Kater Martinchen | Page 4

Ernst Moritz Arndt
sehr an Silber und Gold hängen, können vom Leben
nicht erlöst werden und sterben nicht, wenn sie Gott auch noch so sehr
um den Tod bitten. So lebte der alte, eisgraue Mann noch viele, viele
Jahre und mußte sein Gold bewachen, bis er ganz dürr und trocken
ward wie ein Totengerippe. Da ist er denn gestorben und auch zur
Strafe verwandelt worden und muß nun als ein schwarzer magerer
Hund unter den Goldhaufen liegen und sie bewachen, wenn einer
kommt und den Schatz holen will. Des Nachts aber zwischen zwölf und
ein Uhr, wann die Gespensterstunde ist, muß er noch immer rundgehen
als ein altes graues Männlein mit einer schwarzen Pudelmütze auf dem
Kopf und einem weißen Stock in der Hand. So haben die Leute ihn oft
gesehen im Garzer Holze am Wege nach Poseritz; auch geht er
zuweilen um den Kirchhof herum. Denn da sollen vor alters
Heidengräber gewesen sein, und die Helden haben immer viel Silber
und Gold mit sich in die Erde genommen. Das will er holen, darum
schleicht er dort, kann es aber nicht kriegen, denn er darf die geweihte
Erde nicht berühren. Das ist aber seine Strafe, daß er so rundlaufen
muß, wann andere Leute in den Betten und Gräbern schlafen, weil er so
geizig gewesen ist.
Nun begab es sich lange nach diesen Tagen, daß in Bergen ein König
von Rügen wohnte, der hatte eine wunderschöne Tochter, die hieß
Svanvithe; und sie war die schönste Prinzessin weit und breit, und es
kamen Könige und Fürsten und Prinzen aus allen Landen, die um die
schöne Prinzessin warben. Und der König, ihr Herr Vater, wußte sich
kaum zu lassen vor allen den Freiern und hatte zuletzt nicht Häuser
genug, daß er die Fremden beherbergte, noch Ställe, wohin sie und ihre
Knappen und Staller ihre Pferde zögen; auch gebrach es fast an Hafer
im Lande und Raum für alle die Kutscher und Diener, die mit ihnen
kamen, und war Rügen so voll von Menschen, als es nie gewesen seit
jenen Tagen. Und der König wäre froh gewesen, wenn die Prinzessin
sich einen Mann genommen hätte und die übrigen Freier weggereist
wären. Das läßt sich aber bei den Königen nicht so leicht machen als
bei andern Leuten, und muß da alles mit vieler Zierlichkeit und

Langsamkeit hergehen. Die Prinzessin, nachdem sie wohl ein ganzes
halbes Jahr in ihrer einsamen Kammer geblieben war und keinen
Menschen gesehen, auch kein Sterbenswort gesagt hatte, fand endlich
einen Prinzen, der ihr wohl gefiel, und den sie gern zum Mann haben
wollte, und der Prinz gefiel auch dem alten Könige, daß er ihn gern als
Eidam wollte. Und sie hatten einander Ringe geschenkt, und war große
Freude im ganzen Lande, daß die schöne Svanvithe Hochzeit halten
sollte, und hatten alle Schneider und Schuster die Fülle zu tun, die
schönen Kleider und Schuhe zu machen, die zur Hochzeit getragen
werden sollten. Der verlobte Prinz aber und Svanvithens Bräutigam
hieß Herr Peter von Dänemarken und war ein über die Maßen feiner
und stattlicher Mann, daß seinesgleichen wenige gesehen wurden.
Da, als alles in lieblicher Hoffnung und Liebe grünete und blühete und
die ganze Insel in Freuden stand und nur noch ein paar Tage bis zur
Hochzeit waren, kam der Teufel und säete sein Unkraut aus, und die
Luft ward in Traurigkeit verwandelt. Es war nämlich allda an des
Königs Hofe auch ein Prinz aus Polen, ein hinterlistiger und schlechter
Herr, sonst schön und ritterlich an Gestalt und Gebärde. Dieser hatte
manches Jahr um die Prinzessin gefreit und sie geplagt Tag und Nacht;
sie hatte aber immer nein gesagt, denn sie mochte ihn nicht leiden. Als
dieser polnische Prinz nun sah, daß es wirklich eine Hochzeit werden
sollte und daß Herr Peter von Dänemarken zum Treuliebsten der
schönen Svanvithe erkoren war, sann er in seinem bösen Herzen auf
arge Tücke und wußte es durch seine Künste so zu stellen, daß der
König und alle Menschen glaubten, Svanvithe sei keine züchtige
Prinzessin und habe manche Nächte bei dem polnischen Prinzen
geschlafen. Das glaubte auch Herr Peter und reiste plötzlich weg; und
der polnische Prinz war zuerst weggereist, und alle Könige und Prinzen
reisten weg. Und das Schloß des Königs in Bergen stand wüst und leer
da, und alle Freude war mit weggezogen und alle Geiger und Pfeifer
und alles Saitenspiel, die sich auf Turniere und Feste gerüstet hatten.
Und die Schande der armen Prinzessin klang über das ganze Land; ja in
Schweden und Dänemark und Polen hörten sie es, wie die Hochzeit
sich zerschlagen hatte. Sie aber war gewiß unschuldig und rein wie ein
Kind, das aus dem Mutterleibe kommt, und war es nichts als die
greuliche Bosheit des verruchten polnischen Prinzen, den sie als Freier

verschmäht hatte.
So ging es der armen Svanvithe, und der König, ihr Vater, war einige
Tage nach diesen Geschichten wie von Sinnen und
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