Kabale und Liebe | Page 6

Friedrich von Schiller
hat, entzückt mich sogar--Nur, mein lieber Wurm, muß Er
mich nicht mit prellen wollen.--Nur, versteht Er mich, muß Er den Pfiff
nicht bis zum Einbruch in meine Grundsätze treiben.
Wurm. Ihro Excellenz verzeihen. Wenn auch wirklich--wie Sie
argwohnen--die Eifersucht hier im Spiel sein sollte, so wäre sie es
wenigstens nur mit den Augen und nicht mit der Zunge.
Präsident. Und ich dächte, sie bliebe ganz weg. Dummer Teufel, was
verschlägt es denn Ihm, ob Er die Karolin frisch aus der Münze oder
vom Bankier bekommt. Tröst' Er sich mit dem hiesigen
Adel--wissentlich oder nicht--bei uns wird selten eine Mariage
geschlossen, wo nicht wenigstens ein halb Dutzend der Gäste--oder der

Aufwärter--das Paradies des Bräutigams geometrisch ermessen kann.
Wurm (verbeugt sich). Ich mache hier gern den Bürgersmann, gnädiger
Herr.
Präsident. Überdies kann Er mit Nächstem die Freude haben, seinem
Nebenbuhler den Spott auf die schönste Art heimzugeben. Eben jetzt
liegt der Anschlag im Kabinet, daß, auf die Ankunft der neuen
Herzogin, Lady Milford zum Schein den Abschied erhalten und, den
Betrug vollkommen zu machen, eine Verbindung eingehen soll. Er
weiß, Wurm, wie sehr sich mein Ansehen auf den Einfluß der Lady
stützt--wie überhaupt meine mächtigsten Springfedern in die
Wallungen des Fürsten hineinspielen. Der Herzog sucht eine Partie für
die Milford. Ein Anderer kann sich melden--den Kauf schließen, mit
der Dame das Vertrauen des Fürsten anreißen, sich ihm unentbehrlich
machen--Damit nun der Fürst im Netz meiner Familie bleibe, soll mein
Ferdinand die Milford heirathen--Ist Ihm das helle?
Wurm. Daß mich die Augen beißen--Wenigstens bewies der Präsident
hier, daß der Vater nur ein Anfänger gegen ihn ist. Wenn der Major
Ihnen eben so den gehorsamen Sohn zeigt, als Sie ihm den zärtlichen
Vater, so dürfte Ihre Anforderung mit Protest zurückkommen.
Präsident. Zum Glück war mir noch nie für die Ausführung eines
Entwurfes bang, wo ich mich mit einem: es soll so sein! einstellen
konnte.--Aber seh' Er nun, Wurm, das hat uns wieder auf den vorigen
Punkt geleitet. Ich kündige meinem Sohn noch diesen Vormittag seine
Vermählung an. Das Gesicht, das er mir zeigen wird, soll Seinen
Argwohn entweder rechtfertigen oder ganz widerlegen.
Wurm. Gnädiger Herr, ich bitte sehr um Vergebung. Das finstre
Gesicht, das er Ihnen ganz zuverlässig zeigt, läßt sich eben so gut auf
die Rechnung der Braut schreiben, die Sie ihm zuführen, als derjenigen,
die Sie ihm nehmen. Ich ersuche Sie um eine schärfere Probe. Wählen
Sie ihm die untadelichste Partie im Lande, und sagt er Ja, so lassen Sie
den Secretär Wurm drei Jahre Kugeln schleifen.
Präsident (heißt die Lippen). Teufel!
Wurm. Es ist nicht anders! Die Mutter--die Dummheit selbst--hat mir
in der Einfalt zu viel geplaudert.
Präsident (geht auf und nieder, preßt seinen Zorn zurück). Gut! Diesen
Morgen noch.
Wurm. Nur vergessen Ew. Excellenz nicht, daß der Major--der Sohn

meines Herrn ist!
Präsident. Er soll geschont werden, Wurm.
Wurm. Und daß der Dienst, Ihnen von einer unwillkommenen
Schwiegertochter zu helfen-Präsident. Den Gegendienst werth ist, Ihm
zu einer Frau zu helfen?--Auch das, Wurm!
Wurm (bückt sich vergnügt). Ewig der Ihrige, gnädiger Herr! (Er will
gehen.)
Präsident. Was ich Ihm vorhin vertraut habe, Wurm! (Drohend.) Wenn
Er plaudert-Wurm (lacht). So zeigen Ihr' Excellenz meine falschen
Handschriften auf. (er geht ab.)
Präsident. Zwar bist du mir gewiß! Ich halte dich an deiner eigenen
Schurkerei, wie den Schröter am Faden.
Ein Kammerdiener (tritt herein). Hofmarschall von Kalb-Präsident.
Kommt wie gerufen.--Er soll mir angenehm sein. (Kammerdiener
geht.)

Sechste Scene.
Hofmarschall von Kalb in einem reichen, aber geschmacklosen
Hofkleid, mit Kammerherrnschlüsseln, zwei Uhren und einem Degen,
Chapeaubas und frisiert à la Hérisson. Er fliegt mit großem Gekreisch
auf den Präsidenten zu und breitet einen Bisamgeruch über das ganze
Parterre. Präsident.
Hofmarschall (ihn umarmend). Ah guten Morgen, mein Bester! Wie
geruht? wie geschlafen?--Sie verzeihen doch, daß ich so spät das
Vergnügen habe--dringende Geschäfte--der
Küchenzettel--Visitenbillets--das Arrangement der Partieen auf die
heutige Schlittenfahrt--Ah--und dann mußt' ich ja auch bei dem Lever
zugegen sein und Seiner Durchleucht das Wetter verkündigen.
Präsident. Ja, Marschall, da haben Sie freilich nicht abkommen können.
Hofmarschall. Oben drein hat mich ein Schelm von Schneider noch
sitzen lassen.
Präsident. Und doch fix und fertig?
Hofmarschall. Das ist noch nicht Alles.--Ein Malheur jagt heut das
andere. Hören Sie nur!
Präsident (zerstreut). Ist das möglich?
Hofmarschall. Hören Sie nur! Ich steige kaum aus dem Wagen, so
werden die Hengste scheu, stampfen und schlagen aus, daß mir--ich

bitte Sie!--der Gassenkoth über und über an die Beinkleider spritzt.
Was anzufangen? Setzen Sie sich um Gotteswillen in meine Lage,
Baron! Da stand ich. Spät war es. Eine Tagreise ist es--und in dem
Aufzug vor Seine Durchleucht! Gott der Gerechte!--Was fällt mir bei?
Ich fingiere eine Ohnmacht. Man bringt mich über Hals und Kopf in
die Kutsche. Ich in voller Carrière nach Haus--wechsle die
Kleider--fahre zurück--Was sagen Sie?--und bin noch der erste in der
Antichambre--Was denken Sie?-Präsident. Ein herrliches Impromptu
des menschlichen Witzes--Doch das
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