Japanischer Frühling | Page 4

Hans Bethge
Fluren heulen
Und Laub und
Früchte von den Bäumen schütteln
Und Blüten knicken, wo er immer
weht.
Drum, willst du Blüten pflücken,--tu es heute!
Vielleicht,
vielleicht ists morgen schon zu spät.
AN EINEN FREUND
MITSUNE
Du kommst nur, um die Blumen blühn zu sehen
Bei meinem Hause.
Sind sie erst verwelkt,
So weiss ich wohl, dass ich mich Tag für Tag

Umsonst nach deinem Kommen sehnen werde.
ERINNERUNG
TADAMINE
Da ich von ihr auf ewig schied, stand fühllos
Und blass der Mond am
Morgenhimmel da.
Nichts quält mich schrecklicher seit jenem Morgen,
Als wenn ich in
der Frühe, müd erwacht,
Den Mond in fahler Dämmerung hängen

seh.
FROMMER WUNSCH
TADAMINE
Ich wünschte wohl, dass ich in Mondschein mich
Verwandeln könnte.
Endlich würde dann
Das Mädchen, das ich so voll Inbrunst liebe.

Mit schmachtendem Gefühle mich betrachten,
Während es jetzt nur
grausam zu mir ist.
HALTLOS
TADAMINE
So wie die Wasserlinsen auf dem Fluss
Ganz wurzellos und ohne
jeden Halt
Hierhin und dahin ziehn: so treib auch ich
Haltlos umher
im Strome meiner Liebe.
DAS KLAGENDE HERZ
FUKAYOBU
Vergleichbar einer Wildgans ist mein Herz,
Das krank von Sehnsucht
dir entgegenschlägt.
Es irrt umher und klagt voll banger Unruh,
So
wie die Wildgans in dem Meer der Luft.
DIE ALLERERSTEN BLÜTEN
MASAZUMI
Froh sprudeln durch die Ritzen nun des Eises,
Das vor dem Lenz
zergeht, die weissen Wellen
Des Giessbachs auf: die ersten weissen
Blüten
Des lieben Frühlings möchten sie uns sein.
DAUERNDE ERINNERUNG
KI NO ARITOMO

Ich wünsche ein Gewand mir von der Farbe
Der Kirschenblüten.
Wenn die Blüten dann
Schon lang verwelkt sind, werd ich immer
doch
Durch mein Gewand an ihre Lust gemahnt.
JUBEL
TSURAYUKI
Was seh ich Helles dort? Aus allen Gründen
Zwischen den Bergen
quellen weisse Wolken
Verlockend auf,--die Kirschen sind erblüht!

Der Frühling ist gekommen, wunderbar!
BLÜTEN UND HERZEN
TSURAYUKI
Ihr meint, zu balde weht die Kirschenblüte
Im Wind dahin? Ach,
flüchtiger ist manches.
Verändert sich das Herz des Menschen nicht

Oft schneller, als ein Windhauch sich erhebt?
SCHNEE IM FRÜHLING
TSURAYUKI
Der Frühling naht mit seinem Dunst. Die Bäume
Setzen schon
Knospen an. Doch von dem Himmel
Fällt Schnee auf Schnee, als
wollt er nimmer enden.
Wie sonderbar,--nun sinken Blüten nieder,

Obwohl der Lenz noch keine Blüten schuf.
BLÜTENSCHNEE
TSURAYUKI
Leis senkt sich Schnee auf uns herab, und dennoch
Weht lauer
Windhauch zart an unsre Stirnen.
Geschah ein Wunder denn? O
welch ein Schnee,
Des Heimat nie der Himmel war! Es ist ja
Der
holde, duftgeborene Frühlingsschnee
Der Kirschenblüten!

