Kritik des Herzens | Page 4

Wilhelm Busch
junge Knospe schwoll,
Bis
es eine Rose wurde,
Dunkelroth und wundervoll.

Alle Rosen haben Dornen,
Diese Rose hat sie nicht,
Hat nur so ein
Büschel Haare,
Welches keinen Menschen sticht.
Ihrem Kelch entströmen süße
Wohlgerüche, mit Verlaub:
Aus der
wohlbekannten Dose
Schöpft sie ihren Blüthenstaub.
Oft an einem frischen Morgen
Zeigt sie uns ein duftig Blau,
Und an
ihrem Herzensblatte
Blinkt ein Tröpflein Perlenthau.
Wenn die andern Blumen welken,
Wenn's im Winter rauh und kalt,

Dann hat diese Wunderrose
Erst die rechte Wohlgestalt.
Drum zu ihrem Preis und Ruhme
Singen wir dies schöne Lied.

Vivat Onkel Kaspers Nase,
Die zu allen Zeiten blüht!
Früher, da ich unerfahren
Und bescheidner war als heute,
Hatten
meine höchste Achtung
Andre Leute.
Später traf ich auf der Weide
Außer mir noch mehre Kälber,
Und
nun schätz ich, so zu sagen,
Erst mich selber.
Es saß in meiner Knabenzeit
Ein Fräulein jung und frisch
Im
ausgeschnittnen grünen Kleid
Mir _vis-à-vis_ bei Tisch.
Und wie's denn so mit Kindern geht,
Sehr frömmig sind sie nie,

Ach, dacht ich oft beim Tischgebet,
Wie schön ist doch Marie!
Die Tante winkt, die Tante lacht:
He, Fritz, komm mal herein!
Sieh,
welch ein hübsches Brüderlein
Der gute Storch in letzter Nacht

Ganz heimlich der Mamma gebracht.
Ei ja, das wird dich freun!

Der Fritz der sagte kurz und grob:
Ich hol 'n dicken Stein
Und
schmeiß ihn an den Kopp!
Es sprach der Fritz zu dem Papa:
Was sie nur wieder hat?
Noch
gestern sagte mir Mamma:
Du fährst mit in die Stadt.

Ich hatte mich schon so gefreut
Und war so voll Pläsir.
Nun soll ich
doch nicht mit, denn heut
Da heißt es: Fritz bleibt hier!
Der Vater saß im Sorgensitz.
Er sagte ernst und still:
Trau Langhals
nicht, mein lieber Fritz,
Der hustet, wann er will!
Was soll ich nur von eurer Liebe glauben?
Was kriecht ihr immer so
in dunkle Lauben?
Wozu das ewge Flüstern und Gemunkel?
Das
scheinen höchst verdächtige Geschichten.
Und selbst die besten
ehelichen Pflichten,
Von allem Thun die schönste Thätigkeit,
In
Tempeln von des Priesters Hand geweiht,
Ihr hüllt sie in ein
schuldbewußtes Dunkel.
Du willst sie nie und nie mehr wiedersehen?
Besinne dich, mein Herz,
noch ist es Zeit.
Sie war so lieb. Verzeih, was auch geschehen.

Sonst nimmt dich wohl beim Wort die Ewigkeit
Und zwingt dich mit
Gewalt zum Weitergehen
In's öde Reich der Allvergessenheit.
Du
rufst und rufst; vergebens sind die Worte;
In's feste Schloß
dumpfdröhnend schlägt die Pforte.
Ich hab in einem alten Buch gelesen
Von einem Jüngling, welcher
schlimm gewesen.
Er streut sein Hab und Gut in alle Winde.
Von
Lust zu Lüsten und von Sünd zu Sünde,
In tollem Drang, in
schrankenlosem Streben
Spornt er sein Roß hinein in's wilde Leben,

