Katharina von Bora - Geschichtliches Lebensbild | Page 8

D. Albrecht Thoma
zu welchen in Nimbschen bei Einführung der
neuen Aebtissin der Abt-Visitator eine Art Hirtenbrief als
Erläuterung und Ergänzung der Ordensregel gegeben hatte, wurden
alle Vierteljahre kapitelweise im Konvent gelesen und durch die
Aebtissin oder Priorin Punkt für Punkt erklärt, damit jede
Klosterjungfrau — namentlich aber die Neulinge — aus sich selbst
die klösterliche Lebensweise und Lebenseinrichtung annähmen.
In solche strenge Klosterzucht wurde nun das junge Mädchen
eingeführt. Wenn auch die Praxis — wie sich bei jeder Visitation

zeigte, namentlich in der Verordnung von unnützen Reden — von
der Theorie abwich, so war doch zu dieser Zeit ein stramme ernstliche
Einhaltung der Ordensregel in Nimbschen durchgeführt. Man hatte
nämlich gerade um 1500 auch hier wie in anderen Klöstern eine
„Reformation“ der zerfallenen Klosterordnung erstrebt[43].
Neben dieser Erziehung zum Klosterleben gab es auch einigen
_Unterricht_, der mit dem Ordensleben zusammen hing. Die Novizen
mußten lesen lernen — was damals bei der krausen Schrift und dem
noch krauseren Stil nicht so ganz leicht war[44]. Sogar ins Lateinische
mußten die Nonnen notdürftig eingeführt werden: denn die
Lesungen und Gebete, besonders aber die Gesänge waren meist in der
Kirchensprache geschrieben — wenn es auch mit dem Verständnis
der Fremdsprache nicht gerade weit her war: singen ja doch auch heute
Kirchenchöre in Dorfgemeinden lateinische Hymnen und Messen.
Auch schreiben hat Katharina im Kloster gelernt, wenn sie auch
später — wie alle viel beschäftigten Frauen nicht gerne und viel
schrieb und an Fremde und hochgestellte Personen ihre Gedanken
lieber einem Studenten oder Magister in die Feder sagte. Sonst konnten
nicht alle Klosterfrauen diese Kunst. Eine eigentliche Schule, worin die
Schulmeidlein gelehrt wurden, gab es nicht, doch waren einige
Klosterfrauen fähig, nach ihrem Austritt
Mädchenschulmeisterinnen zu werden, so die Schwester von Staupitz
und die Elsa von Kanitz[45].
Der Gesang spielte eine große Rolle im Kloster: waren doch alle
religiösen Uebungen größtenteils gemeinschaftlich und mußten
so zum Chorgesang werden. Es war eine Sängerin oder
Sangmeisterin (Kapellenmeisterin) bestellt, welche die Gesänge
einzuüben hatte. Und im Kloster war ein altes „Sangbuch“,
welches 1417 für 2 Schock Groschen gekauft und vom
markgräflichen Vogt zu Grimma bezahlt worden war. Es waren aber
im Kloster fremde Gesänge aufgekommen und es wurde gegen die
Regel des seligen Vaters Bernhard zu schnell und ungleich (d.h.
rhythmisch) gesungen, und kam der Unfug auf, daß unvermittelt bald
alle, bald wenige Stimmen sangen; der Abt von Pforta ordnete daher an,
daß rund, eine Silbe wie die andere gesungen werde, einhellig und
mit gleicher Stimme, nicht zu hoch und zu tief[46].
Im Jahre 1509, als Katharina von Bora zehn Jahre zählte, war sie kein

Kostkind oder Schulmeidlein mehr, sondern wurde schon unter die
Klosterjungfrauen gezählt. Sie war also einstweilen wenigstens
„Postulantin“, Anwärterin für die Pfründe. Da meist das
vierzehnte Lebensjahr das Entscheidungsjahr für die
Klostergelübde war, so hätte sie mit dem dreizehnten ihr Noviziat
antreten und ein Jahr darauf Profeß thun können. Es ist auffällig,
daß sich dies bei Katharina zwei Jahre hinausschob, und sogar die
später eingetretene jüngere Ave Schönfeld vor ihr mit ihrer
älteren Schwester Margarete eingesegnet wurde[47].
Mit ihrem 15. Jahre also wurde Katharina von Bora nach dem
Herkommen der Sammlung von der Aebtissin „angegeben“
(vorgeschlagen) und von dem Konvent angenommen. Unter feierlichen
Zeremonien in der Kirche wurden ihr die Haare abgeschnitten, die mit
Weihwedel und Rauchfaß besprengten und beräucherten heiligen
Kleider angethan: die weiße Kutte übergezogen, der weiße
Weiler (das Kopftuch (velum, der sog. Schleier)) ums Haupt
geschlungen; auf diesem wurde der Himmelsbraut der weiße
Rosenkranz aufgesetzt und der Heiland im Kruzifix als Bräutigam in
die Arme gelegt, dann hat sie ihm durch Opferung des Kranzes ewige
Reinigkeit verheißen und geschworen. Darauf fiel die Postulantin der
Reihe nach der Aebtissin und jeder der einzelnen Klosterfrauen
demütig zu Füßen, wurde von ihnen aufgehoben und mit einem
Kusse als Schwester in die Gemeinschaft aufgenommen[48].
Jetzt kam Katharina unter die strenge Zucht einer älteren Klosterfrau
und mußte in dieser Probezeit im Ernst all die vielen Dinge üben
in Haltung und Gang, in Gebärde und Rede, welche eine Nonne auf
Schritt und Tritt zu beobachten hat, wenn sie nicht gegen die Regel
sündigen und dafür Buße erleiden will. So erzählt eine Nonne:
„Das Probejahr geschahe nur, daß wir Ordensweise lernten und
uns versuchten, ob wir zum Orden tüchtig“[49].
Endlich, im Jahre 1515, „Montags nach Francisci Confessoris“,
d.h. am 8. Oktober, war Katharinas „eynseghnug“. Da mußte
sie „Profeß thun“, d.h. das ewig bindende Klostergelübde
ablegen. Es wird ihr gegangen sein wie jener anderen Nonne, die um
diese Zeit auch eingesegnet wurde und von sich erzählt: „Am
Abend vor meiner Profession sagte mir die Aebtissin vor der ganzen
Versammlung im Kapitel: man solle mir die Schwierigkeit der Regel

vorlegen und mich fragen, ob ich das gesinnet wäre zu halten? wäre
aber nicht von nöten, denn ich hätte mich in der Einkleidung
genugsam verpflichtet. Und wenn ich gleichwohl gefragt worden
wäre, hätte ich doch nichts sagen
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