Japanischer Frühling | Page 5

Hans Bethge

ganz und gar,--
Nur an des grossen Meeres Wellenblumen,
Den
immer gleichen, kannst du nicht erkennen,
Dass nun der bunte Herbst
gekommen ist.
SCHATTEN
UNBEKANNTER DICHTER

Ich bin vor lauter Sehnsucht abgemagert
Gleich einem Schatten.
Könnt ich wenigstens
Ersetzen nun den Schatten der Geliebten,

Dass ich zu ihren Füssen weilen dürfte!
Jedoch auch dieser Dienst bleibt mir versagt.
SCHNEE
UNBEKANNTER DICHTER
Wenn so wie dort der Schnee gewaltig anwächst,
Sich auch die öden
Nächte mehren würden,
Da du mir fern bist,--o ich wünschte wohl,

Dass mich das Dasein länger nicht bedrücke,
Dass ich so bald
hinschwände wie der Schnee.
IMMER WIEDER
UNBEKANNTER DICHTER
Ich weiss es: alle Mühe ist umsonst,
Dir zu begegnen. Dennoch,
immer wieder.
Geh ich hinaus und hoffe dich zu finden,--
Wie
könnt ich ruhn, da ich voll Sehnsucht bin!
SCHLAFLOS
UNBEKANNTER DICHTER
In schlafgemiedner Nacht hör ich die Rufe
Des Kuckucks aus den
Bergen klingen. Ach,
Bist du von Liebesschmerzen auch geplagt,

Dass du nicht schlafen kannst, o ferner Vogel?
UNERWIDERTE LIEBE
UNBEKANNTER DICHTER
Ich wünschte, dass es möglich sei, die Herzen
Der Menschen zu
vertauschen. Dann, o Freund,
Nachdem mein armes Herz du

eingetauscht.
Würdest auch du einmal begreifen lernen,
Wie Liebe
quält, die nicht erwidert wird.
SEHNSÜCHTIGER GEDANKE
UNBEKANNTER DICHTER
Wenn du zur Blüte sprächest: Welke nicht,
Bleib an dem Zweige
haften, den du zierst,--
Und es geschähe wirklich, was du
wünschest,--
Gäb es wohl Holderes in dieser Welt?
DER DUFTENDE ÄRMEL
UNBEKANNTER DICHTER
Mein Ärmel duftet köstlich, da ich Blüten
Vom Pflaumenbaume
pflückte. Dicht bei mir
Hebt plötzlich eine Nachtigall melodisch
Zu
singen an, vom Duft herbeigelockt:
Die Holde meint, hier sei ein
Baum erblüht.
DAS KOPFKISSEN
KANEMORI
O Fürst, Ihr bietet Euren Arm mir an
Als Kissen für die Nacht? Ich
wag es nicht,--
Denn sicher: Eure Liebe wär verrauscht,
Bevor die
Nacht noch in den Tag verrinnt;
Ich aber, recht entflammt erst, würde
nimmer
Vor Liebesschmerz und Sehnsucht meine Ruhe

Zurückgewinnen,--darum quält mich nicht.
HEIMLICHE LIEBE
KANEMORI
Obgleich ich mir die grösste Mühe gebe,
Mein leidenschaftlich
Fühlen zu verbergen,
Ist doch mein Angesicht so sehr verwandelt,

Dass jeder, den ich treffe, mich mit Schrecken
Befragt, welch eine

Krankheit in mir wühle,
Da ich so ganz und gar verändert sei.
BEI BETRACHTUNG DES MONDES
UNBEKANNTE KURTISANE
Sehr weit von dir entfernt, betracht ich mit
Verliebtem Auge den
gestirnten Himmel.
O! wenn der Mond sich jetzt in einen Spiegel
Verwandeln würde, mir
dein Bild zu zeigen!
Doch er bleibt Mond und lacht nur meiner Qual.
UNMÖGLICHKEIT
OKI KASSI
Wie könnt ich deine wundervolle Schönheit,
Die allzu spröde, die ich
ohne Hoffnung
Anbete, aus dem wirren Sinn mir reissen,
Da sie
mir jede Nacht im Traum erscheint,
Um mir zu sagen, dass ich hoffen
solle!
SCHWERMUT
TERANGE
Ich armer Tropf! Ein anderer besitzt
Das Herz des schönen Mädchens,
das ich liebe.
Mir kommt die Trauerweide in den Sinn
Am Rande meines Gartens.
Mir gehört.
Die Weide zwar, doch ihre Zweige schmücken
Des Nachbars Garten
und den meinen nicht.
VERZWEIFLUNG

