ich mich als höchst tragisch erinnere. Mehrere Schäfer mochten
ihre Herden vereinigt haben, um sie in Wäldern oder sonst abgelegenen
Orten sicher zu verbergen; von tätigen Patrouillen aber aufgegriffen
und zur Armee geführt, sahen sie sich zuerst wohl und freundlich
empfangen. Man fragte nach den verschiedenen Besitzern, man
sonderte und zählte die einzelnen Herden. Sorge und Frucht, doch mit
einiger Hoffnung, schwebte auf den Gesichtern der tüchtigen Männer.
Als sich aber dieses Verfahren dahin auflöste, dass man die Herden
unter Regimenter und Kompanien verteilte, den Besitzern hingegen
ganz höflich auf Ludwig XVI. gestellte Papiere überreichte, indessen
ihre wolligen Zöglinge von den ungeduldigen, fleischlustigen Soldaten
vor ihren Füßen ermordet wurden, so gesteh' ich wohl: es ist mir nicht
leicht eine grausamere Szene und ein tieferer männlicher Schmerz in
allen seinen Abstufungen jemals vor Augen und zur Seele gekommen.
Die griechischen Tragödien allein haben so einfach tief Ergreifendes.
Den 30. August.
Vom heutigen Tag, der uns gegen Verdun bringen sollte, versprachen
wir uns Abenteuer, und sie blieben nicht aus. Der auf- und abwärts
gehende Weg war schon besser getrocknet, das Fuhrwerk zog
ungehinderter dahin, die Reiter bewegten sich leichter und vergnüglich.
Es hatte sich eine muntere Gesellschaft zusammengefunden, die, wohl
beritten, so weit vorging, bis sie einen Zug Husaren antraf, der den
eigentlichen Vortrab der Hauptarmee machte. Der Rittmeister, ein
gesetzter Mann, schon über die mittleren Jahre, schien unsere Ankunft
nicht gerne zu sehen. Die strengste Aufmerksamkeit war ihm
empfohlen: alles sollte mit Vorsicht geschehen, jede unangenehme
Zufälligkeit klüglich beseitigt werden. Er hatte seine Leute kunstmäßig
verteilt, sie rückten einzeln vor in gewissen Entfernungen, und alles
begab sich in der größten Ordnung und Ruhe. Menschenleer war die
Gegend, die äußerste Einsamkeit ahnungsvoll. So waren wir, Hügel auf
Hügel ab, über Mangiennes, Damvillers, Wawrille und Ormont
gekommen, als auf einer Höhe, die eine schöne Aussicht gewährte,
rechts in den Weinbergen ein Schuss fiel, worauf die Husaren sogleich
zufuhren, die nächste Umgebung zu untersuchen. Sie brachten auch
wirklich einen schwarzhaarigen, bärtigen Mann herbei, der ziemlich
wild aussah und bei dem man ein schlechtes Terzerol gefunden hatte.
Er sagte trotzig, dass er die Vögel aus seinem Weinberg verscheuche
und niemand etwas zuleide tue. Der Rittmeister schien, bei stiller
Überlegung, diesen Fall mit seinen gemessenen Orders
zusammenzuhalten und entließ den bedrohten Gefangenen mit einigen
Hieben, die der Kerl so eilig mit auf den Weg nahm, dass man ihm
seinen Hut mit großem Lustgeschrei nachwarf, den er aber
aufzunehmen keinen Beruf empfand.
Der Zug ging weiter, wir unterhielten uns über die Vorkommenheiten
und über manches, was zu erwarten sein möchte. Nun ist zu bemerken,
dass unsere kleine Gesellschaft, wie sie sich den Husaren aufgedrungen
hatte, zufällig zusammengekommen, aus den verschiedensten
Elementen bestand; meistens waren es gradsinnige, jeder nach seiner
Weise dem Augenblick gewidmete Menschen. Einen jedoch muss ich
besonders auszeichnen, einen ernsten, sehr achtbaren Mann von der Art,
wie sie zu jener Zeit unter den preußischen Kriegsleuten öfter
vorkamen, mehr ästhetisch als philosophisch gebildet, ernst mit einem
gewissen hypochondrischen Zug, still in sich gekehrt und zum Wohltun
mit zarter Leidenschaft aufgelegt.
Als wir so weiter vor uns hinrückten, trafen wir auf eine so seltsame als
angenehme Erscheinung, die eine allgemeine Teilnahme erregte. Zwei
Husaren brachten ein einspänniges zweirädriges Wägelchen den Berg
herauf, und als wir uns erkundigten, was unter der übergespannten
Leinwand wohl befindlich sein möchte, so fand sich ein Knabe von
etwa zwölf Jahren, der das Pferd lenkte, und ein wunderschönes
Mädchen oder Weibchen, das sich aus der Ecke hervorbeugte, um die
vielen Reiter anzusehen, die ihren zweirädrigen Schirm umzingelten.
Niemand blieb ohne Teilnahme, aber die eigentlich tätige Wirkung für
die Schöne mussten wir unserm empfindenden Freund überlassen, der
von dem Augenblick an, als er das bedürftige Fuhrwerk näher
betrachtet, sich zur Rettung unaufhaltsam hingedrängt fühlte. Wir
traten in den Hintergrund; er aber fragte genau nach allen Umständen,
und es fand sich, dass die junge Person, in Samogneux wohnhaft, dem
bevorstehenden Bedrängnis seitwärts zu entfernteren Freunden
auszuweichen willens, sich eben der Gefahr in den Rachen geflüchtet
habe; wie in solchen ängstlichen Fällen der Mensch wähnt, es sei
überall besser als da, wo er ist. Einstimmig ward ihr nun auf das
freundlichste begreiflich gemacht, dass sie zurückkehren müsse. Auch
unser Anführer, der Rittmeister, der zuerst eine Spionerei hier wittern
wollte, ließ sich endlich durch die herzliche Rhetorik des sittlichen
Mannes überreden, der sie denn auch, zwei Husaren an der Seite, bis an
ihren Wohnort einigermaßen getröstet zurückgebrachte, woselbst sie
uns, die wir in bester Ordnung und Mannszucht bald nachher
durchzogen, auf einem Mäuerchen unter den Ihrigen stehend,
freundlich und, weil das erste Abenteuer so gut gelungen war,
hoffnungsvoll begrüßte.
Es gibt dergleichen Pausen mitten in den Kriegszügen, wo man durch
augenblickliche Mannszucht sich Kredit zu verschaffen sucht und eine
Art von gesetzlichem Frieden mitten in der Verwirrung beordert. Diese
Momente sind köstlich für Bürger und Bauern und für
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