Bis ihn ein jäher Sturz vom Felsenrand
Dahingestreckt in Sand und
Sonnenbrand,
Daß Ströme Bluts aus seinem Munde dringen
Und
jede Hoffnung fast erloschen ist.
Ich aber hoffe -- sagt hier der
Chronist --
Die Gnade leiht dem Jüngling ihre Schwingen.
Im selben Buche hab ich auch gelesen
Von einem Manne, der honett
gewesen.
Es war ein Mann, den die Gemeinde ehrte,
Der so von
sechs bis acht sein Schöppchen leerte,
Der aus Princip nie Einem
etwas borgte,
Der emsig nur für Frau und Kinder sorgte;
Dazu ein
proprer Mann, der nie geflucht,

Der seine Kirche musterhaft besucht.


Kurzum, er hielt sein Röss'lein stramm im Zügel
Und war, wie
man so sagt, ein guter Christ.
Ich fürchte nur -- bemerkt hier der
Chronist --
Dem Biedermanne wachsen keine Flügel.
Zwischen diesen zwei gescheidten
Mädchen, Anna und Dorette,
Ist
zu allen Tageszeiten
Doch ein ewiges Gekrette.
Noch dazu um Kleinigkeiten --
Gestern gingen sie zu Bette,
Und sie
fingen an zu streiten,
Wer die dicksten Waden hätte.
Es flog einmal ein muntres Fliegel
Zu einem vollen Honigtiegel.
Da
tunkt es mit Zufriedenheit
Den Rüssel in die Süßigkeit.
Nachdem es
dann genug geschleckt,
Hat es die Flüglein ausgereckt
Und möchte
sich nach oben schwingen.
Allein das Bein im Honigseim
Sitzt fest
als wie in Vogelleim.
Nun fängt das Fliegel an zu singen:
Ach
lieber Himmel, mach mich frei
Aus dieser süßen Sklaverei.
Ein Freund von mir, der dieses sah,
Der seufzte tief und rief: Ja ja!
Die Liebe war nicht geringe.
Sie wurden ordentlich blaß;
Sie sagten
sich tausend Dinge
Und wußten noch immer was.
Sie mußten sich lange quälen,
Doch schließlich kam's dazu,
Daß sie
sich konnten vermählen.
Jetzt haben die Seelen Ruh.
Bei eines Strumpfes Bereitung
Sitzt sie im Morgenhabit;
Er liest in
der Kölnischen Zeitung
Und theilt ihr das Nöthige mit.
Selig sind die Auserwählten,
Die sich liebten und vermählten;
Denn
sie tragen hübsche Früchte.
Und so wuchert die Geschichte

Sichtbarlich von Ort zu Ort.
Doch die braven Junggesellen,

Jungfern ohne Ehestellen,
Welche ohne Leibeserben
So als
Blattgewächse sterben,

Pflanzen sich durch Knollen fort.
Es saß ein Fuchs im Walde tief.
Da schrieb ihm der Bauer einen Brief:


So und so, und er sollte nur kommen,
's wär alles verziehn, was
übel genommen.
Der Hahn, die Hühner und Gänse ließen
Ihn alle
zusammen auch vielmals grüßen.
Und wann ihn denn erwarten sollte

Sein guter, treuer Krischan Bolte.
Drauf schrieb der Fuchs mit
Gänseblut:
Kann nicht gut.
Meine Alte mal wieder
Gekommen
nieder!
Im Uebrigen von ganzer Seele
Dein Fuchs in der Höhle.
Gott ja, was gibt es doch für Narren!
Ein Bauer schneidet sich 'n
Knarren
Vom trocknen Brod und kaut und kaut.
Dabei hat er
hinaufgeschaut
Nach einer Wurst, die still und heiter
Im Rauche
schwebt, dicht bei der Leiter.
Er denkt mit heimlichem Vergnügen:

Wenn ick man woll, ick könn di kriegen!
Sie stritten sich beim Wein herum,
Was das nun
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