Kritik des Herzens | Page 6

Wilhelm Busch
Müllerin
Wohl eine Reiche wählen.«
Da 's arme Mädel das vernahm,
Wird's blaß und immer blasser
Und
redt nit mehr und ging und kam
Und sprang in's tiefe Wasser. --
Der Müller kümmert sich nicht viel,
Thät Hochzeitleut bestellen

Und führt mit Sang und Saitenspiel
'ne Andre zur Kapellen.
Doch als man auf die Brücke kam,
Fängts Wasser an zu wogen
Und
zischt und rauscht verwundersam
Herauf bis an den Bogen.
Die weiße Wassernixe stand
Auf schaumgekrönter Welle;
Sie hält
in ihrer weißen Hand
Von Gold ein Ringlein helle.
Du Falscher, deine Zeit ist aus!
Bereite dich geschwinde!
Dich ruft
hinab in's kalte Haus
Die Mutter mit dem Kinde.
Wärst du ein Bächlein, ich ein Bach,
So eilt ich dir geschwinde nach.

Und wenn ich dich gefunden hätt'
In deinem Blumenuferbett:

Wie wollt ich mich in dich ergießen
Und ganz mit dir
zusammenfließen,
Du vielgeliebtes Mädchen du!
Dann strömten
wir bei Nacht und Tage
Vereint in süßem Wellenschlage
Dem
Meere zu.
Mein kleinster Fehler ist der Neid.
Aufrichtigkeit, Bescheidenheit,

Dienstfertigkeit und Frömmigkeit,
Obschon es herrlich schöne Gaben,

Die gönn' ich Allen, die sie haben.
Nur wenn ich sehe, daß der
Schlechte
Das kriegt, was ich gern selber möchte;
Nur wenn ich
leider in der Nähe
So viele böse Menschen sehe,
Und wenn ich

dann so oft bemerke,
Wie sie durch sittenlose Werke
Den
lasterhaften Leib ergötzen,
Das freilich thut mich tief verletzen.

Sonst, wie gesagt, bin ich hienieden
Gottlobunddank so recht
zufrieden.
Strebst du nach des Himmels Freude
Und du weißt's nicht anzufassen,

Sieh nur, was die andern Leute
Mit Vergnügen liegen lassen.
Dicke Steine, altes Eisen
Und mit Sand gefüllte Säcke
Sind den
Meisten, welche reisen,
Ein entbehrliches Gepäcke.
Laß sie laufen, laß sie rennen;
Nimm, was bleibt, zu deinem Theile.

Nur, was sie dir herzlich gönnen,
Dient zu deinem ew'gen Heile.
Wenn mir mal ein Malheur passirt,
Ich weiß, so bist du sehr gerührt,

Du denkst, es wäre doch fatal,
Passirte dir das auch einmal.
Doch
weil das böse Schmerzensding
Zum Glück an dir vorüber ging,
So
ist die Sache anderseits
Für dich nicht ohne allen Reiz.
Du merkst,
daß die Bedaurerei
So eine Art von Wonne sei.
Als er noch krause Locken trug,
War alles ihm zu dumm,
Stolzirt
daher und trank und schlug
Sich mit den Leuten herum.
Die hübschen Weiber schienen ihm
Ein recht beliebtes Spiel;
An
Seraphim und Cherubim
Glaubt er nicht sonderlich viel.
Jetzt glaubt er, was der Pater glaubt,
Blickt nur noch niederwärts,

Hat etwas Haar am Hinterhaupt
Und ein verprömmeltes Herz.
Gestern war in meiner Mütze
Mir mal wieder was nicht recht;
Die
Natur schien mir nichts nütze
Und der Mensch erbärmlich schlecht.
Meine Ehgemahlin hab ich
Ganz gehörig angeplärrt,
Drauf aus
purem Zorn begab ich
Mich in's Symphoniekonzert.

