Japanischer Frühling | Page 2

Hans Bethge
Flusse,--
Wenn ich die
weissbedeckten Pflaumenbäume
In meinem Garten sehe, möcht ich
glauben,
Sie blühten schon vom Frühling ganz und gar.
DER FUJI-YAMA
AKAHITO
Zum Himmel schauend, sehe ich den Gipfel
Des Fuji-Yama gross
und feierlich
Ins Ewige schimmern; also ragt er schon
Seit jenen
Zeiten, da die Erde sich
Vom Himmel schied; blick ich zu ihm empor,

So ist mir, dass der Glanz der Sonne sich
Verdunkelt, und der
milde Schein des Mondes
Verschwindet ganz; die weissen Wolken
aber
Tragen Bedenken, über seinen Gipfel
Dahinzuschweben, und
es sinkt der Schnee
Mit stiller Ehrfurcht sanft auf ihn hinab.
O Fuji-Yama, deine Herrlichkeit
Wird man noch preisen in den
fernsten Tagen;
Bis zu der Dichter spätesten Geschlechtern
Wird
deines Ruhmes Glanz nicht untergehn.
BETRACHTUNG
AKAHITO
Wenn stets der Kirschenbaum so wundervoll
Wie jetzt auf allen
Höhen blühen würde,
Wir liebten seine schneeige Schönheit dann

Nicht so wie jetzt, da nur den Lenz sie ziert.
DIE TRAUERWEIDE
MUSHIMARO

Die Trauerweide auf dem Grab des Mädchens
Lässt ihre Zweige nur
nach einer Seite
Hinüberhangen. Eines Jünglings Hügel
Erhebt sich
dort. Wer möchte nun noch zweifeln,
Wem jenes toten Mädchens
Liebe galt?
DER MOND
EDELDAME ISHIKAWA
Seht, wie er sieghaft durch die Wolken bricht!
Sein wunderbarer
Glanz flicht Silbernetze,
Die über Land und Meer sich schimmernd
breiten,
Auch über meinen Strand, wo nun die Steinchen
Des
Sandes klar wie Diamanten schimmern.
FRÜHLINGS ENDE
KIBINO
Der Wind trieb alle Blütenblätter von
Den Zweigen weg. Der
Frühling, der schon lange
Kränklich und blass war, ist geschwunden.
Nur
Der süsse Duft der Pflaumenblüte blieb
Am Ärmel meines
seidenen Gewandes
Gleich einem schönen, müden Traum zurück.
FRÜHLINGS ENDE
OKISHIMA
Im Bambushaine meines Gartens hör ich
Die Nachtigall mit müder
Stimme klagen,--
Sie trauert, weil die weissen Pflaumenblüten
In
Scharen von den Bäumen niederfallen,
Weil nun der Lenz mit seinen
Wundern flieht.
IN DER FREMDE
YAKAMOCHI
Verbannt von meinem Kaiser, leb ich nun
Fünf Jahre schon in

fremdem, wildem Lande,
Entbehrend deinen Anblick, süsses Weib.
Nie darf ich mehr zur Nacht mein müdes Haupt
Auf deinem lieben,
weichen Arme betten;
Hör, was ich tat in meiner Einsamkeit:
Ich säte Nelken aus in meinem Garten;
Wenn sie in Blüte stehn, so
denk ich immer
An dich, die meine schönste Nelke war.
Dies ist der einzige Trost, geliebtes Weib,
In meiner öden Fremde.
Ohne ihn
Würf ich mein Leben unbedenklich ab.
HEIMWEH
YAKAMOCHI
Wenn sich der Abend niedersenkt und Nebel
Eintönig wallen übers
graue Meer,
Und wenn die Kraniche mit müder Stimme
Ins Dunkel
rufen, traurig anzuhören,--
Dann denk ich meiner Heimat,
schmerzdurchweht.
DER BLÜTENZWEIG
FUJIWARA NO HIROTSUGU
Nimm diesen Blütenzweig! In jedem Blatte
Der zarten Blüten
schlummert hundertfach
Ein Liebeswort aus unruhvoller Brust.
O weise meine Liebe nicht zurück!
DER FREUND DES WEINES
TABITO
Wenn ich nicht wäre, was ich bin: ein Mensch,--
Ich möchte eine
Reisweinflasche sein,
Um recht nach Herzenslust in meinen Hals

Den edeln Saft zu saugen, den ich liebe.

