Katharina von Bora - Geschichtliches Lebensbild | Page 7

D. Albrecht Thoma

Ave von Schönfeld, wozu noch eine Metze[38] Schönfeld kam,
welche 1508 Siechenmeisterin und später Priorin wurde. Aber die
einen waren wohlhabend mit einem ordentlichen Leibgeding an Geld
und Naturalien, die anderen arm, vielleicht nur bei dem Eintritt und bei
der Einsegnung mit einem kleinen Geschenke von ihren Verwandten
abgefunden. Der Wohlstand scheint nicht ohne Einfluß auf die
amtliche Stellung gewesen zu sein; denn es ist doch wohl nicht Zufall,
daß die am reichsten Verleibgedingte, Margarete von Haubitz, zur
Aebtissin gewählt wurde[39]. Auch das Alter war ein gar
verschiedenes: da war die 70 jährige Ursula Osmund, die an hundert
Jahre alt wurde, und die zehnjährige Katharina von Bora und die
beiden jungen Schönfeld, welche in ähnlichem Alter standen. Lange
Zeit wurden gar keine neuen Jungfrauen in das Stift aufgenommen: von
1510 bis 1517 blieben Katharina und Ave die letzten, vielleicht weil die
Zahl 50 (mit den Konversen) überschritten war und die Einkünfte
des Klosters nicht mehr Personen ertrugen. Daß die Klosterfrauen
auch an Wesen, Charakter und Temperament verschieden waren, ist
natürlich; aber alle geistige Individualität (alle „Eigenschaft“)
wurde durch die Klosterregel und Klosterzucht ebenso ausgelöscht,
wie die leibliche Verschiedenheit durch die gleiche Tracht: Nonnen
tragen auch eine geistige Uniform. Dazu sind Freundschaften verboten.
Von irgend einer Eigenheit einer Schwester erfährt man nichts. Nur
die Aebtissin Margarete von Haubitz ist später charakterisiert als:
„ehrliches (vornehmes), frommes, verständiges Weibsbild“[40].
Ob die neue Klosterjungfrau Katharina von Bora an ihr oder den
anderen Verwandten aus dem mütterlichen Geschlechte eine

Annehmerin gefunden habe, ist nicht zu sagen. Doch war nicht von
vornherein die Verwandtschaft mit der Aebtissin ein Grund zu einer
freundlichen Behandlung. Denn eine gleichzeitig mit Katharina in ein
andres Kloster eingetretene junge Nonne beklagt sich, daß ihre
Muhme, die Aebtissin, ganz besonders gewaltthätig und grausam mit
ihr verfahren sei. Vielleicht hat Katharina eine Art mütterliche
Freundin an ihrer anderen Verwandten aus dem väterlichen
Geschlecht gefunden, der ehemaligen Siechenmeisterin Magdalena von
Bora, weil diese nachher sich als „Muhme Lene“ so innig an
Katharina und ihre neue Familie anschloß[41].
Zunächst wurde das junge Mädchen eingeführt in die
Ordensregel und den Gottesdienst, wurde gewöhnt an klösterliches
Benehmen und an geistliches Denken und Wesen, auch unterrichtet in
einigen Kenntnissen und Fertigkeiten. In Nimbschen wird keine
besondere Novizenmeisterin genannt; es war nur vom Abt bei der
Einführung der neuen Aebtissin 1509 im allgemeinen aufs neue als
Ordensregel eingeschärft: „Weil es ein Werk der Frömmigkeit
und Barmherzigkeit ist, die Ungelehrten gelehrter zu machen, wollen
wir, daß diejenigen, welche mehr verstehn unter den Jungfrauen, die
andern zu belehren und unterrichten sich bestreben, in dem
Bewußtsein, daß sie einen großen Lohn für diese Mühe
empfangen, und daß sie durch diese Beschäftigung viel
Leichtfertigkeit vermeiden, wozu die ausgeladene Jugend geneigt
ist.“ Natürlich sollten aber alle Aelteren den Jungen mit gutem
Beispiel vorangehen.
Als „der Schlüssel der Religion“ mußte zunächst überall,
wo es die Ordensregel vorschrieb, unbedingtes Stillschweigen
beobachtet werden — außer dem unbedingten Gehorsam, an den
sich die Novizin zu gewöhnen hatte, der wichtigste und höchste
Punkt des klösterlichen Lebens. Denn es müßte Rechenschaft
gegeben werden von jedem unnützen Wort nicht nur vor Gottes
Richterstuhl, sondern auch vor dem Beichtstuhl des Priesters. Vielmehr
sollten die Klosterjungfrauen außerhalb der vorgeschriebenen
Gebetszeiten und der Lektionen in besonderen Gebeten mit dem
Bräutigam Christus reden oder in Beschaulichkeit schweigend
hören, was Gott in ihnen redet. Darum wurde streng darauf gesehen,
daß die Kinder und heranwachsenden Jungfrauen nicht herumliefen

und schwatzten, sondern sich sittsam und schweigsam verhielten.
Es galt sodann in Kleidung und Haltung, in Gebärde und Rede sich
das rechte nonnenhafte Wesen anzueignen. „Am Ort der Buße“,
mußte man „die größte Einfachheit der Kleidung zeigen, sich
weder mit weltlichen Gewändern schmücken, noch auch mit den
Fransen der Pharisäer“, sondern die Kutten bis an die Schultern
herausziehen. Das Angesicht mußten die Novizen lernen stets zu
neigen. „Denn die Scham ist die Hüterin der Jungfrauschaft, der
köstlichen Perle, welche die geistlichen Töchter bewahren sollen.
So sollen sie mit Seufzen und Beklagen der verlorenen Zeit die
Ankunft des himmlischen Bräutigams erwarten welcher seine
Verlobten, — die im Glauben und hl. Profeß stets des Herrn harren,
— mit Frohlocken in sein Brautgemach führt.“
„Damit sie sich aber nicht mit dem Laster des Eigentums beflecken,
welches in der Religion das schlimmste und verdammlichste und ein
Netz des Teufels ist, sollen sie bei Strafe der Exkommunikation alle
Geschenke von Freunden und andern draußen nicht als ihr Recht
beanspruchen, sondern der Aebtissin reichen, und demütig von ihr
das Nötige begehren.“
Die Vorgesetzten aßen zwar am besonderen Tisch und hatten bessere
Speisen und Getränke: so bekamen sie echtes Bier, dagegen die
Konventualinnen nur „Kofent“ (Konvent- d.h. Dünn-Bier)[646],
aber gleichmäßige Behandlung aller Klosterjungfrauen in Speisen
und Getränken waren der Aebtissin zur Pflicht gemacht, und die
Mahlzeiten ließen nach herkömmlicher Klostersitte nichts zu
wünschen übrig[42]. „Festmahlzeiten und
Ergötzlichkeiten“ waren den Schwestern unter sich von der
Aebtissin erlaubt.
Diese Ordnungen,
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