SEITDEM ICH DICH LIEBE
ATSUTADA
Seitdem ich dich liebe,
Vergleiche ich meine Gefühle
Und meine
kühnen Gedanken
Mit jenen, die ich früher hegte.
Und ich erkenne,
Dass ich früher
Ganz gedankenlos
Und, ach,
ganz fühllos war.
GESTEIGERTE SEHNSUCHT
ATSUTADA
Sehr gross war meine Sehnsucht, eh ich zur
Geliebten kam. Doch
jetzt, da ich bei ihr
Glückselige Zeit verbringen durfte, bin ich

Wohl ganz beschwichtigt und gestillt? O nein!
Viel mächtiger ist
meine Sehnsucht nun,
Viel ungebändigter als je zuvor!
ANKUNFT DES FRÜHLINGS
UNBEKANNTER DICHTER
Noch glänzt der Schnee hernieder von den Bergen,
Doch regt sich
schon der Frühling in dem Tal.
Die Tränen, die die Nachtigall
geweint hat.
Und die zu Eis gefroren waren, tauen
Allmählich auf. Im holden Duft
der Tage
Erklingt nun bald das Lied der Frühlingsbraut.
Der Nebel, der noch um die Büsche schleift.
Ist nur ein leichtes,
schmächtiges Gewebe,--
Ein Windhauch durch die Flur--und er
zerstiebt.
Wie herrlich glänzt die Weide schon am Bach!
Auf ihrem dünnen,
wallenden Gezweige
Reiht sich der Tau zu silbernen Perlen auf.

Und gar der Pflaumenbaum! Er steht schon prunkend
Im Kleide
seiner weissen Blüten da,
Verklärend jedes Auge, das ihn schaut.
Welch holdes Wesen war es, das ihn leise
Gestreift hat mit dem
seidnen Saum des Ärmels,
Da es versonnen ihm vorüberging?
LIEBE
UNBEKANNTER DICHTER
Die Liebe rast durch meine Brust,
So wie durch weite, dunkle Wälder

Ein Berggewässer unterm Laub
Der ungeheuren Bäume rast.
Die Fichte trotzt auf Felsenhöhen
Fast ohne Nahrung Wind und
Wetter.
Die Liebe braucht noch weniger Reichtum,
Um froh zu
trotzen aller Welt!
DAS ALTER
UNBEKANNTER DICHTER
Wenn ich erführe, dass das Alter mich
Besuchen wollte,--flugs
schlöss' ich die Tür,
Und "Ich bin nicht zu Hause!" würd ich rufen,

Und nimmermehr liess ichs zu mir herein.
LIEBEN UND STERBEN
UNBEKANNTER DICHTER
Wer hat der Liebe denn den Namen "Liebe"
Dereinst gegeben? Viel
bezeichnender
Hätt er den Namen "Sterben" ihr verliehn,
Denn
Lieben, das ist Sterben,--wahrlich, wahrlich!
DAS MÄDCHEN AUF DER BRÜCKE
UNBEKANNTER DICHTER

Das rauschende Gewässer Katashiwas
Ist überwölbt von einer
schönen Brücke,
Der purpurroter Lack zum Schmuck gereicht.
Ein
zartes Mädchen wandelt unbegleitet
Mit kleinen Füssen trippelnd
drüber hin;
Ein blaues Kleid mit rotem Rande schmiegt sich
An
ihre feinen Hüften wohlig an.
O wüsste ich, ob ihre Hand noch frei ist,

Ob nicht ein andrer schon dies Herz gewann!
Schnell sagt mir, wo
sie wohnt! Ich wills versuchen,
Ob ich sie noch für mich gewinnen
kann!
LIEBESQUALEN
UNBEKANNTER DICHTER
Die Ärmel meines Kleides sind durchfeuchtet
Von vielen Tränen.
Allen, die mich fragen,
Sag ich, dass es vom Frühlingsregen sei.
Ich meinte immer, dass das Kraut Vergessen
Auf Beeten wachse.
Nun hab ich erfahren,
Dass es in liebelosen Herzen blüht.
Unsinnig ist es, Worte hinzuschreiben
In fliessendes Gewässer. Doch
der Gipfel
Des Wahnsinns ist es: seine Liebesträume.
Zu widmen einer Frau, die fühllos ist.
HERBST
UNBEKANNTER DICHTER
Die Gräser und die Bäume und die Blumen
Veränderten die Farben
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