Japanischer Frühling | Page 3

Hans Bethge
auf der Erde walten, dass sie dir
Und
mir und unsrer Liebe gnädig seien!
DIE SCHÖNE KURTISANE
UNBEKANNTER DICHTER
O liebliche Tamana, lächelnde
Verführerin, die Schlankheit deiner
Lenden
Ist dem geschmeidigen Leib der Biene gleich.
Dein Busen ist von edler Form, du stehst
Wie eine Blume da, du hast
ein Lächeln,
Dass alle Leute, die vorübergehn,
Die Schritte hemmen. Ungerufen naht sich
Die Schar der Männer,
steht vor deinem Tore,
Von dir berauscht und voll Begehr nach dir.
Im Hause, das dem deinen nahe liegt,
Macht sich der Gatte von der
Gattin frei
Und steckt dir zu den Schlüssel seiner Türe.
Vernarrt in dich ist alles. Du verstehst es,
Die Herzen zu gewinnen
durch ein Lächeln,
Und Üppigkeit und Wollust sind dein Teil.
QUALVOLLE EIFERSUCHT
UNBEKANNTE DICHTERIN
Ich habe heut den ganzen langen Tag,
Seitdem die Sonne überm
Horizont
Heraufkam, und die ganze lange Nacht,
In der ich
schlaflos in das Dunkel starrte,
Getobt vor Jammer und geweint vor
Wut!
Denn du, ich weiss es, hast in einer Hütte
(Ich möchte sie den

Flammen übergeben!)
Auf alten, schlechten, strohgeflochtnen Matten

(Die wert sind auf dem Kehricht zu vermodern!)
Die plumpen
Wangen einer Bauerndirne
Gestreichelt und geküsst, und hast in
Liebe
Bei ihr geweilt die ganze lange Nacht!
VERGEBENES BEMÜHEN
UNBEKANNTER DICHTER
Dass wir uns lieben, hab ich abgestritten,
Mit heftigen Worten hab
ich es geleugnet,
Ich habe mich so angestrengt mit Leugnen,
Wie
man sich anstrengt, wenn man einen Lastkahn
Am Kap des
leuchtenden Naniwa-Hafens
Mit einem Seile mühevoll dahinzieht,--

Und dennoch bin ich, nichts hat mir genützt,
In das Gerede aller
Welt gekommen!
WUNSCH
UNBEKANNTER DICHTER
Nicht wertvoll scheint das Leben mir; jedoch
Da ich so sehr dich
liebe, wünsch ich wohl,
Dass ich noch lange, lange leben möge,

Um lang noch meine Liebe zu geniessen.
DIE TRÄUME
FRAU KOMACHI
Seit ich im Traum den Mann seh, den ich liebe,--
Seit jener Zeit erst
liebe ich der Träume
Buntfarbene Falter als das köstlichste

Geschenk der Nacht, das ich nicht missen möchte.
EINSAM
FRAU KOMACHI
Der Blüten holde Schönheit ist entwichen,
Der rauhe Regen hat sie

ganz zerstört,
Indessen ich, zwecklos in diesem Dasein,
Einsam den
Blick ins Leere schweifen liess.
DAS LOTUSBLATT
HENJO
Ganz ohne Makel, weiss und leuchtend, blüht
Das Lotusblatt. Es
scheint ganz ohne Trug--
Und dennoch lügt es: denn das eitle will

