Leben und Tod Konigs Richard des zweyten | Page 4

William Shakespeare
kan! Hat die Liebe nicht mehr Wärme in deinem alten Blut?
Edwards sieben Söhne, wovon du selbst einer bist, waren wie sieben

Phiolen mit seinem geheiligten Blut angefüllt, oder wie sieben schöne
Zweige, aus einem Stamm entsprossen; einige von diesen sieben
Phiolen sind durch den Lauf der Natur ausgetroknet, einige von diesen
Ästen durch das Schiksal abgeschnitten; aber Thomas, mein theurer
Gemal, mein Gloster, (eine Phiole voll von Edwards geheiligtem Blut,
ein blühender Zweig aus seinem königlichen Stamm) ist gewaltthätig
zerbrochen, und all sein kostbarer Saft verschüttet, ist umgehauen und
alles sein Sommerlaub verwelkt, durch die Hand des Neids zerbrochen,
durch des Meuchelmords blutige Axt umgefällt--Und du kanst gelassen
bleiben? O, Gaunt, sein Blut war auch deines; eben dieses Ehebett,
eben dieser Mutterleib, dieser Stoff, diese nemliche Form, so dich
bildeten, machten ihn zum Menschen; in ihm, ob du gleich lebst und
athmest, bist auch du erschlagen, ja du willigst gewisser Maassen in
deines Vaters Tod ein, indem du deinen unglükseligen Bruder, ihn, der
ein Theil von deines Vaters Leben war, so gleichgültig sterben siehst.
Nenn' es nicht Geduld, Gaunt, es ist Muthlosigkeit; indem du so
gelassen duldest, daß dein Bruder erschlagen worden, zeigst du den
nakten Pfad zu deinem eignen Leben, und lehrst den unerbittlichen
Mord dich auch zu mezeln. Das, was wir an gemeinen Menschen
Geduld nennen, ist blasse, kalte Feigheit in einer edeln Brust. Was soll
ich noch mehr sagen? Du kanst dein eignes Leben nicht besser sicher
stellen, als wenn du Glosters Tod rächest.
Gaunt. Diese Sache ist Gottes Sache; denn Gottes Substitut, sein
gesalbter Statthalter, hat seinen Tod verursacht; geschah es
unrechtmäßig, so überlaßt Gott die Rache; ich werde niemals einen
feindseligen Arm gegen seinen Diener aufheben.
Herzogin. Gegen wen, ach! gegen wen mag ich dann, ich Unglükselige,
über mein Unrecht mich beklagen?
Gaunt. Gegen den Himmel, den Beschüzer der Wittwe.
Herzogin. Nun dann, so will ich; lebe wohl, alter Gaunt, lebe wohl. Du
gehst nach Coventry, ein Zuschauer des Kampfs zwischen unserm
Bruder Herford und dem lasterhaften Mowbray zu seyn. O, Himmel,
lege meines Gemals erlidtnes Unrecht auf Herfords Speer, damit er des
mördrischen Mowbrays Brust durchbohre; oder wenn unglüklicher
Weise sein Speer ihn verfehlt, o! so laß Mowbrays Verbrechen so
schwer in seinem Busen werden, daß es seinem schäumenden Rosse
den Naken breche, und der Reuter, so lang er ist, in die Schranken falle,

ein dem Tod verfluchtes Opfer, wiewol unwürdig von Herfords edler
Hand zu sterben. Lebe wohl, alter Gaunt; die Unglükliche, die einst
deines Bruders Weib war, hat nun keinen andern Gespielen als einen
Jammer, der nur mit ihrem Leben enden kan.
Gaunt. Schwester, lebet wohl; ich muß nach Coventry.
Herzogin. Nur noch ein Wort; der Schmerz wird nie fertig; empfiehl
mich meinem Bruder Edmund von York; sieh', das ist alles--Nein, geh'
noch nicht--Ob diß gleich alles ist, so geh' nicht so schnell, es wird mir
noch mehr beyfallen. Sag' ihm--O was? Sag' ihm, er solle mich, so bald
als möglich, zu Plaschie besuchen. Aber, ach, was wird der gute alte
York dort sehen, als leere Gemächer und öde Wände, unbevölkerte
Nebenzimmer und unbetretne Steine? Was für einen andern Willkomm
wird er hören, als meine Klagen? Sag' ihm also--Nein, laß ihn nicht
hinkommen. Was kan sein Mitleiden mir helfen. Auf allen Seiten
trostlos, will ich geh'n und sterben; diß lezte Lebewohl nimmt mein
weinendes Auge von dir!
(Sie gehen ab.)

Vierte Scene. (Die Schranken zu Coventry.) (Der Lord Marschall, und
der Herzog von Aumerle treten auf.)
Marschall. Milord Aumerle, ist Harry Herford bewaffnet?
Aumerle. Ja, vom Fuß bis zum Kopf, und wartet ungeduldig
hereingelassen zu werden.
Marschall. Auch der Herzog von Norfolk wartet voll ungeduldigen
Feuers auf die Trompete des Appellanten.
Aumerle. Die Kämpfer sind also gerüstet, und erwarten nur die
Ankunft seiner Majestät.
(Die Trompeten erschallen; und der König erscheint mit seinen Edeln;
nachdem sie sich gesezt haben, tritt der Herzog von Norfolk, als
Appellat, in voller Rüstung auf.)

König Richard. Marschall, erforsche von jenem Ritter die Ursache,
warum er hier in Waffen erscheint; frag' ihn nach seinem Namen, und
lege ihm den gesezmäßigen Eid zu schwören auf.
Marschall. In Gottes und des Königs Namen, sage wer bist, und warum
erscheinst du hier in dieser ritterlichen Rüstung? Gegen wen kommst

du, und was ist deine Sache? Antworte bey deiner ritterlichen Ehre, und
auf deinen Eid, und so beschüze dich der Himmel und deine
Tapferkeit!
Mowbray. Mein Nam' ist Thomas Mowbray, Herzog von Norfolk, und
ich erscheine hier bey meinem Wort, das einem Ritter unverlezlich
heilig seyn soll, beydes meine Treue und ritterliche Ehre zu Gott,
meinem König und meinen Nachkommen, wider den Herzog von
Hereford, meinen Ankläger, zu behaupten, und mit Gottes Gnade und
der Stärke meines Arms ihm durch meine Vertheidigung zu beweisen,
daß er ein Verräther gegen Gott, meinen König und mich ist; und so
wie ich für eine
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