Japanische Märchen | Page 6

Karl Alberti
der sich erhoben hatte, und begrü?ten ihn durch Neigen ihres Kopfes ehrerbietig.
Dann nahten sich zwei gr??ere Fische, die auch ein blaues Kleid anhatten aber mit goldenen Aufschl?gen, und die ein ebensolches Kleid brachten und ohne etwas zu reden, Urashima die Fischerkleider auszogen und mit dem mitgebrachten blauen Gewande bekleideten.
Urashima lie? alles willenlos mit sich geschehen; er sagte sich, nun bin ich einmal hier und kann allein nicht fort. Schlimm wird es mir sicherlich nicht ergehen; denn, wen man mit einem Ehrengewande bekleidet, den wird man wohl nicht verschlingen.
Nachdem ihm auch noch herrliche Sammetpantoffel an die Fü?e gesteckt waren, kam eine wunderbar sch?ne Zofe, nahm ihn bei der Hand und führte ihn durch das Tor, w?hrend die Fische als Ehrengeleite in respektvoller Entfernung in sch?nster Ordnung folgten.
Nachdem sie das Tor durchschritten hatten, gelangten sie an eine Marmortreppe, die sieben Stufen hatte und an einem Tor von gl?nzendem Mahagoniholz, an dem zahlreiche Smaragde flimmerten, endete. Hier angelangt, ?ffnete die Zofe das Tor und lie? Urashima eintreten, der sich nun in einem gro?en Saale befand, dessen unbeschreibliche Pracht seine Augen fast blendete. Zwanzig S?ulen von reinstem Kristall trugen die aus Korallen gebildete Decke des Saales, von der eine Unmenge kostbarer Lampen herabhing, in denen wohlriechende ?le brannten. Die W?nde waren alle aus Marmor und trugen zum Schmuck die verschiedensten Edelsteine und Rubinen. In der Mitte des Saales befand sich ein diamantener Thron, auf dem Otohime, die Meeresk?nigin sa?, sch?n wie die Morgenr?te, die das bleiche Nachtgestirn vertreibt. Den Thron umgab eine unendliche Menge von Würdentr?gern und Palastbeamten, alle in kostbare Gew?nder gekleidet. Die ganze Pracht war für den an derartige Sch?nheit und Wunder nicht gewohnten jungen Fischer so blendend, da? er nur z?gernd und halb willenlos, langsam einen Fu? vor den andern setzte und sich so dem Throne nahte, wo er sich ehrfurchtsvoll und demütig niederwerfen wollte. Aber die K?nigin, die seine Ueberraschung und sein Z?gern mit mildem, freundlichem L?cheln beobachtet hatte, erhob sich schnell, ergriff Urashima bei der Hand und verhinderte so sein Niederfallen. Mit einer Stimme, die dem Klange einer silbernen Glocke glich, sü? und rein, sagte sie zu ihm:
?Sei mir willkommen. Ich habe geh?rt, da? du gestern in selbstloser Weise einer meiner liebsten Dienerinnen das Leben gerettet hast. So war es mein aufrichtiger Wunsch, dir diese edle Tat zu vergelten und dir meine Dankbarkeit zu beweisen. Deshalb habe ich dich zu mir eingeladen und ich habe mich gefreut, da? du so furchtlos warst und der Gefahr nicht achtetest, den Weg hierher zu unternehmen. Wer furchtlos ist, ist in der Regel auch treu!? Der junge Fischer wu?te nicht, wie ihm geschah und er war so verlegen und befangen, da? er auch nicht ein Wort zu erwidern vermochte; er machte nur eine stumme, sittsame Verbeugung.
Auf einen Wink der K?nigin wurden ihm nun seidene Polster gebracht, auf die er sich niederlassen mu?te, dann stellte man ein elfenbeinernes Tischchen vor ihm hin, auf dem sich auf einer roten Lackplatte schmackhafte Speisen verschiedenster Art befanden, die ihm s?mtlich unbekannt waren. Er lie? sich nicht l?nger n?tigen, sondern sprach den Speisen und Getr?nken tapfer zu. Es war für ihn im wahren Sinne des Wortes eine G?ttermahlzeit; hatte er doch in seinem ganzen Leben noch nie derartige Sachen gesehen, geschweige denn jemals gekostet.
Als er sein Mahl beendet hatte, forderte ihn die K?nigin auf, sich den Palast anzuschauen; sie führte ihn von Saal zu Saal, von Zimmer zu Zimmer durch alle R?umlichkeiten, die mit verschwenderischer Pracht ausgestattet waren und jede nur irgend m?gliche Bequemlichkeit aufwiesen.
Das wunderbarste aber war der Garten, der vier gro?e Beete enthielt, die den vier Jahreszeiten entsprachen.
Das eine Beet, der Frühling, enthielt zahllose Pflaumen- und Kirschb?ume, die über und über dicht mit Blüten bes?t waren und auf einem saftigen dunkelgrünen Rasen standen. Auf den Zweigen sa?en zahlreiche Nachtigallen, die ihre lieblichen Romanzen melodisch ert?nen lie?en und eine unendliche Menge Lerchen hatte ihre Nester in dem Blütenmeere erbaut.
Nach Süden zu befand sich das Beet des Sommers: Hier standen Birnen- und Aepfelb?ume, deren Zweige sich unter der Last der herrlichsten Früchte bis nahe zum Erdboden beugten. Grillen und Zikaden erfüllten die Luft mit ihrem einf?rmigen und bet?ubenden Geschrei. Die gro?e Hitze, die in diesem Teile herrschte, wurde gemildert durch einen sanften, kühlenden Wind.
Das dritte Beet, der Herbst, im westlichen Teile gelegen, war ganz bedeckt mit welken Bl?ttern und Chrysanthemenblüten, w?hrend das im Norden befindliche vierte Beet, den Winter, ein dichter Schneeteppich bedeckte und Eisfelder und ein zugefrorener Graben es umgrenzten. So verbrachte Urashima sieben lange Tage im Palaste der Meeresk?nigin und wurde gar nicht müde, all die Wunder und Herrlichkeiten anzustaunen, die ihm t?glich gezeigt wurden und im Entzücken über die liebliche Sch?nheit Otohimes verga? er ganz seine Heimat, seinen Vater, sein Weib und seine Kinder. Aber eines Tages, als er wieder mü?ig umherschlenderte, kamen ihm diese doch wieder in Erinnerung und ein tiefes Heimweh befiel ihn.
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