sitzt denn die arme Svanvithe da in aller ihrer Unschuld und muß da
unten frieren und das kalte Gold hüten, und Gott weiß, wann sie erlöst
werden wird. Sie sitzt da über Goldhaufen gebeugt; ihr langes Haar
hängt ihr über die Schultern herab, und sie weint unaufhörlich. Schon
sitzen sechs junge Gesellen um sie herum, die auch mithüten müssen.
Das sind die, denen die Erlösung nicht gelungen ist. Wem es aber
gelingt, der heiratet die Prinzessin und bekommt den ganzen Schatz
und befreit zugleich die andern armen Gefangenen. Sie sagen, der letzte
ist vor zwanzig Jahren darin versunken, ein Schuhmachergesell, der
Jochim Fritz hieß. Das war ein junges, schönes Blut und ging immer
viel auf dem Wall spazieren. Der ist mit einem Male verschwunden,
und keiner hat gewußt, wo er gestoben und geflogen war, und seine
Eltern und Freunde haben ihn in der ganzen Welt suchen lassen, aber
nicht gefunden! Er mag nun auch wohl dasitzen bei den andern.
Der Riese Balderich
In der westlichen Spitze der Insel Rügen in der Ostsee an der
Feldscheide der Dörfer Rothenkirchen und Götemitz, etwa eine
Viertelmeile von dem Kirchdorfe Rambin, liegen auf flachem Felde
neun kleine Hügel oder Hünengräber, welche gewöhnlich die Neun
Berge oder die Neun Berge bei Rambin genannt werden, und von
welchen das Volk allerlei Märchen erzählt. Diese entstanden weiland
durch die Kühnheit eines Riesen, und seitdem die Riesen tot sind,
treiben die Zwerge darin ihr Wesen.
Vor langer Zeit lebte auf Rügen ein gewaltiger Riese (ich glaube, er
hieß Balderich), den verdroß es, daß das Land eine Insel war und daß er
immer durch das Meer waten mußte, wenn er nach Pommern auf das
feste Land wollte. Er ließ sich also eine ungeheure Schürze machen,
band sie um seine Hüften und füllte sie mit Erde; denn er wollte sich
einen Erddamm aufführen von der Insel bis zur Feste. Als er mit seiner
Tracht bis über Rothenkirchen gekommen war, riß ein Loch in die
Schürze, und aus der Erde, die herausfiel, wurden die Neun Berge. Er
stopfte das Loch zu und ging weiter; aber als er bis Gustow gekommen
war, riß wieder ein Loch in die Schürze, und es fielen dreizehn kleine
Berge heraus. Mit der noch übrigen Erde ging er ans Meer und goß sie
hinein. Da ward der Prosnitzer Hafen und die niedliche Halbinsel
Drigge. Aber es blieb noch ein schmaler Zwischenraum zwischen
Rügen und Pommern, und der Riese ärgerte sich darüber so sehr, daß er
plötzlich von einem Schlagfluß hinstürzte und starb. Und so ist denn
sein Damm leider nie fertig geworden.
Von demselben Riesen Balderich erzählt man ein Kraftstück, das er bei
Putbus bewiesen hat. Er hatte schon mehrmals mit Ärger gesehen, daß
dem Christengotte zu Vilmnitz, eine halbe Meile von Putbus, eine
Kirche erbaut ward, und da hat er bei sich gesprochen: "Laß die
Würmer ihren Ameisenhaufen nur aufbauen; den werfe ich nieder,
wann er fertig ist." Als nun die Kirche fertig und der Turm aufgeführt
war, nahm der Riese einen gewaltigen Stein, stellte sich auf dem
Putbusser Tannenberge hin und schleuderte ihn mit so ungeheurer
Gewalt, daß der Stein wohl eine Viertelmeile über die Kirche wegflog
und bei Nadelitz niederfiel, wo er noch diesen Tag liegt am Wege, wo
man nach Posewald fährt, und der Riesenstein genannt wird.
Die Unterirdischen in den Neun Bergen bei Rambin
In den Neun Bergen bei Rambin wohnen nun die Zwerge und die
kleinen Unterirdischen und tanzen des Nachts in den Büschen und
Feldern herum und führen ihre Reigen und ihre Musiken auf im
mitternächtlichen Mondschein, besonders in der schönen und lustigen
Sommerzeit und im Lenze, wo alles in Blüte steht; denn nichts lieben
die kleinen Menschen mehr als die Blumen und die Blumenzeit. Sie
haben auch viele schöne Knaben und Mädchen bei sich; diese aber
lassen sie nicht heraus, sondern behalten sie unter der Erde in den
Bergen, denn sie haben die meisten gestohlen oder durch einen
glücklichen Zufall erwischt und fürchten, daß sie ihnen wieder
weglaufen möchten. Denn vormals haben sich viele Kinder des Abends
und des Morgens locken lassen von der süßen Musik und dem Gesange,
der durch die Büsche klingt, und sind hingelaufen und haben
zugehorcht; denn sie meinten, es seien kleine singende Waldvögelein,
die mit solcher Lustigkeit musizierten und Gott lobeten--und dabei sind
sie gefangen worden von den Zwergen, die sie mit in den Berg
hinabgenommen, daß sie ihnen dort als Diener und Dienerinnen
aufwarteten. Seitdem die Menschen nun Wissens daß es da so hergeht
und nicht recht geheuer ist, hüten sie sich mehr, und geht keiner dahin.
Doch verschwindet von Zeit zu Zeit noch manches unschuldige Kind,
und die Leute sagen dann wohl, es hab's einer der Zwerge
mitgenommen; und oft ist es auch wohl durch die Künste der kleinen
braunen Männer eingefangen und muß da unten sitzen und dienen und
kann nicht
Continue reading on your phone by scaning this QR Code
Tip: The current page has been bookmarked automatically. If you wish to continue reading later, just open the
Dertz Homepage, and click on the 'continue reading' link at the bottom of the page.