Leben und Tod Konigs Richard des zweyten | Page 9

William Shakespeare

Dieser glorreiche Königs-Thron, diese bezepterte Insel, dieses
majestätische Land, dieser Siz des Kriegs-Gottes, dieses andre Eden,
dieses feste Castell, das die Natur für sich selbst aufgeworfen hat, um
sich vor fremder Anstekung und feindseligem Anfall zu sichern, dieser

edle Stamm von Menschen, dieser in die Silber-See eingefaßte
Edelstein, dieser kleine Inbegriff der Welt, dem der umgebende Ocean
für eine Mauer, oder für einen beschüzenden Graben gegen den Neid
nicht so glükseliger Länder dient; diese Mutter und Sängerin
königlicher Helden, welche ihr Vaterland furchtbar, ihre Geburt
erlaucht, und ihre Thaten ruhmwürdig machen, wegen ihres
christlichen Eifers und ihrer ritterlichen Tapferkeit so weit berühmt, als
das Grab des Welt-Erlösers, in dem verstokten Judenlande von uns
entfernt ist; dieses edle, würdige, theure Land, von dem glänzenden
Ruhm seiner Söhne über alle andre emporgehoben, ist nun
ausgemiethet, (ich sterbe, da ich es ausspreche) wie ein Pachthof oder
Baurengut ausgepachtet! England, von der triumphierenden See
umwunden, deren felsichtes Ufer den neidischen Siz des wäßrichten
Neptuns zurükschlägt, ist auf eine schändliche Art in Fesseln von
Pergament geworfen, und die Besiegerin andrer Völker hat eine
schaamvolle Eroberung von sich selbst gemacht.* O! möchte diese
Schmach mit meinem Leben sich enden, wie glüklich wäre mein Tod!
{ed.-* Was für eine Rede in dem Mund eines alten sterbenden Prinzen,
der sich über Engbrüstigkeit und kurzen Athem beklagt! Indessen war
dieses schülerhafte rhetorische Gewäsche, diese auf einander gehäuften,
übel zusammenpassenden Metaphern, und diese abmattenden
Tautologien, die allgemeine Mode in unsere Autors Zeit.}

Zweyte Scene. (König Richard, die Königin, Aumerle, Buschy, Green,
Bagot, Roß und Willoughby zu den Vorigen.)
York. Der König ist gekommen; gehet sanft mit seiner Jugend zu
Werke; junge feurige Füllen, wenn sie aufgebracht werden, rasen nur
desto mehr.
Königin. Wie steht es um unsern edeln Oheim Lancaster?
König Richard. Wie steht's Mann? Was macht der alte Gaunt?
Gaunt. O dieser Name schikt sich für meinen Zustand!* Ja wohl der
alte Gaunt, und nichts als Haut und Knochen (Gaunt) vor Alter! Der
Kummer in mir, hat eine verdrießliche Fasten gehalten, und wer wird
nicht mager, der sich des Fleisches enthalten muß? Lange hab' ich für
das schlafende England gewacht, und Wachen zehrt ab und macht
mager. Das Vergnügen wovon einige Väter sich nähren, der Anblik
meiner Kinder ist mir gänzlich untersagt; und die Fasten, die du mir

hierinn auferlegt hast, hat mich ganz mager gemacht, mager für das
Grab, mager wie ein Grab, dessen holer Leib nichts als Knochen
enthält.
{ed.-* Alle diese Wortspiele, die in dem Mund eines Tertianers
kindisch wären, und in dem Mund eines Sterbenden unerträglich sind,
gründen sich auf die Bedeutung des Namens Gaunt, der im Englischen
so viel heißt als mager, abgezehrt, der nur noch Haut und Knochen
hat.}
König Richard. Können kranke Leute so spizfündig mit Worten
spielen?
Gaunt. Nein, aber Elend hat keine andre Kurzweile, als über sich selbst
zu spotten. [Weil du meinen Namen in mir zu tödten suchst, so spotte
ich meines Namens, Grosser König, um dir zu schmeicheln.**
{ed.-** Die Zeilen, die hier und in der Folge in [ ] eingeschlossen sind,
sind im Original in Reimen.}
König Richard. Sollen sterbende Leute den lebenden schmeicheln?
Gaunt. Nein, nein, die lebenden Leute schmeicheln den Sterbenden.
König Richard. Du, ein Sterbender, sagst ja, du schmeichelst mir.
Gaunt. O nein, du stirbst, ob ich gleich kränker bin.
König Richard. Ich bin gesund, ich athme, und sehe daß du übel bist.
Gaunt. O! der, der mich erschuf, weiß es, daß ich Dich übel sehe.] Mir
ist für mich selbst übel, aber gar zu übel, indem ich dich ansehe. Dein
Todbette ist nichts geringers als dein Land, worinn du an deinem Ruhm
krank ligst; und du, allzunachläßiger Patient, übergiebst deine gesalbte
Person den nemlichen Ärzten zu heilen, die dich krank gemacht haben.
Tausend Schmeichler sizen um den Cirkel deiner Crone herum, und ob
dieser Cirkel gleich nicht grösser ist als dein Haupt, so verliehrst du
doch mit ihm dein ganzes Land, welches er umspannt. O hätte dein
Großvater mit dem Aug' eines Propheten vorhersehen können, daß
seines Sohns Sohn seine Söhne zu Grund richten würde, er würde dir's
unmöglich gemacht haben, dich selbst so zu entehren, indem er dich
vor deiner Einsezung entsezt hätte, dich, der izt eingesezt ist, um sich
selbst zu entsezen. Wie? Vetter! wärest du Herr der ganzen Welt, so
wär' es dir doch schimpflich dein Land zu verpachten; aber da deine
ganze Welt in diesem einzigen Lande besteht, ist es nicht mehr als
Schande, es so zu entehren? Landsaß von England bist du, nicht König.
Deine gesezmäßige Oberherrlichkeit ist eine Leibeigne des Gesezes,

und du--
König Richard. Und du, ein mondsüchtiger aberwiziger Narr, der auf
das Privilegium eines Fiebers hin, sich erfrecht, mit deinen kalten
Erinnerungen unsre Wange blaß zu machen, und das königliche Blut
mit Ungestüm von seinem natürlichen Siz zu treiben. Nun, bey der
Majestät meines angestammten Throns, wärst
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