Kabale und Liebe | Page 7

Friedrich von Schiller
beiseite, Kalb--Sie sprachen also
schon mit dem Herzog?
Hofmarschall (wichtig). Zwanzig Minuten und eine halbe.
Präsident. Das gesteh' ich!--und wissen wir also ohne Zweifel eine
wichtige Neuigkeit?
Hofmarschall (ernsthaft, nach einigem Stillschweigen). Seine
Durchleucht haben heute einen Merde d'Oye Biber an.
Präsident. Man denke!--Nein, Marschall, so hab' ich doch eine bessere
Zeitung für Sie--Daß Lady Milford Majorin von Walter wird, ist Ihnen
gewiß etwas Neues?
Hofmarschall. Denken Sie!--Und das ist schon richtig gemacht?
Präsident. Unterschrieben, Marschall--und Sie verbinden mich, wenn
Sie ohne Aufschub dahin gehen, die Lady auf seinen Besuch
präparieren und den Entschluß meiner Ferdinands in der ganzen
Residenz bekannt machen.
Hofmarschall (entzückt). O mit tausend Freuden, mein Bester!--Was
kann mir erwünschter kommen?--Ich fliege sogleich--(Umarmt ihn.)
Leben Sie wohl--in drei Viertelstunden weiß es die ganze Stadt. (Hüpft
hinaus.)
Präsident (lacht dem Marschall nach). Man sage noch, daß diese
Geschöpfe in der Welt zu nichts taugen--Nun muß ja mein Ferdinand
wollen, oder die ganze Stadt hat gelogen. (Klingelt--Wurm kommt.)
Mein Sohn soll hereinkommen. (Wurm geht ab, der Präsident auf und
nieder, gedankenvoll.)

Siebente Scene.
Ferdinand. Präsident. Wurm, welcher gleich abgeht.
Ferdinand. Sie haben befohlen, gnädiger Herr Vater-Präsident. Leider
muß ich das, wenn ich meines Sohns einmal froh werden will--Laß Er

uns allein, Wurm!--Ferdinand, ich beobachte dich schon eine Zeitlang
und finde die offene rasche Jugend nicht mehr, die mich sonst so
entzückt hat. Ein seltsamer Gram brütet auf deinem Gesicht. Du fliehst
mich--du fliehst deine Zirkel--Pfui!--Deinen Jahren verzeiht man zehn
Ausschweifungen vor einer einzigen Grille. Überlaß diese mir, lieber
Sohn! Mich laß an deinem Glück arbeiten und denke auf nichts, als in
meine Entwürfe zu spielen.--Komm! umarme mich, Ferdinand!
Ferdinand. Sie sind heute sehr gnädig, mein Vater.
Präsident. Heute, du Schalk--und dieses Heute noch mit der herben
Grimasse? (Ernsthaft.) Ferdinand!--Wem zu lieb hab' ich die
gefährliche Bahn zum Herzen des Fürsten betreten? Wem zu lieb bin
ich auf ewig mit meinem Gewissen und dem Himmel zerfallen?--Höre,
Ferdinand!--Ich spreche mit meinem Sohn--Wem hab' ich durch die
Hinwegräumung meines Vorgängers Platz gemacht--eine Geschichte,
die desto blutiger in mein Inwendiges schneidet, je sorgfältiger ich das
Messer der Welt verberge! Höre! sage mir, Ferdinand! Wem that ich
Dies alles?
Ferdinand (tritt mit Schrecken zurück). Doch mir nicht, mein Vater?
Doch auf mich soll der blutige Widerschein dieses Frevels nicht fallen?
Beim allmächtigen Gott! es ist besser, gar nicht geboren zu sein, als
dieser Missethat zur Ausrede dienen!
Präsident. Was war das? Was? Doch ich will es dem Romanenkopfe zu
gut halten!--Ferdinand!--ich will mich nicht erhitzen, vorlauter
Knabe--Lohnst du mir also für meine schlaflosen Nächte? Also für
meine rastlose Sorge? Also für den ewigen Scorpion meines
Gewissens?--Auf mich fällt die Last der Verantwortung--auf mich der
Fluch, der Donner des Richters--Du empfängst dein Glück von der
zweiten Hand--das Verbrechen klebt nicht am Erbe.
Ferdinand (streckt die rechte Hand gen Himmel). Feierlich entsag' ich
hier einem Erbe, das mich nur an einen abscheulichen Vater erinnert.
Präsident. Höre, junger Mensch, bringe mich nicht auf!--Wenn es nach
deinem Kopf ginge, du kröchest dein Lebenlang im Staube.
Ferdinand. O, immer noch besser, Vater, als ich kröch' um den Thron
herum.
Präsident (verbeißt seinen Zorn). Hum!--Zwingen muß man dich, dein
Glück zu erkennen. Wo zehn Andre mit aller Anstrengung nicht
hinaufklimmen, wirst du spielend, im Schlafe gehoben. Du bist im

zwölften Jahre Fähndrich. Im zwanzigsten Major. Ich hab' es
durchgesetzt beim Fürsten. Du wirst die Uniform ausziehen und in das
Ministerium eintreten. Der Fürst sprach vom
Geheimenrath--Gesandtschaften--außerordentlichen Gnaden. Eine
herrliche Aussicht dehnt sich vor dir!--Die ebene Straße zunächst nach
dem Throne--zum Throne selbst, wenn anders die Gewalt so viel werth
ist, als ihr Zeichen--das begeistert dich nicht?
Ferdinand. Weil meine Begriffe von Größe und Glück nicht ganz die
Ihrigen sind--Ihre Glückseligkeit macht sich nur selten anders, als
durch Verderben bekannt. Neid, Furcht, Verwünschung sind die
traurigen Spiegel, worin sich die Hoheit eines Herrschers belächelt.
--Thränen, Flüche, Verzweiflung die entsetzliche Mahlzeit, woran diese
gepriesenen Glücklichen schwelgen, von der sie betrunken aufstehen
und so in die Ewigkeit vor den Thron Gottes taumeln--Mein Ideal von
Glück zieht sich genügsamer in mich selbst zurück. In meinem Herzen
liegen alle meine Wünsche begraben.-Präsident. Meisterhaft!
Unverbesserlich! Herrlich! Nach dreißig Jahren die erste Vorlesung
wieder!--Schade nur, daß mein fünfzigjähriger Kopf zu zäh für das
Lernen ist!--Doch--dies seltne Talent nicht einrosten zu lassen, will ich
dir Jemand an die Seite geben, bei dem du dich in dieser
buntscheckigen Tollheit nach Wunsch exercieren kannst.--Du wirst
dich entschließen--noch heute entschließen--eine Frau zu nehmen.
Ferdinand (tritt bestürzt zurück). Mein Vater?
Präsident. Ohne Complimente.--Ich habe der Lady Milford in deinem
Namen eine Karte geschickt. Du wirst dich ohne Aufschub bequemen,
dahin zu gehen und ihr zu sagen, daß du ihr Bräutigam bist!
Ferdinand. Der Milford, mein Vater?
Präsident. Wenn sie dir bekannt ist-Ferdinand (außer Fassung).
Welcher Schandsäule im Herzogthum ist sie das nicht!--Aber ich bin
wohl lächerlich, lieber Vater, daß ich Ihre Laune für
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