Kritik des Herzens | Page 5

Wilhelm Busch
wieder wäre;
Das
mit dem Darwin wär gar zu dumm
Und wider die menschliche Ehre.
Sie tranken manchen Humpen aus,
Sie stolperten aus den Thüren,

Sie grunzten vernehmlich und kamen zu Haus
Gekrochen auf allen
Vieren.
Ach, ich fühl es! Keine Tugend
Ist so recht nach meinem Sinn;

Stets befind ich mich am wohlsten,
Wenn ich damit fertig bin.
Dahingegen so ein Laster,
Ja, das macht mir viel Pläsir;
Und ich
hab die hübschen Sachen
Lieber vor als hinter mir.
Das Bild des Manns in nackter Jugendkraft,
So stolz in Ruhe und
bewegt so edel,
Wohl ist's ein Anblick, der Bewundrung schafft;

Drum Licht herbei! Und merke dir's, o Schädel!
Jedoch ein Weib, ein unverhülltes Weib --
Da wird dir's doch ganz
anders, alter Junge.
Bewundrung zieht sich durch den ganzen Leib

Und greift mit Wonneschreck an Herz und Lunge.
Und plötzlich jagt das losgelassne Blut
Durch alle Gassen, wie der

Feuerreiter.
Der ganze Kerl ist Eine helle Gluth;
Er sieht nichts
mehr und tappt nur noch so weiter.
Ich sah dich gern im Sonnenschein,
Wenn laut die Vöglein sangen,

Wenn durch die Wangen und Lippen dein
Rosig die Strahlen
drangen.
Ich sah dich auch gern im Mondenlicht
Beim Dufte der Jasminen,

Wenn mir dein freundlich Angesicht
So silberbleich erschienen.
Doch, Mädchen, gern hätt ich dich auch,
Wenn ich dich gar nicht
sähe,
Und fühlte nur deines Mundes Hauch
In himmlisch warmer
Nähe.
Wenn ich dereinst ganz alt und schwach,
Und 's ist mal ein milder
Sommertag,
So hink ich wohl aus dem kleinen Haus
Bis unter den
Lindenbaum hinaus.
Da setz ich mich denn im Sonnenschein

Einsam und still auf die Bank von Stein,
Denk an vergangene Zeiten
zurücke
Und schreibe mit meiner alten Krücke
Und mit der alten
zitternden Hand
[Illustration: Bertha]
So vor mir in den Sand.
Ich weiß noch, wie er in der Juppe
Als rauhbehaarte Bärenpuppe

Vor seinem vollen Humpen saß
Und hoch und heilig sich vermaß,

Nichts ginge über rechten Durst,
Und Lieb und Ehr wär gänzlich
Wurst.
Darauf verging nicht lange Zeit,
Da sah ich ihn voll
Seligkeit,
Gar schön gebürstet und gekämmt,
Im neuen Frack und
reinen Hemd,
Aus Sanct Micheli Kirche kommen,
Allwo er sich ein
Weib genommen.
Nun ist auch wohl, so wie mir scheint,
Die Zeit
nicht ferne, wo er meint,
Daß so ein kleines Endchen Ehr
Im
Knopfloch gar nicht übel wär.
Sahst du das wunderbare Bild von Brouwer?
Es zieht dich an wie ein
Magnet.
Du lächelst wohl, derweil ein Schreckensschauer
Durch
deine Wirbelsäule geht.

Ein kühler Doctor öffnet einem Manne
Die Schwäre hinten im
Genick;
Daneben steht ein Weib mit einer Kanne,
Vertieft in dieses
Mißgeschick.
Ja, alter Freund, wir haben unsre Schwäre
Meist hinten. Und voll
Seelenruh
Drückt sie ein andrer auf. Es rinnt die Zähre
Und fremde
Leute sehen zu.
Sie hat nichts und du desgleichen;
Dennoch wollt ihr, wie ich sehe,

Zu dem Bund der heil'gen Ehe
Euch bereits die Hände reichen.
Kinder, seid ihr denn bei Sinnen?
Ueberlegt euch das Kapitel!
Ohne
die gehör'gen Mittel
Soll man keinen Krieg beginnen.
Denkst du dieses alte Spiel
Immer wieder aufzuführen?
Willst du
denn mein Mitgefühl
Stets durch Thränen ausprobiren?
Oder möchtest du vielleicht
Mir des Tanzes Lust versalzen?
Früher
hast du's oft erreicht;
Heute werd' ich weiter walzen.
Der alte Junge ist gottlob
Noch immer äußerst rührig:
Er läßt nicht
nach, er thut als ob,
Wenn schon die Sache schwierig.
Wie wonnig trägt er Bart und Haar,
Wie blinkt der enge Stiefel.

Und bei den Damen ist er gar
Ein rechter böser Schliefel.
Beschließt er dann des Tages Lauf,
So darf er sich verpusten,
Setzt
seine Zipfelkappe auf
Und muß ganz schrecklich husten.
Also hat es dir gefallen
Hier in dieser schönen Welt;
So daß das
Vondannenwallen
Dir nicht sonderlich gefällt.
Laß dich das doch nicht verdrießen.
Wenn du wirklich willst und
meinst,
Wirst du wieder aufersprießen;
Nur nicht ganz genau wie
einst.

Aber, Alter, das bedenke,
Daß es hier doch manches gibt,
Zum
Exempel Gicht und Ränke,
Was im Ganzen unbeliebt.
Du warst noch so ein kleines Mädchen
Von acht, neun Jahren
ungefähr,
Da fragtest du mich vertraut und wichtig:
Wo kommen
die kleinen Kinder her?
Als ich nach Jahren dich besuchte,
Da warst du schon über den Fall
belehrt,
Du hattest die alte vertrauliche Frage
Hübsch praktisch
gelöst und aufgeklärt.
Und wieder ist die Zeit vergangen.
Hohl ist der Zahn und ernst der
Sinn.
Nun kommt die zweite wichtige Frage:
Wo gehen die alten
Leute hin?
Madam, ich habe mal vernommen,
Ich weiß nicht mehr so recht von
wem:
Die praktische Lösung dieser Frage
Sei eigentlich recht
unbequem.
Er war ein grundgescheiter Mann,
Sehr weise und hoch erfahren;
Er
trug ein graumelirtes Haar,
Dieweil er schon ziemlich bei Jahren.
Er war ein abgesagter Feind
Des Lachens und des Scherzens
Und
war doch der größte Narr am Hof
Der Königin seines Herzens.
Hoch verehr ich ohne Frage
Dieses gute Frauenzimmer.
Seit dem
segensreichen Tage,
Da ich sie zuerst erblickt,
Hat mich immer
hoch entzückt
Ihre rosenfrische Jugend,
Ihre Sittsamkeit und
Tugend
Und die herrlichen Talente.
Aber dennoch denk ich immer,

Daß es auch nicht schaden könnte,
Wäre sie ein Bissel schlimmer.
Es hatt' ein Müller eine Mühl
An einem Wasser kühle;
Da kamen
hübscher Mädchen viel
Zu mahlen in der Mühle.
Ein armes Mädel war darunt,
Zählt sechzehn Jahre eben;
Allwo es

ging, allwo es stund,
Der Müller stund daneben.
Er schenkt ein Ringlein ihr von Gold,
Daß er in allen Ehren
Sie
ewig immer lieben wollt;
Da ließ sie sich bethören.
Der Müller, er war falsch von Sinn:
»Wenn ich mich thu vermählen,

So will ich mir als
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