Uns glauben machen, dass im edeln Schmucke
Von Diamanten es
erstrahle,--und
Es sind doch Tropfen Taus nur, die es zieren!
FAMILIENSTOLZ
HENJO
Die Meinen sind so stolz, dass sie verlangen:
Der Name, den wir
tragen, solle immer
So völlig unverfälscht sein wie die dunkle,
Von
künstlichen Essenzen nicht berührte
Nachtfarbe meines
ungekämmten Haars.
SCHWERMUT
PRINZ NARIHIRA
Wenn nie die Blüten auf den Kirschenbäumen
Erstünden, brauchte
unser Herz auch nie
Zu klagen, wenn die holden Blüten sterben.
Dir gilt mein Hass, o Mond. Denn viele Monde,
Die sich allmählich
aneinanderfügen,
Berauben mich der Wonnen meiner Jugend.
Ich weine meine Ärmel feucht bei Nacht,
Sie werden feuchter als
vom Tau des Herbstes,
Denn du bist fern, der meine Sehnsucht gilt.
TAGELIED EINES MÄDCHENS
PRINZ NARIHIRA

Nimm dich in acht, o Hahn, der krähend von
Der Liebe Bett uns
aufscheucht! Wenn der Tag
Erschienen ist, so schleudr ich in den
Rachen
Des Fuchses dich, damit er dich vertilgt.
Der du den
Liebsten mir so schnell, so schnell
Entführst durch dein
abscheuliches Geschrei!
LIEBESKUMMER
PRINZ NARIHIRA
Da ich am Morgen durch die Büsche ging
Des taubenetzten,
herbstlichen Gefildes,
Nässt ich den Ärmel mir. Doch ganz
durchfeuchtet
Ward er erst nachts von meinen vielen Tränen,
Da
jene mich allein liess, die ich liebe.
SEHNSUCHT NACH DER NACHTIGALL
TOMONORI
Ich will den Frühlingswind, o Nachtigall,
Mit weichen Blumendüften
zu dir senden,
Damit sie dir den Weg herüberweisen
In unsre
Flur,--wir warten schon so lang!
DAUER IM WECHSEL
TOMONORI
Der Kirschbaum stand in Blüten. Schwarz und jung
Fiel mir das Haar
vom Haupt, indes ich tanzte.
Der Kirschbaum stand in Blüten. Frisch und jung
Erglänzten
sie,--mein Haar war grau geworden.
Heut wieder blüht der Kirschbaum. Himmlisch jung
Wie immer
lächeln seine Blüten nieder,--
Mein Haar ward weiss, ich stehe sinnend da.

GLEICHE SEHNSUCHT
TOMONORI
Der Abend kommt herab. Nun wandr ich an
Den Sao-Fluss, im
Windhauch seines Ufers
Die Freundin zu erwarten. Was erklingt
Im
Dunkel so voll Sehnsucht? Horch, das ist
Der einsam-schwermutvolle
Ruf der Möwe,
Die sich nach der Gefährtin sehnt, wie ich.
DIE WILDGANS
OCHI
Vorüber ist die böse Winternacht.
Der Lenz zog ein. Dort durch die
Silberwolken
Breitet die Wildgans kreischend ihre Flügel.
Sie strebt nach Norden, wo seit Monden schon
Das Mädchen weilt,
nach dem mein Herz sich sehnt.
O Wildgans, nimm mich mit auf
deinen Flügeln!
FRÜHLINGSREGEN
OTOMO KURONUSHI
Sie weinen alle, da die Kirschenblüten
Zur Erde rieseln. Dieses fällt
mir ein:
Ob wohl der Regen, der im Frühling fällt,
Die Tränenflut
der trauernden Menschen ist?
BETRACHTUNG
FRAU ISE
Am Ufer von Naniwas Seebucht seh ich Rohr
Mit kleinen Spannen
schwanken in dem feinen Windhauch.
Gelehnt an deine liebe Schulter, muss ich denken,
Ob ich wohl leben
könnte, wenn mich das Geschick.

Die allerkleinste Spanne Zeit von dir entfernt
Zu weilen zwänge,
mein zu sehr Geliebter!
TRÜBSINN
MITSUNE
Du flohest in die Berge, voller Hass
Gegen die Welt. Wenn in den
Bergen nun
Dich auch der dunkle Trübsinn überfällt,--
Wohin dann
willst du weiter fliehn, o Freund?
HEUTE!
MITSUNE
Bald wird der Sturmwind durch die
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