Kampagne in Frankreich | Page 4

Johann Wolfgang von Goethe
dass ich mich abends musste hinein und morgens wieder heraus tragen lassen.

Am 28. August.
So wunderlich tagte mir diesmal mein Geburtsfest. Wir setzten uns zu Pferd und ritten in die eroberte Festung; das wohl gebaute und befestigte St?dtchen liegt auf einer Anh?he. Meine Absicht war, gro?e wollene Decken zu kaufen, und wir verf��gten uns sogleich in einen Kramladen, wo wir Mutter und T?chter h��bsch und anmutig fanden. Wir feilschten nicht viel und zahlten gut und waren so artig, als es Deutschen ohne Tourn��re nur m?glich ist.
Die Schicksale des Hauses w?hrend des Bombardements waren h?chst wunderbar. Mehrere Granaten hintereinander fielen in das Familienzimmer, man fl��chtete, die Mutter riss ein Kind aus der Wiege und floh, und in dem Augenblick schlug noch eine Granate gerade durch die Kissen, wo der Knabe gelegen hatte. Zum Gl��ck war keine der Granaten gesprungen, sie hatten die M?bel zerschlagen, am Get?fel gesengt, und so war alles ohne weiteren Schaden vor��bergegangen; in den Laden war keine Kugel gekommen.
Dass der Patriotismus derer von Lognwy nicht allzu kr?ftig sein mochte, sah man daraus, dass die B��rgerschaft den Kommandanten sehr bald gen?tigt hatte, die Festung zu ��bergeben; auch hatten wir kaum einen schritt aus dem Laden getan, als der innere Zwiespalt der B��rger sich uns genugsam verdeutlichte. K?nigisch Gesinnte, und also unsere Freunde, welche die schnell ��bergabe bewirkt, bedauerten, dass wir in dieses Warengew?lbe zuf?llig gekommen und dem schlimmsten aller Jakobiner, der mit seiner ganzen Familie nichts tauge, so viel sch?nes Geld zu l?sen gegeben. Gleicherma?en warnte man uns vor einem splendiden Gasthof, und zwar so bedenklich, als wenn den Speisen daselbst nicht ganz zu trauen sein m?chte; zugleich deutete man auf einen geringeren als zuverl?ssig, wo wir uns denn auch freundlich aufgenommen und leidlich bewirtet sahen.
Nun sa?en wir alte Kriegs- und Garnisons-kameraden traulich und froh wieder neben und gegen einander; es waren die Offiziere des Regiments, vereint mit des Herzogs Hof-, Haus- und Kanzleigenossen; man unterhielt sich von dem N?chstvergangenen, wie bedeutend und bewegt es Anfang Mais in Aschersleben gewesen, als die Regimenter sich marschfertig zu halten Order bekommen, der Herzog von Braunschweig und mehrere hohe Personen daselbst Besuch abgestattet, wobei des Marquis von Bouill�� als eines bedeutenden und in die Operationen kr?ftig eingreifenden Fremden zu erw?hnen nicht vergessen wurde. Sobald dem horchenden Gastwirt dieser Name zu Ohren kam, erkundigte er sich eifrigst, ob wir den Herren kennten? Die meisten durften es bejahen, wobei er denn viel Respekt bewies und gro?e Hoffnung auf die Mitwirkung dieses w��rdigen, t?tigen Mannes aussprach, ja es wollte scheinen, als wenn wir von diesem Augenblick an besser bedient w��rden.
Wie wir nun alle hier Versammelten uns mit Leib und Seele einem F��rsten angeh?rig bekannten, der seit mehreren Regierungsjahren so gro?e Vorz��ge entwickelt und sich nunmehr auch im Kriegshandwerk, dem er von Jugend auf zugetan gewesen, das er seit geraumer Zeit getrieben, bew?hren sollte, so ward auf sein Wohl und seiner Angeh?rigen nach guter deutscher Weise angesto?en und getrunken, besonders aber auf des Prinzen Bernhards Wohl, bei welchem kurz vor dem Ausmarsch Obristwachtmeister von Weyrach, als Abgeordneter des Regiments, Gevatter gestanden hatte.
Nun wusste jeder von dem Marsch selbst gar manches zu erz?hlen, wie man, den Harz links lassend, an Goslar vorbei nach Northeim durch G?ttingen gekommen; da h?rte man denn von trefflichen und schlechten Quartieren, b?urisch-unfreundlichen, gebildet-missmutigen, hypochondrisch-gef?lligen Wirten, von Nonnenkl?stern und mancherlei Abwechslung des Weges und Wetters. Alsdann war man am ?stlichen Rand Westfallens her bis Koblenz gezogen, hatte mancher h��bschen Frau zu gedenken, von seltsamen Geistlichen, unvermutet begegnenden Freunden, zerbrochenen R?dern, umgeworfenen Wagen buntscheckigen Bericht zu erstatten.
Von Koblenz aus beklagte man sich ��ber bergige Gegenden, beschwerliche Wege und mancherlei Mangel und r��ckte sodann, nachdem man sich im Vergangenen kaum zerstreut, dem Wirklichen immer n?her; der Einmarsch nach Frankreich in dem schrecklichsten Wetter ward als h?chst unerfreulich und als w��rdiges Vorspiel beschrieben des Zustandes, den wir, nach dem Lager zur��ckkehrend, voraussehen konnten. Jedoch in solcher Gesellschaft ermutigt sich einer am anderen, und ich besonders beruhigte mich beim Anblick der k?stlichen wollenen Decken, welche der Reitknecht aufgebunden hatte.
Im Lager fand ich abends in dem gro?en Zelt die beste Gesellschaft; sie war dort beisammen geblieben, weil man keinen Fu? heraussetzen konnte; alles war gutes Muts und voller Zuversicht. Die schnelle ��bergabe von Longwy best?tigte die Zusage der Emigrierten, man werde ��berall mit offenen Armen aufgenommen sein, und es schien sich dem gro?en Vorhaben des revolution?ren Frankreichs, durch die Manifeste des Herzogs von Braunschweig ausgesprochen, zeigten sich ohne Ausnahme bei Preu?en, ?sterreichern und Emigrierten.
Freilich durfte man nur das wahrhaft bekannt Gewordene erz?hlen, so ging daraus hervor, dass ein Volk, auf solchen Grad verunreinigt, nicht einmal in Parteien gespalten, sondern im Innersten zerr��ttet, in lauter Einzelheiten getrennt, dem hohen Einheitssinn der edel Verb��ndeten nicht widerstehen k?nne.
Auch hatte man schon von Kriegstaten zu erz?hlen. Gleich nach dem Eintritt in Frankreich stie?en beim Rekognozieren f��nf Eskadronen Husaren von Wolfrat auf tausend Chasseurs,
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