Knulp | Page 7

Herman Hesse
er konnte nie so zarte h��bsche H?nde haben und so leicht und schlank einhergehen. Nein, der Knulp hatte recht, wenn er so tat, wie sein Wesen es brauchte und wie es ihm nicht viele nachtun konnten, wenn er wie ein Kind alle Leute ansprach und f��r sich gewann, allen M?dchen und Frauen h��bsche Sachen sagte, und jeden Tag f��r einen Sonntag nahm. Man mu?te ihn laufen lassen, wie er war, und wenn es ihm schlecht ging und er einen Unterschlupf brauchte, so war es ein Vergn��gen und eine Ehre, ihn aufzunehmen, und man mu?te fast noch dankbar daf��r sein, denn er machte es froh und hell im Haus.
Indessen schritt sein Gast neugierig und vergn��gt durchs St?dtchen, pfiff einen Soldatenmarsch durch die Z?hne und begann ohne Eile die Orte und Menschen aufzusuchen, die er von fr��her her kannte. Zun?chst wandte er sich nach der steil ansteigenden Vorstadt, wo er einen armen Flickschneider kannte, um den es schade war, da? er nichts als alte Hosen zu stopfen und kaum jemals einen neuen Anzug zu machen bekam, denn er konnte etwas und hatte einmal Hoffnungen gehabt und in guten Werkst?tten gearbeitet. Aber er hatte fr��h geheiratet und schon ein paar Kinder, und die Frau hatte wenig Genie f��rs Hauswesen.
Diesen Schneider Schlotterbeck suchte und fand Knulp im dritten Stockwerk eines Hinterhauses in der Vorstadt. Die kleine Werkst?tte hing wie ein Vogelnest in den L��ften ��berm Bodenlosen, denn das Haus stand an der Talseite, und wenn man durch die Fenster senkrecht hinabschaute, hatte man nicht nur die drei Stockwerke unter sich, sondern unterm Hause floh der Berg mit k��mmerlichen steilen G?rten und Grashalden schwindelnd abw?rts, endigend in einem grauen Wirrwarr von Hinterhausvorspr��ngen, H��hnerh?fen, Ziegen- und Kaninchenst?llen, und die n?chsten Hausd?cher, auf die man hinabsah, lagen jenseits dieses verwahrlosten Gel?ndes schon tief und klein im Tale drunten. Daf��r war die Schneiderwerkstatt taghell und luftig, und auf seinem breiten Tisch am Fenster hockte der flei?ige Schlotterbeck hell und hoch ��ber der Welt wie der W?chter in einem Leuchtturm.
?Servus, Schlotterbeck,? sagte Knulp im Eintreten, und der Meister, vom Licht geblendet, sp?hte mit eingekniffenen Augen nach der T��re.
?Oha, der Knulp!? rief er aufleuchtend und streckte ihm die Hand entgegen. ?Auch wieder im Land? Und wo fehlt's denn, da? du zu mir herauf steigst??
Knulp zog einen dreibeinigen Stuhl heran und setzte sich nieder.
?Gib eine Nadel her und ein bi?chen Faden, aber braunen und vom feinsten, ich will Musterung halten.?
Damit zog er Rock und Weste aus, suchte sich einen Zwirn heraus, f?delte ein und ��berging mit wachsamen Augen seinen ganzen Anzug, der noch sehr gut und fast neu aussah und an dem er jede bl?de Stelle, jede lockere Litze, jeden halbwegs losen Knopf alsbald mit flei?igen Fingern wieder instand setzte.
?Und wie geht's sonst?? fragte Schlotterbeck. ?Die Jahreszeit ist nicht zu loben. Aber schlie?lich, wenn man gesund ist und keine Familie hat --?
Knulp r?usperte sich polemisch.
?Ja, ja,? sagte er l?ssig. ?Der Herr l??t regnen ��ber Gerechte und Ungerechte, und nur die Schneider sitzen trocken. Hast du immer noch zu klagen, Schlotterbeck??
?Ach, Knulp, ich will nichts sagen. Du h?rst ja die Kinder nebendran schreien. Es sind jetzt f��nf. Da sitzt man und schuftet bis in alle Nacht hinein, und nirgends will's reichen. Und du tust nichts als spazierengehen!?
?Fehlgeschossen, alter Kunde. Vier oder f��nf Wochen bin ich im Spital in Neustadt gelegen, und da behalten sie keinen l?nger, als er's bitter n?tig hat, und es bleibt auch keiner l?nger drin. Des Herrn Wege sind wunderbar, Freund Schlotterbeck.?
?Ach la? diese Spr��che, du!?
?Bist du denn nimmer fromm, he? Ich will es gerade auch werden, und darum bin ich zu dir gekommen. Wie steht's damit, alter Stubenhocker??
?La? mich in Ruh' mit der Fr?mmigkeit! Im Spital, sagst du? Da tust du mir aber leid.?
?Ist nicht n?tig, es ist vorbei. Und jetzt erz?hl einmal: wie ist's mit dem Buch Sirach und mit der Offenbarung? Wei?t du, im Spital hab ich Zeit gehabt, und eine Bibel war auch da, da hab ich fast alles gelesen und kann jetzt besser mitreden. Es ist ein kurioses Buch, die Bibel.?
?Da hast du recht. Kurios, und die H?lfte mu? verlogen sein, weil keins zum andern pa?t. Du verstehst's vielleicht besser, du bist ja einmal in die Lateinschule gegangen.?
?Davon ist mir wenig geblieben.?
?Siehst du, Knulp --.? Der Schneider spuckte zum offenen Fenster in die Tiefe hinunter und sah mit gro?en Augen und erbittertem Gesicht hinterdrein. ?Sieh, Knulp, es ist nichts mit der Fr?mmigkeit. Es ist nichts damit, und ich pfeife drauf, sag ich dir. Ich pfeife drauf!?
Der Wanderer sah ihn nachdenklich an.
?So, so. Das ist aber viel gesagt, alter Kunde. Mir scheint, in der Bibel stehen ganz gescheite Sachen.?
?Ja, und wenn du ein St��ck weiterbl?tterst, dann steht immer irgendwo das Gegenteil. Nein, ich bin fertig damit, aus und fertig.?
Knulp war aufgestanden und hatte nach einem B��geleisen gegriffen.
?Du k?nntest mir ein paar Kohlen drein geben,? bat
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