Katharina von Bora - Geschichtliches Lebensbild | Page 5

D. Albrecht Thoma
gegen die Forderungen der
Existenzbedingungen seines Geschlechts aufgelehnt hätte. Nach den
kirchlichen Bestimmungen galt der Grundsatz: „Einen Mönch
macht entweder die elterliche Vergelübdung oder die eigene
Einwilligung“[23], also in erster Linie die Bestimmung der Eltern!
Diese hielten es eben für eine standesgemäße Versorgung und
zugleich für einen „guten seligen Stand“, wie eine Nonne aus
dieser Zeit erklärt[24].
Zudem wurden die Töchter in einem Alter in das Stift gethan, wo von
einer Willensentscheidung gar keine Rede sein konnte[25]. Die
Mädchen waren noch Kinder. Der Eintritt konnte schon im sechsten
Lebensjahr geschehen; viele kamen auch später hinein, wenn sich die
Familienverhältnisse durch Wachstum der Kinderzahl, Tod der
Mutter und dergleichen anders gestalteten. Aber auch in noch
früherem Alter wurden „Kostkinder“ aufgenommen, welche
dann auch oft Klosterjungfrauen wurden.
„Es ist eine hohe Not und Tyrannei, daß man leider die Kinder,
sonderlich das schwache Weibervolk und junge Mädchen in die
Klöster stößet, reizet und gehen läßt“ — so äußert
sich Luther gerade über das Kloster, worin sich Katharina von Bora
befand, und ruft entrüstet aus: „O die unbarmherzigen Eltern und
Freunde (Verwandten), die mit den Ihren so schrecklich und greulich
verfahren!“[26]
Nicht anders erging es auch der Tochter aus dem verarmten Hause Bora.
Katharina ward ins Kloster geschickt — gefragt wurde das Kind
natürlich nicht; es geschah „ohne ihren Willen“, wie denn
Luther im allgemeinen von ihr und ihren Mitschwestern von

Verstoßung ins Kloster redet und von Zwang. Er fragt bei dieser
Gelegenheit seine Zeitgenossen: „Wie viel meinst du, daß Nonnen
in Klöstern sind, die fröhlich und mit Lust ungezwungen ihren
Gottesdienst thun und Orden tragen? Unter tausend kaum eine. Was
ist's, daß du solches Kind läßt also sein Leben und alle seine
Werke verlieren?“[27]
Katharina kam vielleicht schon mit dem 6. Lebensjahr ins Kloster;
denn in ihrem sechsten Lebensjahr verschreibt Jan von Bora auf
Lippendorf alle seine Güter allda seiner — vielleicht in diesem Jahr
geheirateten zweiten — Ehefrau. Jedenfalls war Katharina im zehnten
Lebensjahr (1509) schon Klosterjungfrau; und zwar nicht mehr die
jüngste, sondern die zweitjüngste von den Aufgenommenen und
blieb noch lange Jahre (bis 1516) die vorletzte in der Reihe der
Schwestern[28].
Klöster gab es damals genug im Land: es wurden allein im
Meißnischen gegen 30 Nonnenklöster gezählt[29]. In welches
Kloster Katharina eintreten sollte, das stand von vornherein fest: es
mußte das adelige Cisterzienserinnen-Kloster „Marienthron“
oder „Gottesthron“ Nimbschen bei Borna im Kurfürstentum
Sachsen sein[30]. Denn hier war eine Muhme von Vaterseite, vielleicht
Vatersschwester Magdalene von Bora schon lange Zeit Klosterjungfrau
und bekleidete von 1502-8 das Amt einer Siechenmeisterin, d.h.
Krankenwärterin der Nonnen. Außerdem waren, scheint es, noch
zwei Verwandte aus der mütterlichen Familie der Haubitz da: eine
ältere Margarete und eine jüngere Anna.
Das Kloster Nimbschen hat eine hübsche Lage. Eine Stunde
unterhalb, nachdem die beiden Mulden, die Zwickauer von Süden
und die Freiberger von Osten her zusammengeflossen sind zu der
großen Mulde, erweitert sich das enge Flußthal zu einer
viertelstundebreiten ebenen Aue, welche die Form eines länglichen
Blattes hat und eine halbe Stunde lang ist. Am Ostufer zieht sich eine
schroffe Felswand aus Porphyr hin, an welche das Muldebett sich
anschmiegt; im Westen begrenzt eine niedrige, sanfter ansteigende,
waldbewachsene Hügelkette den Werder. Ueber der nördlichen
Blattspitze, die scharf durch die zusammenrückenden Felswände
abschließt, erhob sich eine Burg und jenseits der Thalsperre,
ungesehen von der Aue aus, liegt die Stadt Grimma; an dem obern

Ende der Aue, unmittelbar am Fuße des westlichen Waldhügels,
stand das Kloster. Es war also abgelegen von der Welt, abgeschlossen
durch die beiden Hügelreihen, nur mit dem Blick auf die stille ruhige
Aue. Drüben floß die Mulde ungesehen tief in ihren Ufern,
überragt von der Felswand, hüben erhob sich der hügelige
Klosterwald. Nordwärts davon schimmerte ein ziemlich großer
Teich, welcher die leckere Fastenspeise barg.
Aus dem Hügel unmittelbar neben dem Kloster waren die schmutzig
braunen Porphyrsteine gebrochen, mit welchen die Mauern und
Klostergebäude aufgebaut waren; ein Graben an diesem Hügel hin
verhinderte noch mehr den unbefugten Zutritt.
Das Klostergebäude war sehr umfangreich, denn so eine alte
Cisterzienser-Abtei bildete eine Welt für sich: nach alter Regel
mußte das Kloster alle seine Bedürfnisse selber durch eigene
Wirtschaft befriedigen[31]. Daher gab es neben dem eigentlichen
„Gotteshaus“, wie ein geistliches Stift genannt wurde, noch
allerlei Wirtschaftsgebäude: Ställe für Pferde, Rinder, Schweine,
Geflügel mit den nötigen Knechten und Mägden, Hirten und
Hirtinnen für Füllen, Kühe, Schafe (das Kloster hatte deren
1800!), Schweine und Gänse; ferner Mäher, Drescher, Holzhauer,
eine „Käsemutter“. Das Kloster selbst zerfiel in zwei
Gebäudekomplexe: „die Propstei“ und die „Klausur“. Die
Propstei schloß sich um den äußeren Klosterhof und umfaßte
die Wohnung des Vorstehers oder Propstes, eines
„Halbgeistlichen“, welcher mit „Ehren“ („Ehr“)
angeredet wurde, dann die Behausung des Verwalters oder Vogts (Voit)
samt dem Schreiber; ferner das „Predigerhaus“, in welchem die
zwei „Herren an der Pforte“, d.i. Mönche aus dem Kloster
Pforta, als Beichtväter wohnten, denn Pforta hatte die Oberaufsicht
über Nimbschen.
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