Doch auch dies war nicht so labend,
Wie ich eigentlich gedacht,

Weil man da den ganzen Abend
Wieder mal Musik gemacht.
Gerne wollt ihr Gutes gönnen
Unserm Goethe, unserm Schiller,

Nur nicht Meier oder Müller,
Die noch selber lieben können.
Denn durch eure Männerleiber
Geht ein Concurrenzgetriebe;
Sei es
Ehre, sei es Liebe;
Doch dahinter stecken Weiber.
Wie schad, daß ich kein Pfaffe bin.
Das wäre so mein Fach.
Ich
bummelte durch's Leben hin
Und dächt' nicht weiter nach.
Mich plagte nicht des Grübelns Qual,
Der dumme Seelenzwist,
Ich
wüßte ein für allemal,
Was an der Sache ist.
Und weil mich denn kein Teufel stört,
So schlief ich recht gesund,

Und wohlgenährt und hochverehrt
Und würde kugelrund.
Käm dann die böse Fastenzeit,
So wär ich fest dabei,
Bis ich mich
elend abkasteit
Mit Lachs und Hühnerei.
Und dich, du süßes Mägdelein,
Das gern zur Beichte geht,
Dich
nähm ich dann so ganz allein
Gehörig in's Gebet.
Sie war ein Blümlein hübsch und fein,
Hell aufgeblüht im
Sonnenschein.
Er war ein junger Schmetterling,
Der selig an der
Blume hing.
Oft kam ein Bienlein mit Gebrumm
Und nascht und
säuselt da herum.
Oft kroch ein Käfer kribbelkrab
Am hübschen
Blümlein auf und ab.
Ach Gott, wie das dem Schmetterling
So
schmerzlich durch die Seele ging.
Doch was am meisten ihn entsetzt,

Das Allerschlimmste kam zuletzt.
Ein alter Esel fraß die ganze

Von ihm so heiß geliebte Pflanze.
Ich saß vergnüglich bei dem Wein
Und schenkte eben wieder ein.

Auf einmal fuhr mir in die Zeh
Ein sonderbar pikantes Weh.

Ich

schob mein Glas sogleich beiseit
Und hinkte in die Einsamkeit
Und
wußte, was ich nicht gewußt;
Der Schmerz ist Herr und Sklavin ist
die Lust.
Wärst du wirklich so ein rechter
Und wahrhaftiger Asket,
So ein
Welt- und Kostverächter,
Der bis an die Wurzel geht;
Dem des Goldes freundlich Blinken,
Dem die Liebe eine Last,
Der
das Essen und das Trinken,
Der des Ruhmes Kränze haßt.
Das Gekratze und Gejucke,
Aller Jammer hörte auf;
Kracks! mit
einem einz'gen Rucke
Hemmtest du den Weltenlauf.
Du hast das schöne Paradies verlassen,
Tratst ein in dieses
Labyrinthes Gassen,
Verlockt von lieblich winkenden Gestalten,

Die Schale dir und Kranz entgegenhalten;
Und unaufhaltsam ziehts
dich weit und weiter.
Wohl ist ein leises Ahnen dein Begleiter,
Ein
heimlich Graun, daß diese süßen Freuden
Dich Schritt um Schritt von
deiner Heimat scheiden,
Daß Irren Sünde, Heimweh dein Gewissen;

Doch ach umsonst! Der Faden ist zerrissen.
Hohläugig faßt der
Schmerz dich an und warnt,
Du willst zurück, die Seele ist umgarnt.

Vergebens steht ob deinem Haupt der Stern.
Einsam, gefangen,
von der Heimath fern,
Ein Sklave, starrst du in des Stromes Lauf

Und hängst an Weiden deine Harfe auf.
Nun fährst du wohl empor,
wenn so zu Zeiten
Im stillen Mondeslichte durch die Saiten
Ein
leises wehmutsvolles Klagen geht
Von einem Hauch, der aus der
Heimath weht.
Seid mir nur nicht gar zu traurig,
Daß die schöne Zeit entflieht,
Daß
die
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