König Ottokars Glück und Ende | Page 4

Franz Grillparzer
Wunsch, gar wohl
verzeihlich einem König! Doch was soll Erbrecht, das aus Unrecht
stammt? Sie waren es, die dieser Ehe Trennung Mit unermüdlicher
Geschäftigkeit Und ohne Auftrag fast des Königs trieben; Denn eine
ihres Hauses hofften sie Zu setzen auf der Böhmen Herrscherthron: Die
Arme, die jetzt mit dem Wahnsinn ringt! Wie oft war sie an Festen mir
genüber, Mit Schmuck bedeckt, des Hofes Schwall um sie; Indes ich
einsam saß mit meinem Gram. Der König Augen nur für ihren Reiz
Und Ohr für ihren Wunsch, des Mundes Dräun Zur Schmeichelei
herabgestimmt für sie. Sie aber froh und stolz und überselig, Wohl gar
verächtlich blickend hin auf mich. Da fühlt' ich Mitleid mit dem armen
Opfer Und nahm mir vor, am Tage ihres Falls Ihr mild zu sein und
hilfreich ihrem Unglück. O Ottokar, wie viel nimmst du auf dich!
Rudolf. Vergeßt nicht ob der Unbild an der Fremden Der eignen,
größern Unbild, gnäd'ge Frau!
Margarethe. O glaubt nicht, daß den König ich entschuldige! Fern sei

von mir, daß ich je Böses lobe! Er handelt unrecht, unerlaubt an mir,
Und sagen will ich's ihm, tret ich vor ihn. Bin ich nicht jung; ich hab es
nie verhehlt! Hat Gram der Züge Reiz mir ausgelöscht; Er sah mich ja,
bevor er um mich warb! Vermißt er Munterkeit an mir und Scherz; Wer
hieß den Muntern denn zur Freite gehn Bei der unsel'gen Königin der
Tränen, Zum Grab gebeugt durch all der Ihren Tod? Seitdem mit diesen
Augen ich gesehn, Im grausen Kerker von Apulien, Den röm'schen
König Heinrich, meinen Gatten, Des harten Friedrich allzu weichen
Sohn, Von nahverwandten Händen liegen tot, Und tot die beiden
hoffnungsvollen Kleinen, Die ihm mein Schoß, seitdem verschlossen,
trug; War Lust ein Fremdling dieser öden Brust, Und Lächeln floh
entsetzt von meinen Lippen, Die Gram und Schmerz mit seinem Siegel
schloß.
Was gibt man an als unsrer Trennung Grund? Den ersten weiß ich: ich
bin kinderlos Und ohne Hoffnung, je ein Kind zu säugen; Weil ich
nicht will, weit mehr noch als nicht kann! Das wußte Ottokar, als er
mich freite, Ich sagt' ihm's, und er nahm es für genehm; Denn auf mein
reiches Erb' von Österreich War da sein Sinn gestellt und seines Vaters,
Des ländersücht'gen König Wenzeslav. Was will der König also?
Kinder, Erben? Ein Bettlerkind säß' besser auf dem Thron, Als
Königssöhne, die das Unrecht zeugte!
Was gibt man weiter an, als fernern Grund?
Rudolf. Verwandt seid Ihr in unerlaubtem Grad.
Margarethe. Man hat in meiner Jugend mir erzählt Von einem Bela
wohl und einem Geysa, Die Brüder waren, Töchter hatten und Nach
Österreich und Böhmen sie vermählten In Väter Väterszeit. Der König
spottet! Es sind die Fürstenhäuser alle sich verwandt, Und solchen
Grads Erlassung fällt nicht schwer. Auch hat man anfangs dessen nicht
erwähnt!
Rudolf. Erinnrung kam mit der gelegnen Zeit!
Margarethe. Glaubt nicht, daß mich bekümmert, fortzugehn, Daß es mir
leid tut um des Hofes Ehren! O könnt' ich jetzt, in diesem Augenblick,
Weit hinter mir der Krone Glanz und Pracht, Nach Haimburg hin, in
meiner Väter Schloß, Allwo ich saß nach meines Gatten Tod Und sein
und meiner Kinder Fall beweinte! Der König sende heute noch mich
fort, Ich will ihm danken, wie ich nie gedankt! Doch soll er mir die Ehe
nicht betasten, Beflecken nicht das Band, das uns vereint, Und so der

jüngstverfloßnen Jahre Lauf Zum Greuel machen und zum Ärgernis!
Ich habe diese Krone nicht gesucht! Auf Haimburg saß ich, meines
Grams gedenkend, Beinah dem allgemeinen Elend taub: Denn Brand
und Raub verwüstete mein Land; Der Ungar hier, der Baier dort, der
Böhme, Sie hausten mit dem Schwert in Österreich, Verderbend meiner
Väter schönes Erbe. Da tagten sie, die Herrn, zu Triebensee, Wie sie
dem Wesen einen Vogt gewännen, Und Boten sandten sie ins
Meißnerland, Von dorther einen Fürsten sich zu holen, Konstanzias,
der Babenbergrin, Sohn. Die Boten aber fing der König auf, Der
damals herrscht' in Böhmen, Wenzeslav, Der Listige; und ließ nicht
eher ab Mit Bitten, Drohn, Versprechen und Geschenken, Bis seinem
Sohn, bis diesem Ottokar Der Herren Wahl, des Landes Herrschaft
wurde. Der wollte, jener nicht; und neuer Krieg Durchflammte
glühnder meines Landes Fluren. Da traten zu mir hin, auf Haimburgs
Schloß, Die Landesherrn und klagten ihre Not. Ein Mittel als das
einz'ge nannten sie: Des Stärksten Recht durch meines zu verstärken,
Durch Ottokars Vermählung und die meine Mit Böhmen zu vereinen
Österreich. Ich sagte: Nein! gedenkend meines Gatten, Der meine
Treue mit sich nahm ins Grab. Da führten sie mich auf des Schlosses
Söller Und zeigten mir das glutversengte Land, Die Felder nackt, die
Hütten leer, die Menschen tot. Von Weibern, Kindern, Blutenden,
Verletzten Sah ich mit Schaudern, heulend, mich umgeben, Zu mir um
Rettung flehend, die's vermochte. Da wollt' ich alles und versprach es
ihnen! Sie aber brachten Ottokarn zu mir, Mir ihn bezeichnend
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