AM UFER
UNBEKANNTER DICHTER
Von jenem Ufer winkt mir die Geliebte,
Hier stehe ich, mit
ruhelosem Sinn,
Das Herz erfüllt von ungestümer Sehnsucht,
Und
seufze, seufze endlos. Hätt ich doch
Ein rotlackiertes Schifflein jetzt
zur Hand
Und auch ein Ruder, voller Kunst besetzt
Mit
Edelsteinen,--hurtig wie der Wind
Lenkt ich hinüber, um mit ihr zu
plaudern,
Und schmiegte glücklich mich an ihre Brust!
BITTE AN DEN HUND
UNBEKANNTE DICHTERIN
Wenn mein Geliebter in der Nacht
Den Binsenzaun durchbricht und
leise
Zu mir hereinsteigt,--Hund, ich rate
Dir ernstlich: hülle dich in
Schweigen,
Verrate ihn den Leuten nicht,--
Es soll dir gut gehn,
lieber Hund!
DER TEICH
UNBEKANNTER DICHTER
Dir, Teich von Miminaschi, gilt mein Hass,
Denn meine Liebste hat
verzweifelnd sich
In dich gestürzt und ist in dir ertrunken.
Warum
bist du nicht schnell vertrocknet, als
Die Holde kam, in dir den Tod
zu finden?
Ich hasse dich, erbarmungsloser Teich!
TRENNUNG
UNBEKANNTER DICHTER
Trotz aller Hindernisse,
Die dem eilenden Flusse
Entgegentreten:

Alle Wasser, die sich trennen,
Um Bänke und Riffe herum,

Strömen doch endlich.
Endlich wieder
Jubelnd zusammen!

VERTRAUEN
UNBEKANNTE DICHTERIN
Die Mutter hat aufs strengste mir verboten,
An deiner Brust zu
schlafen, mein Geliebter,
Obwohl mir das Orakel klar verhiess,

Dass ich dereinst die Deine werden soll.
So lauter wie das nie
getrübte Wasser
Des Teiches von Kiyosmi ist mein Herz
Und ist so
tief auch wie der Grund des Teiches,
Und immer wird es deiner treu
gedenken
Und wird vertrauend harren in Geduld,
Bis dass ich ganz
mit dir vereinigt bin.
ÜBER DIE HEIDE
UNBEKANNTER DICHTER
Was für ein Mensch ist das, um dessentwillen
Du, schöne Frau, mit
Mühe und voll Sehnsucht
Die Heide von Miyake überquerst?
Beschwerlich ists, durch das Gestrüpp zu wandern.
Qualvoll ist dieser
Gang für Frauenlenden,
Weh, wenn dich deine Eltern sähen, Kind!
So zart wie weisses Linnen glänzt dein Antlitz,
Dein langes Haar ist
dunkel wie das Innre
Der Mina-Muscheln, die das Meer ausspeit.
Ein Kamm aus Buchsbaum steckt in deinen Haaren.
Wem eilst du zu?
Wer bist du, holdes Wesen?
O Götterlust, mein Weib eilt zu mir her.
Da sie die Sehnsucht nicht ertragen kann!
BANGNIS
UNBEKANNTE DICHTERIN
Ich lehne mich an deine Brust, Geliebter,
Und das Vertrauen, das ich
in dich setze,
Ist so, als ob ich einem grossen Schiff
Mich

anvertraute. Lang und immer länger
Denk ich an dich, so wie die
Efeuranken
Hinkriechen an der Mauer, lang und länger.
O wären
wir vor Unheil stets bewahrt!
Ich schlinge meinen Ärmel um die
Schultern
Und stelle fromme Weihgefässe auf
Und flehe zu den
Göttern, die im Himmel
Und
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