SIGEYUKI
So wie die Woge
Im Sturmwind
Am felsigen Ufer zerbricht,--
So
zerschellt meine Liebe
An deines Hochmuts
Trotzigen Felsen,

Kalte Geliebte.
DIE VERLASSENE
UNBEKANNTE DICHTERIN
Freund, ahnst du nicht,
Wie unendlich traurig und lang
Die Nacht
ist, vom Abend her
Bis zur schimmernden Morgenröte,
Wenn ich
einsam, einsam, einsam
Seufzend daliege
Auf meiner
tränenbefeuchteten
Binsenmatte?
Ahnst du das nicht?
NOCH EINMAL
FRAU IZUMI SHIKIBU
Noch einmal lass mich, o Geliebter,
Bevor ich diese Welt verlasse,

Dein liebes Antlitz wiedersehen,
Dass ich es tief in meine Seele

Einpräge und es mit mir nehme
Ins dunkle Land der Ewigkeit.
DIESELBE NACHT
FRAU INNO BETTO
Wie kommt es,
Dass ein und dieselbe durchwachte Nacht
Deinem
Herzen die Ruhe gab.
Während sie mich
Für den Rest meines
Lebens
Mit ganz wahnsinniger
Liebe erfüllt hat?
ERREGUNG
FRAU HORIKAWA

O Gott, ob er mir treu bleibt? Himmel! Himmel!
Ich weiss es nicht;
ich weiss nur, dass mein Hirn,
Seitdem das Morgenrot ihn von mir
riss,
So ganz verwirrt ist wie mein dunkles Haar,
Das seine
Wildheit mir so wirr gemacht.
JAMMER DER ERDE
FUJIWARA NO TOSHINARI
Auf dieser Erde ward kein Weg gebahnt,
Dem Kummer und dem
Elend zu entfliehn.
Selbst wenn ich in die tiefen Berge streife,
Wohin mich eine alte
Sehnsucht zieht,
Tönt das Geschrei der abendlichen Hirsche

Wehklagend melancholisch an mein Ohr.
GEDANKEN
SAIGYO
So wie der Rauch des Fuji-Yama blass
Und ziellos in die windigen
Lüfte steigt.
Um dann zu sterben an dem weiten Himmel:
So
steigen die Gedanken, die ich hege,
Ziellos und zwecklos und auf
flüchtigen Pfaden
Ins Blau hinein und schwinden spurlos hin.
SCHWERMUT
SAIGYO
Und wer in seinem Herzen noch so sehr
Verhärtet ist: ein Weh
durchschauert ihn,
Und Schwermut senkt sich tief in sein Gemüt,

Wenn er zur Dämmrung aus den sumpfigen Wiesen
Die Schnepfen in
den Abend steigen sieht.
VOM MOND
SAIGYO

Vom Mond soll ich in Versen zu euch reden?
O zwecklos. Denn wer
könnte das begreifen,
Was mich erfüllt, was mich im Innersten

Bewegt und in mir aufblüht tief und dunkel.
Wenn sich mein Herz in
unruhvollen Nächten
Zu dir emporhebt, o geliebter Mond?
ABSCHIED VON DEN BLÜTEN
SAIGYO
So innig hab ich mit den holden Blüten
Des Frühlings mich
befreundet, dass mir scheint,
Wir seien eins geworden, sie und ich.

Da sie nun welken, von der Zeit bezwungen.
Und traurig hingehn,
mich alleine lassend.
Füllt sich mein Herz mit namenlosem Jammer,

Und schluchzend nehm ich Abschied, fassungslos.
BLÜTEN
SAIGYO
Wie kommt es,
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