Kontrovers-Predigt Ãuber H. Clauren und den Mann im Mond | Page 7

Wilhelm Hauff
Sehet, das versteht Ihr nicht recht; in den Kochbüchern wird nur beschrieben, wie etwas gekocht wird; aber ganz anders im Vergi?meinnicht; da kann man lesen, wie es schmeckt. Clauren ist nicht nur Mundkoch und Vorschneider, sondern er kaut auch jede Schüssel vor und erz?hlt: so schmeckte es; und wie natürlich ist es, wenn er oft beschreibt, wie diesem die Sauce über den Bart herabgetr?ufelt sei, oder wie jener vor Vergnügen über die Trüffelpastete die Augen geschlossen! überdies hat man dabei den herrlichsten Flaschenkeller gleich bei der Hand, und wenn ich das Glas mit Dünnbier zum Munde führe, schiebt er mir immer im Geiste Trimadera, Bordeaux oder Champagner unter."
So sprach der junge Mann und ging weiter, um auf sein gro?es Claurensches Traktement der Verdauung wegen zu promenieren.
Was ist Rumford gegen einen solchen Mann? sprach ich zu mir. Jener bereitet aus alten Knochen kr?ftige Suppen für Arme und Kranke; ist aber hier nicht mehr als Rumford und andere? Speist und tr?nkt er nicht durch eine einzige Auflage des "Vergi?meinnicht" fünftausend Mann? Wenn nur die Phantasie des gemeinen Mannes etwas h?her ginge, wie wohlfeil k?nnte man Spit?ler, ja sogar Armeen verproviantieren! Der Spitalvater oder der respektive Leutnant n?hme das "Vergi?meinnicht" zur Hand, lie?e seine Kompanie Hungernder antreten, lie?e sie trockenes Kommisbrot speisen und würde ihnen einige Tafelseiten aus Clauren vorlesen.
Doch von solchen Torheiten sollte man nicht im Scherz sprechen; sie verdienen es nicht; denn wahrer, bitterer Ernst ist es, da? solche Niedertr?chtigkeit, solche Wirtshauspoesie, solche Dichtungen _à la carte_, wenn sie ungerügt jede Messe wiederkehren dürfen, wenn man den gebildeten P?bel in seinem Wahn l??t, als w?re dies das Manna, so in der Wüste vom Himmel f?llt, die Würde unserer Literatur vor uns selbst und dem Auslande, vor Mit- und Nachwelt sch?nden!
Doch ich komme, meine verehrten Zuh?rer, noch auf einen andern Punkt, den man weniger Ingredienz oder Zutat, sondern Sauce piquante nennen k?nnte; das ist die Sprache. Man wirft nicht mit Unrecht den Schwaben und Schweizern vor, da? sie nicht sprechen, wie sie schreiben; aber wahrhaftig, es gereicht H. Clauren zu noch gr??erem Vorwurf, da? er so gemein schreibt, wie er gemein und unedel zu sprechen und zu denken scheint. Man hat in neuerer Zeit manches verschrobene und verschr?nkte Deutsch lesen müssen; waren es Wendungen aus dem fünfzehnten Jahrhundert, waren es S?tze aus einer spanischen Novelle, es wollte sich in unserer reichen, herrlichen Sprache nicht recht schicken. Ohrzerrei?end waren auch die Kompositionen, die Vo? nach Analogie Homer's vornahm; aber man kann M?nner dieser Art h?chstens wegen ihres schlechten Geschmacks bedauern, anklagen niemals; denn es lag dennoch ein sch?ner Zweck ihrem wunderlichen Handhaben der Sprache zugrunde. Was soll man aber von der geflissentlichen Gemeinheit sagen, womit der Erfinder der Mimilismanier seine Produkte einkleidet! K?nig Salomo, wenn er noch lebte, würde diesen Menschen mit einem Freudenm?dchen vergleichen. Sie geht einher im Halbdunkel, angetan mit k?stlichen Kleidern, mit allerlei Flimmer und Federputz auf dem Haupte. Du redest sie an mit Ehrfurcht; denn du verehrst in ihr eine wohlerzogene Frau aus gutem Hause; aber sie antwortet dir mit wieherndem Gel?chter, sie gesteht, sie müsse lachen, da? "_sie der Bock st??t_"; sie spricht in Worten, wie man sie nur in Schenken und auf blauen Montagst?nzen h?ren konnte; sie enthüllt sich, ohne zu err?ten, vor deinen Augen und spricht Zoten und Z?tchen dazu. Wehe deinem Geschmack, wehe dir selbst und deinem sittlichen Wert, wenn dir nicht klar wird, da? die, welche du für eine anst?ndige Frau gehalten, eine feile Dirne ist, bestimmt zum niedrigsten Vergnügen einer verworfenen Klasse!
Wozu ein langes Verzeichnis dieser Sprachsünden hieher setzen, da ja das Buch, über welches wir sprechen, der "Mann im Monde", ein lebendiges Verzeichnis, ein vollst?ndiger Katalog seiner Worte, Wendungen, Farben und Bilder ist? Es ist die Sauce, womit er seine widerlichen Frikasseen anfeuchtet, und je mehr er ihr jenen echten Wildbretgeschmack zu geben wei?, der schon auf einer Art von F?ulnis und Moder beruht, desto mehr sagt sie dem verw?hnten Gaumen seines Publikums zu.
Noch ist endlich ein Zut?tchen und Ingredienzchen anzuführen, das er aber selten anwendet, vielleicht weil er wei?, wie l?cherlich er sich dabei ausnimmt; ich meine jene rührenden, erbaulichen Redensarten, die als auf ein frommes Gemüt, auf christlichen Trost und Hoffnung gebaut erscheinen sollen. Als uns der Fastnachtsball und das erbauliche Ende der Dame Magdalis unter die Augen kam, da gedachten wir jenes Sprichworts: "Junge H...n, alte Betschwestern"; wir glaubten, der gute Mann habe sich in der braunen Stube selbst bekehrt, sehe seine Sünden mit Zerknirschung ein und werde mit Pater Willibald selig entschlafen. Das Tornister-Lieschen, Vielliebchen und dergleichen überzeugten uns freilich eines andern, und wir sahen, da? er nur per anachronismum den Aschermittwoch vor der Fastnacht gefeiert hatte. Wie aber im Munde des Unheiligen selbst das Gebet zur Sünde wird, so geht es auch hier; er sch?ndet die Religion nicht weniger, als er sonst die Sittlichkeit sch?ndet, und diese
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