Mutter, daß ich mich als Freiwilliger gemeldet habe."
Wieder stand die Mutter vor Schrecken still: "Philipp, du mit deinen
siebzehn Jahren!"
"Mit siebzehn wird man angenommen. Mutter, du warst nicht da und
der Vater nicht, da habe ich nicht lange fragen können. Ich habe mich
gemeldet, gleich wie ich hier angekommen bin. Und, Mutter, denke nur,
ich sei der erste, der sich hier gemeldet hat als Freiwilliger, sagte der
Kommandeur. Er war sehr freundlich, es hat ihn sichtlich gefreut."
"Aber er muß doch nach der Eltern Erlaubnis gefragt haben?"
"Freilich, das hat er getan. Ich habe gesagt: Der Vater ist in Paris, die
Mutter in Österreich, da kann ich natürlich nicht warten, bis sie
heimkommen. Ich bringe aber den Erlaubnisschein, sobald sie da sind.
Das war ihm recht. Dann fragte er nach dem ärztlichen Zeugnis. Das
habe ich mir auch einstweilen verschafft. Auch einen Kriegskoffer, wie
man ihn so braucht, habe ich gekauft. Ich habe nicht mehr warten
können, sie gehen reißend ab, sind schon kaum mehr zu haben."
"Aber Philipp, alles ohne unsere Zustimmung!"
Bei diesem Vorwurf traten aber beide Geschwister auf einmal für den
Bruder ein. "Er hat doch geschrieben, wir haben nur keine Briefe mehr
bekommen!"
Philipp aber griff nach der Mutter Hand, seine Worte klangen jetzt
ruhiger, ernster, als es sonst seine Art gewesen: "Mutter, es ist eben
Krieg! Und was für ein Krieg! Da leidet es keinen zu Haus, der
kämpfen kann. Der Vater wird's begreifen, Ludwig auch!"
"Ich auch," "und ich," riefen die Geschwister. Die Mutter schwieg
einen Augenblick, dann sagte sie nachdenklich: "Die Engländer
auch--eine Welt von Feinden! Philipp, ich will dich nicht
zurückhalten!"
* * * * *
Eine Weile später saßen sie beisammen am gedeckten Tisch. Die
Mutter sah Philipp nach, der hin und her ging und für die erschöpften
Reisenden in liebevollster Weise sorgte. Ihr Philipp, ihr unnützer
Schlingel; nein, ihr Philipp, der künftige Soldat, der sein Leben geben
wollte fürs Vaterland; der zum Mann wurde durch den Krieg!
Der 4. August
Die Mutter und ich sind schon seit drei Wochen auf dem Landgut der
Großeltern. Der Vater hat uns hieher begleitet, mußte aber gleich
wieder abreisen. Wir sollen wegen der Mutter Gesundheit über die
ganzen Ferien hier bleiben.
Es ist herrlich hier bei den Großeltern. Die Großmutter hat mir ein
reizendes Mädchenstübchen eingerichtet und der Großvater, der im
siebziger Krieg als Offizier dabei war, erzählt uns viel und kann alle
Kriegsnachrichten fein erklären. Aber noch lieber hätten die Mutter und
ich doch diese Kriegszeit mit dem Vater erlebt und darum waren wir
ganz überglücklich, als er uns neulich telegraphierte, er würde uns auf
der Heimreise von Berlin besuchen. Heute ist er wieder abgereist, aber
wir sind noch ganz erfüllt von seinem Besuch und ich will mir alles
ausschreiben, was er uns erzählt hat; ich möchte garnichts davon
vergessen; denn ich bin stolz und glücklich, daß der Vater so Großes
miterlebt hat, und während er uns erzählte, kamen mir vor Begeisterung
fast Tränen.
Der Vater kam also von Berlin; denn der Reichstag war wegen des
Krieges zu einer außergewöhnlichen, ganz kurzen Tagung einberufen.
Schon das Wiedersehen mit all den Reichstagsabgeordneten muß ganz
anders gewesen sein als in gewöhnlichen Zeiten. Der Vater sagt, jedem
habe man angesehen, daß er die Wichtigkeit dieser Tage empfinde. Fast
vollzählig waren sie da, aber doch nicht ganz, weil einige schon zu
ihrem Regiment einberufen waren.
Um ein Uhr, glaube ich, war die feierliche Eröffnung im Weißen Saal
des königlichen Schlosses. Der Reichskanzler, die Mitglieder vom
Bundesrat, Generale und andere Offiziere und die
Reichstagsabgeordneten versammelten sich. Die Kaiserin, die
Kronprinzessin und die Prinzessin Eitel Friedrich saßen in der Hofloge.
Das war, glaube ich, alles nicht viel anders, als es jedesmal bei der
Eröffnung des Reichstags ist. Aber das war dann anders, und der Vater
sagt, das mahnte gleich so ernst an den Krieg, daß der Kaiser in der
grauen, feldmarschmäßigen Uniform erschien und auch der Kronprinz
und die fünf andern Prinzen, alle in Felduniform. Der Kaiser schritt die
Stufen des Thrones hinauf, bedeckte sein Haupt mit dem Helm und las
die Thronrede, laut, mit tief bewegter Stimme. Er rief die Welt zum
Zeugen auf, daß wir durch Jahrzehnte unermüdlich bestrebt waren, den
Frieden zu erhalten und daß nur mit schwerem Herzen der Befehl zu
mobilisieren ergangen sei. Dann sprach er von unserer Bundestreue
gegen Österreich und von der Feindschaft im Osten und Westen, und
der Vater sagt, man fühlte bei dem begeisterten, stürmischen Beifall,
wie sehr er all den Anwesenden aus dem Herzen kam. Am Schluß bat
der Kaiser, der Reichstag möchte doch einmütig und schnell die
nötigen Beschlüsse fassen.
Nach dem Vorlesen der Thronrede geschah etwas ganz
Ungewöhnliches: der Kaiser sprach noch frei einige persönliche Worte.
Davon habe ich mir das gemerkt, was mir besonders gut gefiel, er sagte:
"Ich kenne keine Parteien mehr, ich kenne nur
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