Kabale und Liebe | Page 8

Friedrich von Schiller
Ernst aufnehme?
Würden Sie Vater zu dem Schurken Sohn sein wollen, der eine
privilegierte Buhlerin heirathete?
Präsident. Noch mehr! Ich würde selbst um sie werben, wenn sie einen
Fünfziger möchte--Würdest du zu dem Schurken Vater nicht Sohn sein
wollen?
Ferdinand. Nein! So wahr Gott lebt!
Präsident. Eine Frechheit, bei meiner Ehre! die ich ihrer Seltenheit

wegen vergebe-Ferdinand. Ich bitte Sie, Vater! Lassen Sie mich nicht
länger in einer Vermuthung, wo es mir unerträglich wird, mich Ihren
Sohn zu nennen.
Präsident. Junge, bist du toll? Welcher Mensch von Vernunft würde
nicht nach der Distinction geizen, mit seinem Landesherrn an einem
dritten Orte zu wechseln?
Ferdinand. Sie werden mir zum Räthsel, mein Vater. Distinction
nennen Sie es--Distinction, da mit dem Fürsten zu theilen, wo er auch
unter den Menschen hinunterkriecht?
Präsident (schlägt ein Gelächter auf).
Ferdinand. Sie können lachen--und ich will über das hinweggehen,
Vater. Mit welchem Gesicht soll ich unter den schlechtesten
Handwerker treten, der mit seiner Frau wenigstens doch einen ganzen
Körper zum Mitgift bekommt? Mit welchem Gesicht vor die Welt? Vor
den Fürsten? Mit welchem vor die Buhlerin selbst, die den
Brandflecken ihrer Ehre in meiner Schande auswaschen würde?
Präsident. Wo in aller Welt bringst du das Maul her, Junge?
Ferdinand. Ich beschwöre Sie bei Himmel und Erde! Vater, Sie können
durch diese Hinwerfung Ihres einzigen Sohnes so glücklich nicht
werden, als Sie ihn unglücklich machen. Ich gebe Ihnen mein Leben,
wenn das Sie steigen machen kann. Mein Leben hab' ich von Ihnen, ich
werde keinen Augenblick anstehen, es ganz Ihrer Größe zu opfern.
--Meine Ehre, Vater--wenn Sie mir diese nehmen, so war es ein
leichtfertiges Schelmenstück, mir das Leben zu geben, und ich muß den
Vater wie den Kuppler verfluchen.
Präsident (freundlich, indem er ihn auf die Achsel klopft). Brav, lieber
Sohn. Jetzt seh' ich, daß du ein ganzer Kerl bist und der besten Frau im
Herzogthum würdig. Sie soll dir werden--noch diesen Mittag wirst du
dich mit der Gräfin von Ostheim verloben.
Ferdinand (aufs Neue betreten). Ist diese Stunde bestimmt, mich ganz
zu zerschmettern?
Präsident (einen lauernden Blick auf ihn werfend). Wo doch hoffentlich
deine Ehre nichts einwenden wird?
Ferdinand. Nein, mein Vater! Friederike von Ostheim könnte jeden
Andern zum Glücklichsten machen. (Vor sich in höchster Verwirrung.)
Was seine Bosheit an seinem Herzen noch ganz ließ, zerreißt seine
Güte.

Präsident (noch immer kein Auge von ihm wendend). Ich warte auf
deine Dankbarkeit, Ferdinand-Ferdinand (stürzt auf ihn zu und küßt
ihm feurig die Hand). Ihre Gnade entflammt meine ganze
Empfindung--Vater! meinen heißesten Dank für Ihre herzliche
Meinung--Ihre Wahl ist untadelhaft--aber--ich kann--ich darf--bedauern
Sie mich--ich kann die Gräfin nicht lieben!
Präsident (tritt einen Schritt zurück). Holla! Jetzt hab' ich den jungen
Herrn! Also in diese Falle ging er, der listige Heuchler--Also es war
nicht die Ehre, die dir die Lady verbot?--Es war nicht die Person,
sondern die Heirath, die du verabscheutest?-Ferdinand (steht zuerst wie
versteinert, dann fährt er auf und will fortrennen).
Präsident. Wohin? Halt! Ist das der Respect, den du mir schuldig bist?
(Der Major kehrt zurück.) Du bist bei der Lady gemeldet. Der Fürst hat
mein Wort. Stadt und Hof wissen es richtig.--Wenn du mich zum
Lügner machst, Junge--vor dem Fürsten--der Lady--der Stadt--dem Hof
mich zum Lügner machst--Höre, Junge--oder wenn ich hinter gewisse
Historien komme?--Halt! Holla! Was bläst so auf einmal das Feuer in
deinen Wangen aus?
Ferdinand (schneeblaß und zitternd). Wie? Was? Es ist gewiß nichts,
mein Vater!
Präsident (einen fürchterlichen Blick auf ihn heftend). Und wenn es
was ist--und wenn ich die Spur finden sollte, woher diese
Widersetzlichkeit stammt--Ha, Junge! der bloße Verdacht schon bringt
mich zum Rasen! Geh den Augenblick! Die Wachtparade fängt an! Du
wirst bei der Lady sein, sobald die Parole gegeben ist--Wenn ich
auftrete, zittert ein Herzogthum. Laß doch sehen, ob mich ein Starrkopf
von Sohn meistert. (Er geht und kommt noch einmal wieder.) Junge,
ich sage dir, du wirst dort sein, oder fliehe meinen Zorn! (Er geht ab.)
Ferdinand (erwacht aus einer dumpfen Betäubung). Ist er weg? War das
eines Vaters Stimme?--Ja! ich will zu ihr--will hin--will ihr Dinge
sagen, will ihr einen Spiegel vorhalten--Nichtswürdige! und wenn du
auch noch dann meine Hand verlangst--Im Angesicht des
versammelten Adels, des Militärs und des Volks--Umgürte dich mit
dem ganzen Stolz deines Englands--Ich verwerfe dich--ein deutscher
Jüngling! (Er eilt hinaus.)

Zweiter Akt.

Ein Saal im Palais der Lady Milford; zur rechten Hand steht ein Sopha,
zur linken ein Flügel.

Erste Scene.
Lady in einem freien, aber reizenden Negligé, die Haare noch unfrisiert,
sitzt vor dem Flügel und phantasiert; Sophie, die Kammerjungfer,
kommt von dem Fenster.
Sophie. Die Officiers gehen auseinander. Die Wachtparade ist
aus--aber ich sehe noch keinen Walter.
Lady (sehr unruhig, indem sie aufsteht und einen Gang durch den Saal
macht). Ich weiß nicht, wie ich mich heute finde, Sophie--Ich bin noch
nie so gewesen--Also du sahst ihn gar nicht?--Freilich wohl--Es wird
ihm
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