber keine einzige Falte von
meiner Stirne nehmen; du kanst durch ein Wort meinen Tod gebieten,
aber wenn ich todt bin, ist dein Königreich zu wenig, mir nur einen
Athemzug zu kauffen.
König Richard. Dein Sohn ist auf Einrathen unsers Staats-Rathes
verbannt, und du selbst hast deine Stimme dazu gegeben; warum
rümpfest du izt die Stirne über unsre Gerechtigkeit?
Gaunt. Dinge, die im Münde süß sind, werden in der Verdauung sauer;
ihr dranget in mich, daß ich als ein Richter reden sollte; aber ich wollte
lieber ihr hättet mir befohlen als ein Vater zu reden. O! wär' es ein
Fremder gewesen, und nicht mein Sohn, ich würde ein gelinderes
Urtheil ausgesprochen haben. Weh mir! ich besorgte, man möchte mir
eine übertriebne Nachsicht gegen die meinigen Schuld geben, und den
Vorwurf der Partheylichkeit zu vermeiden, hab' ich durch meine
Stimme mir selbst das Leben abgesprochen.
König Richard. Vetter, lebe wohl; und ihr, Oheim, nehmt euern
Abschied von ihm; wir verbannen ihn auf sechs Jahre, und er soll
gehen.
(Geht ab.)

Sechste Scene.
Aumerle. Vetter, leb wohl! Was wir uns gegenwärtig nicht sagen
können, das laßt aus dem Ort eures Aufenthalts, eure Briefe sagen.
Marschall. Milord, ich beurlaube mich nicht von euch; denn ich will an
eurer Seite reiten, so weit mich das Land tragen wird.
Gaunt. Warum bist du so sparsam mit deinen Worten, daß du die
verbindliche Reden deiner Freunde nicht beantwortest?
Bolingbroke. Ich habe ihrer zu wenige, zum Abschied nehmen, da
meine Zunge verschwendrisch seyn sollte, den überströmenden
Schmerz meines Herzens auszuathmen.
Gaunt. Du hast keinen andern Schmerz als deine Abwesenheit; was

sind sechs Winter? sie sind schnell vorüber.
Bolingbroke. Für die Glüklichen; der Kummer macht aus einer Stunde
zehen.
Gaunt. Nenn es eine Reise, die du für dein Vergnügen machst.
Bolingbroke. Mein seufzendes Herz würde mich lügen heissen, wenn
ich eine Lustreise nennen wollte, was ihm eine gezwungne
Pilgrimschaft ist.
Gaunt. Alle Örter die des Himmels Auge besucht, sind für den weisen
Mann sichre Porte, und Himmel voll Wonne. Lehre die
Nothwendigkeit so denken, es ist keine Tugend über die
Nothwendigkeit. Denke nicht, der König habe dich verbannt, sondern
du den König. Ein Ungemach drükt uns nur heftig, wenn wir es
unmännlich tragen. Geh, sage, ich habe dich weggeschikt, Ruhm zu
erwerben; nicht, der König habe dich verbannt. Oder bilde dir ein, es
hange fressende Pestilenz in unsrer Luft, und du fliehest unter einen
reinen Himmel. Sieh, alles was deiner Seele theuer ist, davon bilde dir
ein, es lig' in dem Weg den du gehst, nicht in dem, so du verlässest;
bilde dir ein, die Vögel seyen Musicanten; das Gras worauf du trittst,
der Fußboden eines grossen Saals; die Blumen, schöne Damen; und
deine Schritte, ein frölicher Tanz. Der Kummer beißt nur schwach,
sobald man einen Scherz daraus macht.
Bolingbroke. O, wer kan Feuer in seiner Hand tragen, und an den
befrornen Caucasus denken? Wer kan den nagenden Hunger durch die
blosse Erinnrung an ein Gastmahl stillen; oder, wenn er nakend im
December- Schnee gienge, sich durch die Vorstellung eines
phantastischen Sommers erwärmen? O nein, die Vorstellungen des
Guten schärfen nur das schmerzhafte Gefühl des Bösen, und der Zahn
des giftigen Kummers--
Gaunt. Komm, komm, mein Sohn, ich will dich ein Stük Weges
begleiten; hätt' ich deine Jugend und deine Sache, ich wollte keinen
Augenblik zögern.
Bolingbroke. So gehabe dich dann wohl, Engländischer Boden! Gehabe
dich wohl, mein mütterliches Land, meine Säugerin, die noch diese
kurzen Augenblike mich trägt. Wohin ich auch wandre, kan ich doch,
obgleich verbannt, mich rühmen, daß ich ein echter Engländer bin.
(Sie gehen ab.)

Siebende Scene. (Der Hof.) (König Richard, Bagott, Green, u.s.w.
treten zu einer, und Lord Aumerle zu der andern Thür herein.)
König Richard (zu Bagott.) In der That, wir bemerkten es auch--Vetter
Aumerle, wie weit habt ihr den hohen Hereford begleitet?
Aumerle. Ich begleitete den hohen Hereford, wenn ihr ihn so nennen
wollt, nicht weiter als bis an die nächste Landstrasse, und dort verließ
ich ihn.
König Richard. Und saget, sind viele Thränen beym Abschied
vergossen worden?
Aumerle. Meiner Treue, von mir keine, ausser daß der Nord-Ostwind,
der uns sehr scharf ins Gesicht blies, mir ein wenig Wasser aus den
Augen preßte, und dadurch von ungefehr unsern kalten Abschied mit
einer Thräne zierte.
König Richard. Was sagte euer Vetter, wie ihr Abschied nahmt?
Aumerle. Leb wohl!--und weil sich mein Herz nicht überwinden konnte,
meine Zunge dieses Wort so entheiligen zu lassen, so stellte ich mich,
als ob ich so betrübt sey, daß ich vor Schmerz nicht reden könne. Auf
meine Ehre, wenn das Wort Lebwohl die Stunden hätte verlängern und
Jahre zu seiner Verbannungs-Zeit hinzu thun
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