Kampagne in Frankreich | Page 5

Johann Wolfgang von Goethe
die von Sedan der unser Vorr��cken beobachten sollten. Die Unsrigen, wohl gef��hrt, griffen an, und da die Gegenseitigen sich tapfer wehrten, auch keinen Pardonannehmen wollten, gab es ein gr?ulich Gemetzel, worin wir siegten, Gefangene machten, Pferde, Karabiner und S?bel erbeuteten, durch welches Vorspiel der kriegerische Geist erh?ht, Hoffnung und Zutrauen fester gegr��ndet wurden.
Am 29. August geschah der Aufbruch aus diesen halberstarrten Erd- und Wasserwogen, langsam und nicht ohne Beschwerde: denn wie sollte man Zelte und Gep?ck, Monturen und sonstiges nur einigerma?en reinlich halten, da sich keine Stelle fand, wo man irgendetwas zurechtlegen und ausbreiten k?nnen!
Die Aufmerksamkeit jedoch, welche die h?chsten Heerf��hrer diesem Abmarsch zuwendeten, gab uns frisches Vertrauen. Auf das strengste war alles Fuhrwerk ohne Ausnahme hinter die Kolonne beordert, nur jeder Regimentschef berechtigt, eine Chaise vor seinem Zug hergehen zu lassen; da ich denn das Gl��ck hatte, im leichten, offenen W?gelchen die Hauptarmee f��r diesmal anzuf��hren. Beide H?upter, der K?nig sowohl als der Herzog von Braunschweig, mit ihrem Gefolge hatten sich da postiert, wo alles an ihnen vorbei musste. Ich sah sie von weiten, und als wir herankamen, ritten Ihro Majest?t an mein W?glein heran und fragten in Ihro lakonischen Art, wem das Fuhrwerk geh?re? Ich antwortete laut: "Herzog von Weimar!" und wir zogen vorw?rts. Nicht leicht ist jemand von einem vornehmern Visitator angehalten worden.
Weiterhin jedoch fanden wir den Weg hie und a etwas besser. In einer wunderlichen Gegend, wo H��gel und Tal miteinander abwechselten, gab es besonders f��r die zu Pferde noch trockene R?ume genug, um sich behaglich vorw?rts bewegen zu k?nnen. Ich warf mich auf das meine, und so ging es freier und lustiger fort; das Regiment hatte den Vortritt bei der Armee, wir konnten also immer voraus sein und der l?stigen Bewegung des Ganzen v?llig entgehen.
Der Marsch verlie? die Hauptstra?e, wir kamen ��ber Arrancy, worauf uns denn Chatillon l'Abbaye, als erste Kennzeichen der Revolution, ein verkauftes Kirchengut, in halb abgebrochenen und zerst?rten Mauern zur Seite liegen blieb.
Nun aber sahen wir ��ber H��gel und Tal des K?nigs Majest?t sich eilig zu Pferde bewegend, wie den Kern eines Kometen von einem langen, schweifartigen Gefolge begleitet. Kaum war jedoch dieses Ph?nomen mit Blitzesschnelle vor uns vorbei geschwunden, als ein zweites von einer andern Seite den H��gel kr?nte oder das Tal erf��llte. Es war der Herzog von Braunschweig, der Elemente gleicher Art an und nach sich zog. Wir nun, obgleich mehr zum Beobachten als zum Beurteilen geneigt, konnten doch der Betrachtung nicht ausweichen, welche von beiden Gewalten denn eigentlich die obere sei? Welche wohl im zweifelhaften Falle zu entscheiden habe? Unbeantwortete Fragen, die uns nur Zweifel und Bedenklichkeiten zur��cklie?en.
Was nun aber hierbei noch ernsteren Stoff zum Nachdenken gab, war, dass man beide Heerf��hrer so ganz frank und frei in ein Land hineinreiten sah, wo nicht unwahrscheinlich in jedem Geb��sch ein aufgeregter Todfeind lauern konnte. Doch mussten wir gestehen, dass gerade das k��hne pers?nliche Hingeben von jeher den Sieg errang und die Herrschaft behauptete.
Bei wolkigem Himmel schien die Sonne sehr hei?; das Fuhrwerk in grundlosem Boden fand ein schweres Fortkommen. Zerbrochene R?der an Wagen und Kanonen machten gar manchen Aufenthalt, hie und da ermattete F��seliere, die sich schon nicht mehr fortschleppen konnten.
Man h?rte die Kanonade bei Thionville und w��nschte jener Seite guten Erfolg.
Abends erquickten wir uns im Lager bei Pillon. Eine liebliche Waldwiesenahm uns auf, der Schatten erfrischte schon, zum K��chfeuer war Gestr��pp genug bereit; ein Bach floss vorbei und bildete zwei klare Bassins, die beide sogleich von Menschen und Tieren sollten getr��bt werden. Das eine gab ich frei, verteidigte das andere mit Heftigkeit und lie? es sogleich mit Pf?hlen und Stricken umziehen. Ohne L?rm gegen die Zudringlichkeiten ging es nicht ab. Da fragte einer von unsern Reitern den andern, die eben ganz gelassen an ihrem Zeug putzten: "Wer ist denn der, der sich so mausig macht?" -- "Ich wei? nicht," versetzte der andere, "aber er hat recht."
Also kamen nun Preu?en und ?sterreicher und ein Teil von Frankreich, auf franz?sischem Boden ihr Kriegshandwerk zu treiben. In wessen Macht und Gewalt taten sie das? Sie konnten es in eignem Namen tun, der Krieg war ihnen zum Teil erkl?rt, ihr Bund war kein Geheimnis; aber nun ward noch ein Vorwand erfunden. Sie traten auf im Namen Ludwigs XVI., sie requirierten nicht, aber sie borgten gewaltsam. Man hatte Bons drucken lassen, die der Kommandierende unterzeichnete, derjenige aber, der sie in H?nden hatte, nach Befund beliebig ausf��llte: Ludwig XVI. sollte bezahlen. Vielleicht hat nach dem Manifest nichts so sehr das Volk gegen das K?nigtum aufgehetzt als diese Behandlungsart. Ich war selbst bei einer solchen Szene gegenw?rtig, deren ich mich als h?chst tragisch erinnere. Mehrere Sch?fer mochten ihre Herden vereinigt haben, um sie in W?ldern oder sonst abgelegenen Orten sicher zu verbergen; von t?tigen Patrouillen aber aufgegriffen und zur Armee gef��hrt, sahen sie sich zuerst wohl und freundlich empfangen. Man fragte nach den verschiedenen Besitzern, man
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