Leben und Tod Konigs Richard des zweyten | Page 6

William Shakespeare

was wir mit unserm Rath gethan haben. Damit die Erde unsers
Königreichs nicht mit diesem kostbaren Blute besudelt werde, dessen
Mutter sie ist, und weil unsre Augen den gräßlichen Anblik
bürgerlicher Wunden hassen, die von nachbarlichen Schwerdtern
gegraben werden, und weil wir denken, daß nichts anders als der
Adlerbeschwingte Stolz ehrsüchtiger und himmelan-strebender
Gedanken euch mit eifersüchtigem Haß erfüllt und aufgereizt hat, den
Frieden, der gleich einem sanftschlummernden neugebohrnen Kind, in
der Wiege unsers mütterlichen Landes zu schlafen angefangen, wieder
aufzuweken. Aus diesen Ursachen verbannen wir euch, Vetter von
Hereford, bey Straffe des Todes aus unsern Gebieten; bis zehen
Sommer unsre Felder bereichert haben, sollt ihr unsre blühenden
Herrschaften nicht wieder grüssen, sondern die fremden Pfade der

Verbannung betreten.
Bolingbroke. Euer Wille geschehe! Mein Trost muß seyn, daß die
nemliche Sonne, die euch hier erwärmt, mich bescheinen wird, und daß
eben diese goldnen Stralen, die sie euch hier leiht, meine Verbannung
vergülden werden.
König Richard. Norfolk, auf dich wartet ein strengeres Urtheil, wiewol
ich es nicht ohne Widerwillen anspreche. Die schnellgeflügelten
Stunden werden deiner Verbannung kein Ziel bestimmen; das
hoffnunglose Wort, nicht wiederzukehren, athme ich gegen dich bey
Straffe des Todes.
Mowbray. Ein hartes Urtheil, mein gebietender Oberherr, und aus
Eurer Hoheit Mund gar zu unerwartet! Ich habe eine bessere
Belohnung von Eurer Hand verdient, als so verstümmelt an die freye
Luft hingeworfen zu werden. Die Sprache, die ich nun vierzig Jahre
gelernt habe, mein angebohrnes Englisch, muß ich nun vergessen, und
meine Zunge wird mir künftig nicht mehr nüzen, als eine unbesaitete
Harfe, oder als ein feines Instrument in der Hand dessen, der es nicht zu
spielen weiß. Ihr habt meine Zunge in meinen Mund eingekerkert, und
stumme, gefühllose, unfruchtbare Unwissenheit ist der Kerkermeister,
der mich bewachen soll. Ich bin zu alt, mich an den Busen einer neuen
Säugamme zu schmiegen, oder wieder ein Lehrknabe zu werden. Was
ist also Euer Urtheil, als die Verdammung zu einem sprachlosen Tod,
der meiner Zunge das Leben nimmt?
König Richard. Vergebens bemühst du dich unser Mitleiden zu
erweken; Nachdem unser Urtheil ausgesprochen ist, kommen Klagen
zu spät.
Mowbray. So entweich ich dann aus dem Tag meines Vaterlands, um
mein Leben in den traurigen Schatten einer hoffnunglosen Nacht zu
enden.
König Richard. Kommt wieder zurük und nehmt einen Eid mit euch.
Legt eure verbannten Hände auf eure königlichen Schwerdter, und
schweert bey eurer Pflicht zum Himmel, (den Antheil, den wir daran
haben, verbannen wir mit euch selbst*) daß ihr den Eid halten wollet,
den wir euch auferlegen. Nimmer sollt ihr während eurer Verbannung
euch mit einander aussöhnen, keiner soll des andern Angesicht sehen,
keiner auf welche Art es sey, einige Gemeinschaft mit dem andern
unterhalten, vielweniger durch verabredete Entwürfe irgend etwas

böses gegen uns, unsern Staat, unsre Unterthanen, und unser Land
anzuspinnen oder auszuführen suchen; schwört diß, so wahr euch der
Himmel helfe!
{ed.-* Es ist eine Frage, worüber unter den Lehrern des Völker-Rechts
viel gestritten worden, ob ein Verwiesener dem Staat, der ihn verbannt
hat, dem ungeachtet mit der Pflicht der Treue zugethan sey. Cicero und
der Lord Canzler Clarendon bejahen sie; Hobbes und Puffendorf
behaupten das Gegentheil. Unser Autor scheint in dieser Zeile der
leztern Meynung zu seyn. Warburton.}
Bolingbroke. Ich schwöre.
Mowbray. Und ich; alles diß zu halten.
Bolingbroke. Norfolk, hätte der König es uns zugelassen, so wanderte
izt die Seele von einem unter uns beyden in der Luft, verbannt aus
unserm Leibe, wie izt unser Leib aus diesem Lande verbannt ist.
Bekenne deine Verräthereyen, eh du aus diesem Reiche fliehst;
schleppe nicht auf eine so weite Reise die hemmende Bürde einer
schuldigen Seele mit dir.
Mowbray. Nein, Bolingbroke; wann ich jemals ein Verräther war, so
werde mein Nam' aus dem Buch des Lebens ausgelöscht, und ich vom
Himmel wie von hinnen verbannt! Aber was du bist, das ist dem
Himmel, dir und mir bekannt, und nur allzu bald, besorg' ich, wird es
der König mit Reue erfahren. Lebet wohl, mein gebietender Herr; da
ich England den Rüken kehren muß, ist jeder Weg mir gleich.
(Er geht ab.)

Fünfte Scene.
König Richard (Zu Gaunt.) Oheim, ich sehe den Gram deines Herzens
in den Spiegeln deiner Augen; dein kummervolles Aussehen hat von
der Zahl seiner verbannten Jahre viere abgerissen; wenn sechs Winter
verflossen sind, Bolingbrok, so kehre, mir willkommen, von deiner
Verbannung heim.
Bolingbroke. Welch eine lange Zeit ligt in einem einzigen kleinen Wort!
Vier langsame Winter und vier muntre Frühlinge verliehren sich in
einem Wort, so mächtig ist der Athem der Könige.
Gaunt. Ich danke meinem gebietenden Herrn, daß er, in Ansehung
meiner, meines Sohnes Verbannung um vier Jahre abkürzt; aber was
wird diese Mildigkeit mir helfen, da eh die sechs, die er verliehren muß,

verflossen sind, meine vom Alter aufgezehrte Lampe verloschen seyn
kan?
König Richard. Wie, Oheim, du hast noch viele Jahre zu leben.
Gaunt. Aber keine Minute, König, die
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